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Fiat Scudo Panorama und Peugeot Expert Tepee mit 136-PS-Diesel im Vergleich

Fast gleiche Brüder: Familien-Busse im Duell

Fahrberichte rhi
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Erstaunlich, wie alleine der unterschiedliche Frontgrill den Charakter der technischen Zwillinge verändert. Hinter der geschickt gemachten Frontfassade gibt es dagegen kaum Unterschiede – einen Gewinner fanden wir trotzdem

Haar, 26. August 2008 – Dass ein Auto unter dem Dach von zwei oder drei Marken erscheint, ist nichts Neues. Citroën C1, Peugeot 107 und Toyota Aygo sind erfolgreiche Beispiele der jüngeren Vergangenheit, doch auch bei Transportern ist gang und gäbe, quasi baugleiche Fahrzeuge zu verkaufen, die sich fast nur kosmetisch unterscheiden. Wie bereits beim Vorgängermodell und anderen Nutzfahrzeugbaureihen produzieren Fiat, Peugeot und Citroën in einem gemeinsamen Werk Kastenwagen und Busse. Die Geburtsstätte der Modelle Scudo (Fiat), Expert (Peugeot) und Jumpy (Citroën) liegt im französischen Valenciennes. Anfang des Jahres 2008 wurde der Fiat Scudo von einer Jury aus 20 europäischen Nationen zum „Internationalen Van des Jahres 2008“ gekürt. Ob die Auszeichnung gerechtfertigt ist, soll unser Vergleich von Fiat Scudo und Peugeot Expert zeigen. Gibt es bei soviel Gleichheit überhaupt Unterschiede?

Unterschiedlich im Detail

Zu diesem Zweck schauen wir uns den Fiat Scudo Panorama Executive und den Peugeot Expert Tepee etwas genauer an. Bei ihnen handelt es sich um die jeweilige Kombivariante der kantigen Modelle. Äußerlich betrachtet ähneln sich die Fahrzeuge wie ein Ei dem anderen. Beide fahren als so genannte „kurze“ Version vor, wobei diese Bezeichnung bei einer Außenlänge von 4,80 Meter etwas verniedlichend wirkt. Es gibt jedoch noch eine „lange“ Variante, die dank 5,13 Meter Länge ihren Namen mit Recht trägt. Doch zurück zur südländischen Kurzware: Während der Heckabschluss wirkt, als sei er mit dem Lineal gezogen, läuft die Frontpartie in einer fast schon haubenähnlichen Form aus. Durch dieses Designmerkmal wirken die Fahrzeuge gestreckter, als sie eigentlich sind. Optisch unterscheiden sich die beiden Brüder aus gemeinsamer Herkunft nur in minimaler Hinsicht: Die Frontpartie des Peugeot ist geschlossener als die des Fiat, während jener als Topversion seines Stammes eine Extra-Schiebetür auf der linken Seite besitzt.

Fast gleiche Brüder: Familien-Busse im Duell

Großzügiger Innenraum

Beide Busse verwöhnen ihre Insassen mit einem großzügigen Innenraum. Dank des Radstandes von drei Meter und einer Schiebetürbreite von 92 Zentimeter ist der Zugang auch für die hinteren Passagiere komfortabel. Für alle Insassen von Scudo und Expert gilt gleichermaßen: Man steigt nicht einfach ein, man betritt das Fahrzeug. Fahrer und Beifahrer nehmen auf bequemen Einzelsitzen mit Armlehnen Platz. Die Sitzposition ist erwartungsgemäß hoch, aber keineswegs in übertriebener Art und Weise. Man fühlt sich nicht, als würde man auf dem berühmten „Bock“ sitzen. Einen wesentlichen Beitrag zum angenehmen Aufenthalt leistet die sehr große Windschutzscheibe. Die Glasfläche im Kinoformat läuft in den Bereich der Motorhaube hinein und sorgt so für einen guten Blick auf die Straße. Leider erkennt man kaum die markanten Schnauzen beider Fahrzeuge, was speziell bei engen Parkverhältnissen unvorteilhaft ist.

Reichhaltige Ausstattung im Fiat

Während der Fiat Scudo Panorama Executive bereits die Topversion der Modellreihe darstellt, bildet der Peugeot Expert Tepee Tendance nur das mittlere Ausstattungsniveau. So hat der Fiat dem Franzosen eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik, ein CD-Radio und eine Luftfederung an der Hinterachse voraus. Unsere Probanden hatten beide ein Navigationssystem mit integriertem SIM-Telefon, das aber nicht zu empfehlen ist. Nicht nur, dass es mit 1904 (Fiat) beziehungsweise 2350 Euro (Peugeot) sehr teuer ist, es stören auch die überfrachtete Bedienung und ein massiver Buckel auf dem Armaturenbrett. Apropos Armaturen: Ihnen ist anzusehen, dass die beiden Fahrzeuge mehrheitlich als Kastenwagen gekauft werden. Das Interieur wirkt wenig hochwertig und ist nicht perfekt verarbeitet. So löste sich etwa im Peugeot plötzlich der Haltegriff für den Beifahrer, im Fiat hielt es einen Bedienknopf für die Außenspiegel nicht mehr an seinem Platz.

