Erste Ausfahrt: Citroën C3 Aircross

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Die Kompakt-SUVs im B-Segment boomen. Die naheliegende Zukunft der Mobilität sind also hochgebockte Kleinwagen der Polo-Klasse mit Frontantrieb und Verbrennungsmotoren. Auch Citroën will mit dem C3 Aircross ein Stück vom Kuchen abhaben. Böse Zungen behaupten, der Name klingt ein wenig nach Knäckebrot. Nachdem das auf der gleichen Plattform wie der Opel Crossland X basierende Klein-SUV auf der IAA Weltpremiere hatte, konnte es die Journaille jetzt erstmals auf den ständig über- und unterkurvigen Landsträßchen Korsikas testen.

Praktikabilität und Lifestyle

Leute wie ich, die bei SUV an Range-Rover denken und Allradantrieb fordern, haben zwar meine benzinschnüffelnde Sympathie und meiner unmaßgeblichen Meinung nach auch völlig Recht, aber leider den Schuss nicht gehört. B-Segment SUV wie der Citroën C3 Aircross wollen stylische Kleinwagen mit hoher Sitzposition und gutem Nutzwert sein. Einen Allradantrieb wird die zu erwartende Kundschaft nur selten nachfragen. Diese Kompakt-SUV richten sich an Leute, die so etwas wie die Eigenschaften der alten Mercedes A-Klasse W169 haben wollen, also viel Platz auf kleinstem Raum, hohe Sitzposition und beste Übersicht. Gleichzeitig wollen der C3 Aircross und seine zahlreichen Wettbewerber aber mit Jugendlichkeit, Agilität und Style punkten.

SUV-Darsteller

Jugendlichkeit, Style, Übersicht und Nutzwert schreien die zahlreichen für uns vorbereiteten C3 Aircross schon vom Parkplatz herüber. Sie sind, neutral formuliert, auffällig. Sie grenzen sich von 08/15-Kleinwagen ab und folgen nahtlos der expressiven Designsprache des größeren C5 Aircross. Der 4,15 m lange, kastenförmige C3 Aircross macht ganz schön auf Geländewagen. Er steht sehr stämmig da, mit über 1,60 m Höhe, martialisch optischem Unterschutz vorn und hinten, Beplankungen an Schwellern und Radhäusern und einer senkrecht, stehenden maskulinen Front. Sie ist mehr als halb so hoch wie das ganze Auto. Das hilft nicht nur dem Kleinen Respekt zu verschaffen, sondern auch dem Fußgängerschutz.

85 Farbkombinationen

Aber kaum ein Fußgänger wird bei der Straßenquerung wohl ausgerechnet einen C3 Aircross übersehen. Schließlich kann seine Karosserie mit 85 Farbkombinationen, zusammengesetzt aus acht Außenfarben, drei Dachfarben und vier Farbpaketen für die Details, auffällig bis krawallig gestrichen werden. Die an Eiswürfelförmchen erinnernden Kunststofftürflanken und die teilweise schrillen Innenraumpakete z.B. mit orangefarbenen Ringen um die Lüftungsrosetten sind auch Geschmackssache. Aber letztere sind optional und an zweiteres kann man sich gewöhnen. Zumal man den Innenraum auch ganz in tristes Grau und Schwarz tauchen kann.

Luftiges Interieur

Bereits Zustieg, Sitzposition und der lichtdurchflutete Innenraum machen mir den Lifestyle-Kasten sympathisch. Besonders mit dem großen Panoramaschiebedach ist das Interieur angenehm luftig. Der C3 Aircross ist der bislang einzige Kompakt-SUV mit einem zu öffnenden großen Glasschiebedach. Es ist für die beiden teureren der drei Ausstattungslinien für 790 Euro Aufpreis erhältlich. Die große Kopffreiheit und die ordentliche Rundumsicht nehmen unmittelbar und unabhängig von der Ausstattung für den neuen Citroën ein. Das Fensterband ist wie eine Schleife rundherum um den kastigen Stadtgeländewagen gezogen. Wo normalerweise eine fette C-Säule aus Blech im Sichtfeld steht, ist hier eine Scheibe, die mit aufgemalten Lamellen nur etwas kaschiert wurde. Ich würde sie ja zumindest wahlweise ganz durchsichtig lassen. Auch so gratuliere ich Citroën dazu, den diametral entgegengesetzten Weg zur C-Säulen-Architektur des Volvo XC 40 gewählt zu haben.

Auch in der zweiten Reihe sitzt man in diesem kompakten Fahrzeug wie in der ersten Klasse. Ich bin knapp 1,80 m groß und sitze hinter dem auf mich eingestellten Fahrersitz besser als in den meisten Mittelklassewagen. Weder finden meine Knie Kontakt zu den Vordersitzlehnen noch hat mein Kopf die Chance das Dach zu berühren.

