Fahrbericht Kia Rio

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Kia hat soeben die neue Generation des Polo-Corsa-Fiesta-Konkurrenten Rio der internationalen Fachpresse vorgestellt. Das war die erste Möglichkeit den Neuzugang im sogenannten B-Segment (Kleinwagen) zu fahren. Anschauen konnte man den Rio ja bereits in Paris.

Die Motorenpalette beginnt mit zwei aus dem Vorgänger übernommenen Vierzylinder-Ottomotoren. Der 1,2-Liter-Einstiegsmotor leistet 84 PS. Hinzu kommt ein 99 PS starker 1,4-Liter-Benziner. Neuer Top-Ottomotor ist ein Einliter-Dreizylinder-Turbo. Es gibt ihn in zwei Leistungsstufen mit 100 PS und 120 PS. Ebenfalls bereits aus dem Vorgänger bekannt ist der 1,4-Liter-Common-Rail-Dieselmotor. Er ist wahlweise mit 77 PS und 90 PS erhältlich.

Veraltete Automatik

Der Einstiegsbenziner und der schwächere Dreizylinder haben ein Schaltgetriebe mit fünf Gängen, alle anderen Rios verfügen über ein Sechsgang-Getriebe. Einzige Automatikoption ist vorerst der 1,4-Liter-Benziner mit einer technisch veralteten Vierstufen-Wandlerautomatik. Ein 120-PS-Dreizylinder 1.0 T-GDI mit Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe soll erst 2018 kommen. Kia hat die Nachfrage nach dem DCT genannten Getriebe im Golf-Konkurrenten cee`d unterschätzt und kann es deswegen noch nicht im Rio anbieten.

Für erste Fahreindrücke standen das Einstiegsmodell Rio 1.2 mit 84 PS starkem Ottomotor, der 100 PS starke Dreizylinder-Turbobenziner 1.0 T-GDI, beide mit Fünfgang-Schaltgetriebe, sowie der Diesel 1.4 CRDi mit 90 PS und sechs Gängen zur Verfügung.

Zunächst bewegten wir den Diesel im Stadtverkehr. Positiv fiel sofort der kultivierte Lauf des Common-Rail-Diesel auf. Man hört ihn nämlich so gut wie gar nicht. Er ist zudem auffallend gut gedämmt. Vibrationen sind weder im Schalthebel noch sonstwo im Innenraum zu spüren. Die Sechsgang-Schaltung ist leichtgängig und exakt. Allenfalls die Wege könnten etwas kürzer sein.

Schon in der Stadt, noch mehr aber bei einer späteren Runde über mäandernde Bergstraßen zeigte sich, dass man von den 240 Nm Drehmoment relativ wenig spürt. Obwohl sie bereits bei 1500 Umdrehungen anliegen sollen, muss man ziemlich oft zum Schalthebel greifen, wenn man flott unterwegs sein will. Das gilt um so mehr für die beiden Benziner. Ein Elastizitätswunder ist der Rio nicht. Geschmackssache ist das Klack-Klack-Geräusch der Schaltung, das besonders beim 3-Zylinder-Benziner auf der Bergstrecke auffiel. Mich hat es genervt.

Der 1.0 T-GDI konnte nur in seiner schwächeren Version mit 100 PS und Fünfgang-Getriebe gefahren werden. Der Einliter-Turbo-Benziner ist akustisch weniger zurückhaltend als der Diesel, wobei mich der kernige Dreizylinder-Sound nicht gestört hat.

Basis reicht

Das Drehmoment von 172 Nm steht schon bei 1500 Umdrehungen zur Verfügung. Im Vergleich zum 1.2 (84 PS, 122 Nm bei 4000 Umdrehungen) ist das eine andere Welt ... Möchte man meinen und die versammelten Kollegen waren auch dieser Meinung. Ich persönlich fand aber, dass sich auch mit dem Einstiegsbenziner erstaunlich gut leben lässt. Natürlich muss man ihn drehen lassen und es ist viel Schaltarbeit gefragt, um ihn flott durch Serpentinen zu bewegen. Aber spaßfreie Minimalmotorisierungen sehen für mich anders aus.