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Platz für bis zu acht Personen

Im Inneren des kantigen Aufbaus ist Platz für maximal drei Sitzreihen, auf denen bis zu acht Personen transportiert werden können. Die Zuladung beträgt ausreichende 875 Kilogramm. Befinden sich alle Sitzbänke an Bord, schrumpft das Ladevolumen auf 283 Liter, ohne die dritte Reihe sind es 1068 Liter. Der maximale Wert nach Ausbau beider hinterer Bänke und bei dachhoher Beladung beträgt 3015 Liter. Die maximal nutzbare Kofferraumlänge liegt bei 2,26 Meter, beim VW T5 Multivan sind es bei gleichem Radstand 2,35 Meter. Beide Kandidaten bieten eine große Heckklappe, deren großer Schwenkwinkel gelegentlich unpraktisch ist. Hier sind die aufpreispflichtigen Flügeltüren eindeutig die bessere Lösung.

Komplizierter Ausbau der Sitze

Ein zwiespältiges Bild ergibt sich hinsichtlich der Variabilität. Unsere beiden Fahrzeuge boten die höchste Modularitätsstufe der hinteren Sitzbänke. Sie bestehen aus einer Zweierbank und einem Einzelsitz, dessen Rückenlehnen hochgeklappt werden können. Zudem sind die Sitze nach oben klappbar und herausnehmbar. Der Ausbau gestaltet sich jedoch schwierig: Um die Sitzmöbel zu entfernen, müssen zwei Hebel betätigt und der Sitz aus zwei Schienen gelöst werden. Selbst nach einem Blick in die Anleitung ist der Ausbau kompliziert, zumal die Hebel ungünstig positioniert sind. Oftmals hilft nur pure Kraft kurz vor der Gewaltanwendung, um die Sitze zu entfernen, denn diese sind sehr schwer geraten. Kann der Einzelsitz noch von einem kräftigen Mann getragen werden, so sind für die übrige Zweier-Bank zwei starke Personen erforderlich. Wie aber zierliche Damen einen Umbau vornehmen sollen, bleibt schleierhaft. Gut gefallen hat uns hingegen die aufpreispflichtige automatische Luftfederung der Hinterachse. Hier gibt es einen Schalter im Kofferraum, mit dem die Ladekante höher oder niedriger eingestellt werden kann.

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Kräftige Motoren

Unter der Haube der beiden Bus-Geschwister arbeitet der gleiche Vierzylinder-Common-Rail-Diesel mit 136 PS aus einem Hubraum von zwei Liter. Das Aggregat gefällt mit seinem Durchzug auch aus niedrigen Drehzahlen. Ein gut abgestuftes Sechs-Gang-Schaltgetriebe sorgt dabei für eine angenehme Geräuschkulisse. Auch bei der Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h sind Unterhaltungen möglich. Auf der anderen Seite ist man oft erstaunt, dass man so schnell fährt. Auch wenn es schwer fällt, sollte man sich vor Augen halten, dass hier ein fast zwei Tonnen schweres Gefährt mit dem cW-Wert einer Schrankwand bewegt wird. Zur Beruhigung dienen die serienmäßigen Scheibenbremsen vorne und hinten. Negativ fällt beim Peugeot Expert eine Trampelneigung der nicht luftgefederten Hinterachse auf.

Hinsichtlich des Verbrauchs kamen wir auf einen Schnitt von knapp zehn Liter Diesel auf 100 Kilometer. Angesichts von Form und Masse der beiden Fahrzeuge ist dieser Wert zwar durchaus respektabel, entfernt sich aber deutlich von den 7,5 Liter, welche die Hersteller angeben.

Günstige Anschaffungspreise

Hatten wir es bislang mit einem toten Rennen zu tun, so setzt sich in den Schlussminuten doch der Fiat durch. Sein entscheidenden Treffer landet er nach dem Studium der Preisliste. Dort steht der Scudo als Panorama Executive mit Partikelfilter für 32.785 Euro. Zur Serienausstattung gehören unter anderem zwei Schiebetüren, eine Klimaautomatik, ein Tempomat, elektrisch verstell- und beheizbare Außenspiegel und die Luftfederung an der Hinterachse. Um den Peugeot Expert Tepee in der Tendance-Ausstattung auf das Niveau des Fiat zu heben, werden 35.170 Euro fällig. Für 33.290 Euro wartet der VW T5 Multivan mit 2,5-Liter-Diesel und 131 PS in der Startline-Ausstattung auf Käufer. Allerdings bietet er serienmäßig keine zweite Schiebetür, keine hintere Luftfederung und keine Klimaautomatik. Das Länderspiel Frankreich-Italien entscheidet jedenfalls der Fiat Scudo für sich. Wie das Duell Italien gegen Deutschland ausgehen wird, bleibt offen.


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