Hoher Nutzwert

Das Kofferraumvolumen gehört mit 410 bis 1281 Litern zu den größten der Klasse. Im gut 500 Euro teuren „Familiy-Paket“ ist eine Rückbank enthalten, deren Rückenlehne im Verhältnis 40:20:40 geteilt umlegbar und deren Sitzfläche im Verhältnis 1/3 zu 2/3 umklappbar ist. Der verstellbare Ladeboden erlaubt es auch bei umgeklappten Rücksitzen, entweder die letzten Kubikzentimeter Stauraum auszunutzen oder einen komplett ebenen Ladeboden zu schaffen. Das Paket umfasst eine im Verhältnis 2/3 zu 1/3 verschiebbare Rückbank mit in der Neigung verstellbarer Rückenlehne, die den Kofferraum in Normalstellung zu Ungunsten von Platz und Bequemlichkeit für die Fondpassagiere auf 520 Liter erweitern kann. Außerdem ist eine umklappbare Beifahrerlehne in diesem „Family-Paket“ enthalten. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, das die Sitze auch einen bequemen und ergonomischen Eindruck machten.

Citroën meldet sich mit diesem Auto eindrucksvoll in einer traditionellen Kernkompetenz der Marke zurück: Dem Federungskomfort oder besser gesagt der Fahrwerksabstimmung. Endlich mal ein moderner Kleinwagen, der nicht dem Irrglauben aufsitzt, dass Fahrspaß Härte verlangt. Vor langer Zeit federten französische Kleinwagen einmal hochkomfortabel, waren aber nicht sportlich. Vor zehn Jahren, zwanzig Jahren konnte man in brettharten Clios und Peugeot 206 GTI (bzw. S16) zwar seinen fahrdynamischen Spaß haben, musste dafür aber sehr viele harte Schläge vom Fahrwerk einstecken können. Projektleiter Etienne Menant verweist auf die Tendenz, Kleinwagen immer härter abzustimmen, die Citroën bewusst nicht mitgehen wolle. Das gehört zur Markenstrategie die sich auf Marketing-Französisch bzw. Englisch „Citroën Advanced Comfort“ nennt. Wer Korsika kennt, mag jetzt stutzen und es, zurückhaltend formuliert, mutig finden, einen komfortabel abgestimmten Kleinwagen gerade auf den dortigen Serpentinenstrecken für Testfahrten zur Verfügung zu stellen. Doch die Citroën-Techniker haben das Kunststück fertig gebracht, den C3 Aircross gleichzeitig komfortabel und agil zu machen.

Zwei Diesel, ein Benziner

Ein C3 Aircross BlueHDi 120 mit (wie der Name schon sagt) 120 PS starkem 1,6-Liter-Diesel wartet auf uns, der ausschließlich mit einem Sechsgang-Schaltgetriebe angeboten wird. Es gibt ihn auch noch als auf 99 PS gedrosselten BlueHDi 100 mit Fünfgang-Schaltgetriebe. Einen Diesel mit Automatik bietet Citroën vorerst nicht an. Alle drei Ottomotoren basieren auf demselben 1,2-Liter-Dreizylinder, der sich Puretech nennt. Es gibt ihn als Puretech 82, 110 und 130, wobei die Zahlen auch hier für die Leistung in PS stehen. Nur der Einstiegsmotor ist ein Sauger, Puretech 110 und 130 verfügen über Turboaufladung. Die beiden schwächeren Motoren haben serienmäßig ein Fünfgang-Schaltgetriebe, der Puretech 130 hat ein manuelles Sechsganggetriebe. Nur der Puretech 110 ist auch als Automatikversion mit einer Sechsstufen-Wandlerautomatik erhältlich.

Exakte Schaltung

Der BlueHDi 120 erwacht vibrationsfrei zum Leben und gehört zur Gattung der Sanftnagler. Der gefühlt meterlange Schalthebel erinnert mich an mein erstes Auto, einen Fiat Uno. Nun gut, damals war er aus einem seltsam klebrigen Plastik, hier ist er immerhin am Knauf mit Kuhhaut bezogen. Mir schwant trotzdem nichts Gutes als ich nach langem Weg den ersten Gang erreiche. Für Freunde des trockenen Klack-Klack in einem Mazda MX-5 ist der C3 Aircross zwar eine Enttäuschung. Auf fröhlicher Serpentinenhatz findet man aber jedoch wider Erwarten immer schnell und exakt den richtigen Gang. Im direkten Vergleich zu Kia Rio und Nissan Micra hat der C3 Aircross für mich die exakteste Schaltung.