Ich würde sogar soweit gehen, mir die 2000 Euro Aufpreis für den Dreizylinder zu sparen, wenn ich nicht ständig weite Strecken fahren muss. Für den Alltagsgebrauch von vermutlich 90 Prozent aller B-Segment-Fahrzeuge reicht der Einstiegsbenziner aus. Auch gelegentliche Urlaubsreisen werden damit nicht zur Zumutung. Zumal auch kein signifikanter Mehrverbrauch gegenüber dem modernen Dreizylinder festgestellt werden konnte. Im Gegenteil: Ich habe mit dem alten Vierzylinder auf der Landstraßenrunde sogar weniger verbraucht als mit dem Dreizylinder. Die Aussagen zu den Verbräuchen befinden sich hier allerdings auf sehr dünnem Eis und sind nicht belastbar – dafür war diese Ausfahrt einfach zu kurz.

Bei der Runde über hügelige Landstraßen verdoppelten alle Motoren ihre NEFZ-Kombi-Verbräuche. Ich verbrauchte hier mit dem Diesel 6,8 Liter auf 100 km (NEFZ: 3,8 Liter), mit dem 1.0 T-GDI 8,6 Liter (NEFZ: 4,5 Liter) und mit dem 1.2 7,5 Liter (NEFZ: 4,8 Liter). Die Strecke scheint hier aber auch sehr verbrauchsungünstig zu sein. Bei einer späteren Fahrt mit Schnellstraßen- und Stadtanteil verbrauchte ich mit dem Dreizylinder 1.0 T-GDI 5,8 Liter pro 100 km. Man darf gespannt sein, wie hoch der tatsächliche Verbrauch der einzelnen Modelle im Alltag ist. Verbrauchswunder zu erwarten scheint jedoch gewagt, obwohl alle Modelle mit Ausnahme des betagten 1,4-Liter-Benziners, den wir nicht fahren konnten, mit einem angenehm unauffällig arbeitenden Start-Stopp-System und Bremsenergie-Rückgewinnung ausgestattet sind.

Überzeugendes Fahrwerk

Gut gelungen sind Fahrwerk und Lenkung des neuen Rio. Die Lenkung ist leichtgängig beim Rangieren in der Stadt, vermittelt auch für engagierte Serpentinenhatz genügend Fahrbahnkontakt und der Geradeauslauf bei Autobahntempo ist ebenfalls untadelig. Recht viel besser geht es im B-Segment nicht. Auch beim Fahrwerk ist eine ausgewogene Abstimmung gelungen. Der Komfort auf langen Strecken überzeugt. Aber auch schnelle enge Kurven macht der Rio mit, ohne zu murren. Insgesamt vermittelt er mehr Fahrspaß als ein Polo, ohne unkomfortabler zu sein. Im Kia freut man sich auf die nächste Kurve, im VW kriegt man dafür zu wenig von ihr mit. Ich persönlich fand höchstens, dass die Federung des Kia auf Landstraßen zweiter Ordnung ein bisschen steif anspricht. Ich hatte ansatzweise das Gefühl, der Rio würde wie auf Stelzen laufen.

Der Innenraum des Rio zeigt beispielhaft, was für ein hohes Niveau das B-Segment einerseits und Kia andererseits erreicht haben. Die Verarbeitung ist sehr gut. Die Spaltmaße sind gleichmäßig und klein. Die Kunststoffe sind schon im Einstiegsmodell von hoher Qualität. Die höheren Ausstattungslinien werten das Cockpit mit lackierten Interieurleisten, Chromeinfassungen und Luftausströmerrahmen aus Klavierlack noch weiter auf. Die Instrumente und das Display des serienmäßigen Bordcomputers sind hervorragend ablesbar.

Teures Navigationspaket mit Schwächen

Das neue Navigationssystem mit 7-Zoll-Touchscreen leistet sich aber Ungenauigkeiten. Es verzählte sich zum Beispiel manchmal bei den Ausfahrten aus Kreisverkehren. Zusammen mit einer nicht ganz eindeutigen Kartendarstellung hat uns das gestresst. An unübersichtlichen Kreuzungen konnte man nicht erkennen, ob man der abknickenden Hauptstraße folgen oder auf eine Nebenstraße abbiegen muss. Schmerzlich vermisste man zusätzliche Abbiegepfeile mit herunterzählenden Meterangaben im Kombiinstrument.

Von einem System, das im Paket mit Apple-Car-Play bzw. Android Auto, Digitalradio und Rückfahrkamera 990 Euro kostet, muss man mehr erwarten dürfen. Es ist zudem erst ab der mittleren von fünf Ausstattungslinien verfügbar. Das heißt im Klartext: Um ein Digitalradio zu bekommen, ist man gezwungen die dritte von fünf Ausstattungslinien und ein nicht empfehlenswertes Navigationssystem mitzukaufen. Und wenn wir schon beim Kritisieren sind: Auch im B-Segment muss ein Soundsystem nicht so klingen als wären statt Boxen Joghurtbecher verbaut.