Ausgewogenes Fahrwerk

Am besten hat mir aber, ich hab es schon angedeutet, das Fahrwerk gefallen. Die Federung ist schluckfreudig. Gullideckel, Schlaglöcher und Blechplatten, die Schlaglöcher abdecken sollen, federt der Aircross souverän weg. Gleichzeitig liegt er aber souverän auf der Straße. Nur wenig Seitenneigung stört das sportliche Fahren. Hinzu kommt eine sehr gut ausbalancierte Lenkung, die die Serpentinenhatz perfektioniert. Die Lenkkräfte sind gering, trotzdem fühlt man alles, was auf der Straße passiert. Wenn man bei knapp 2000 Touren Gas gibt, merkt man allerdings auch deutlich, dass 300 Nm Maximaldrehmoment an der Vorderachse zerren. Ich konnte nur ganz kurz im Vergleich einen 110-PS-Dreizylinder-Benziner mit Automatik bewegen und hatte den Eindruck, dass er sich schlapper anfühlte. Dieser Eindruck wurde mir auch von Kollegen bestätigt. Sie berichteten jedoch auch von, in Anbetracht der Streckenverhältnisse, vergleichsweise moderaten Verbräuchen um die 8,5 Liter.

Tom Tom vernavigiert sich

Der Topdiesel passt sehr gut zum C3 Aircross. Er stellt jederzeit genügend Kraft zur Verfügung und macht richtig Spaß. Dabei wird er nie laut, läuft vibrationsarm. Zum Verbrauch kann man nach dem Auf und Ab auf tausend Kurven wenig sagen. Ich verbrauchte auf der ambitioniert gefahrenen, sehr verbrauchsungünstigen Strecke knappe acht Liter. In der Praxis halte ich um die fünf Liter Durchschnittsverbrauch für wahrscheinlich – ohne Gewähr.

Negativ ist das Navigationssystem aufgefallen. Wie beim Kia Rio kannte das Tom Tom-System schon nach einer halben Stunde Fahrt den ersten Kreisverkehr nicht, wollte uns an einer falschen Ausfahrt ableiten. Der etwas zu weit unten positionierte Siebenzoll-Touchscreen lässt sich aber einfach bedienen und problemlos ablesen. Er reagiert schnell und verfügt über die Mirror Link Funktion. Apple Car Play unterstützt das System ebenso wie Android Auto. In einem Paket sind Head-up-Display mit Zusatzplastikscheibe, Induktionsladung für Smartphones, Soundsystem und schlüsselloser Zugang enthalten.

Schlechtwegetauglichkeit

Ein weiteres Paket dient der Traktion und Fahrbarkeit im Gelände. Ein Grip Control genannter Drehschalter soll die Fahreigenschaften auf verschiedenen Untergründen wie Schnee, Schlamm und Sand verbessern, insbesondere das Anfahrverhalten. Ich finde so etwas in einem Stadt-SUV ein bisschen albern. Der Automatik-Benziner mit Grip Control konnte meine Zweifel auch nicht zerstreuen. Auf einem sandigen, steilen Bergweg bemerkte ich, ehrlich gesagt, keinen Unterschied zwischen den Grip Programmen. Der Bergabfahrassistent funktioniert gut, aber auch mit dem Diesel ohne dieses Paket, kam ich dieselbe Strecke im ersten Gang mit Motorbremse sehr gut herunter. Ich musste nur drei mal bremsen und zwei mal die Kupplung drücken. Die große Bodenfreiheit des C3 Aircross führt für sich allein genommen schon dazu, dass man auf schlechten Wegen Aufsetzer nicht fürchten muss. So gesehen steckt in dieser Lifestyle-Schachtel also trotz Frontantriebs ein klein wenig SUV der alten Schule.

Selbstbewusste Preisgestaltung

Der Einstiegsbenziner mit 82 PS beginnt eigentlich erst mit der besseren Ausstattungsvariante Feel bei 16.790 Euro. Das Basismodell für 15.290 Euro ohne Klimaanlage und Radio ist ein reiner Preislistenfake. Die 2000 Euro Aufpreis für den 110-PS-Dreizylinder würde ich auch noch drauflegen. Citroën geht auch davon aus, dass das die meisten Kunden tun werden und der mittlere Benziner zum Volumenmodell avancieren wird.

Die Topausstattungslinie kostet mit 2400 Euro zwar einen happigen Aufpreis, bringt aber unter anderem so sinnvolle Dinge wie DAB-Radio, Smartphone-App-Anbindung, Klimaautomatik, verschiebbare Rückbank und Einparkhilfe hinten mit. Das Family-Paket für Variabilität und Sicherheit für 490 Euro muss dann auf jeden Fall auch noch sein und 550 Euro für einen Metalliclack. So ergibt sich ein Preis von 22.230 Euro für einen vernünftig ausgestatteten 110-PS-Benziner mit Fünfgang-Schaltgetriebe. Das ist nicht wenig. Doch der der C3 Aircross rechtfertigt den hohen Preis mit handfesten Qualitäten.

Kosten für Reise und Probefahrt wurden vom Hersteller übernommen.