Gute Ergonomie

Die Ergonomie stimmt dagegen im neuen Kia Rio. Ich fand in Sekunden eine perfekte Sitzposition. Die Sitze sind angenehm straff gepolstert, bequem und bieten genügend Seitenhalt in Kurven. Aussagen zu deren Langstreckenqualitäten lassen diese ersten Ausfahrten allerdings noch nicht wirklich zu.

Positiv überraschen die Platzverhältnisse im Fond. Hinter einem 1,78 m großen Fahrer kann ein ebenso großer Erwachsener eine angenehme Sitzposition finden. Klar stößt man dann leicht mit den Knien an die Fahrersitzlehnen. Die Füße können aber bequem unter den Fahrersitz geschoben werden. In meinem alten 3er-BMW der Baureihe E46 hat man eher weniger Platz.

Kleinwagenmäßig ist beim Rio höchstens der unbequeme Zustieg durch die sehr knappen Fondtürausschnitte. Und man sollte wissen, dass man im alten Dreier hinten drei Leute unterbringen kann, wenn man sie nicht besonders mag. Im Rio muss man sie hassen. Aber das ist bei keinem Kleinwagen besser.

Mit einem Kofferraumvolumen von 325 bis 980 Liter inklusive ladefreundlichen Zuschnitt und verstellbarem Boden (erst ab zweiter Ausstattungsstufe) gehört der Kia Rio insgesamt jedenfalls zu den geräumigsten Vertretern des B-Segments.

Kein LED-Licht

Die Sicherheitsausstattung des Rio wurde im Vergleich zum Vorgänger erweitert. Ein LED-Abblend- oder gar Fernlicht bietet Kia bislang aber nicht an. Dafür gehört der optionale autonome Notbremsassistent mit Fußgänger-Erkennung zu den herausragenden Systemen im Segment. Er ist Teil eines Paketes für 990 Euro inklusive Spurhalte-Assistent und Tempomat, das für sämtliche Ausstattungslinien erhältlich und ab der zweithöchsten Ausstattungsstufe Spirit serienmäßig ist.

Für 11.690 Euro erhält man den Rio 1.2 Fünftürer in der Grundausstattung Attract mit Bordcomputer, USB-Radio, Multifunktionslenkrad, elektrischen Fensterhebern vorn, Zentralverriegelung mit Fernbedienung und höhenverstellbarem Fahrersitz. Auch für dieses Grundmodell ist das oben erwähnte Sicherheits-Assistenzpaket erhältlich. Wir würden zumindest die manuelle Klimaanlage für 890 Euro Aufpreis empfehlen. Das macht dann 12.580 Euro. Hinzu kommen in den meisten Fällen wohl noch 520 Euro für die Lackierung, denn nur „Weiß uni“ ist kostenfrei. So sind am Ende 13.100 Euro für das Grundmodell fällig. Billig ist das nicht, aber es erscheint fair.

Wenig kundenfreundliche Preisgestaltung

Wenn man zusätzliche Ausstattungen haben will, zwingt einen Kia in ein verschachteltes System von Paketen und Ausstattungslinien, die den Rio dann schnell so stark verteuern, dass kaum mehr ein Preisvorteil gegenüber der etablierten deutschen Konkurrenz wie Polo, Corsa und Fiesta übrigbleibt. Beispielsweise ist eine Bluetooth-Freisprechanlage erst in einem Paket mit der nächsthöheren Ausstattungslinie erhältlich, also nicht unter 14.480 Euro.

Teuer wird es, wenn man ein Schiebedach haben will. Dann muss nämlich die Platinum Editon gewählt werden, die allerdings auch mindestens den 1,4-Liter-Benziner voraussetzt. Den würden wir jedoch nicht empfehlen. Bleibt also nur der 120 PS starke Dreizylinder, denn die 100-PS-Version ist als Platinum-Edition nicht verfügbar. So ein Rio 1.0 T-GDI Platinum-Edition kostet dann in einer ansprechenden Farbe 21.820 Euro. Damit ist Kia auf dem preislichen Niveau der deutschen Konkurrenz. Vergessen darf man in diesem Zusammenhang aber nicht die unschlagbare 7-Jahre-Garantie von Kia. Und, dass das Auto technisch in jeder Beziehung mithalten kann.