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Günstig fliegen

Im Test: Skoda Octavia RS

Fahrberichte Martin Franz
Skoda Octavia RS

Ausgerechnet im pragmatischen Skoda Octavia Combi ist die kräftige RS-Ausstattung geradezu erstaunlich beliebt. Warum ist das eigentlich so? 14 Tage mit dem 230-PS-Benziner sollten das klären

Wer sich mit den modischen Hochsitzen nicht anfreunden mag, aber Platz braucht und keine Unsummen für einen Neuwagen anlegen will, findet bei den Kombis der Kompaktklasse geradezu ideale Mitspieler. Schon mit Motoren rund um 120 PS gibt es kaum eine automobile Pflicht, für die sie nicht die pragmatische Lösung wären. Der Skoda Octavia zieht aus seinem nüchternen Pragmatismus einen erheblichen Teil seiner Anziehungskraft. Umso erstaunlicher sind die Zulassungszahlen des Octavia RS, den es wahlweise mit einem Diesel (184 PS) und zwei Benzinern gibt, die zwischen 230 und 245 PS leisten. Immerhin rund ein Viertel aller Octavia wird hierzulande als RS verkauft. Wir waren mit dem 230-PS-Kombi 14 Tage unterwegs.

Rot

Unser Testwagen war in Feuerwehr-Rot lackiert, was zum Octavia nach der nicht maßgeblichen, aber immerhin einheitlichen Meinung aller in der Redaktion ganz ausgezeichnet passt. Schade eigentlich, dass man den Octavia so selten in diesem Farbton sieht. Der RS hat sich eine kräftige Farbe verdient, denn Skoda versucht ansonsten doch nur zaghaft, die Nähe zu den schwächeren Modellen abzustreifen. An einigen Stellen durchaus mit Erfolg: Die im RS serienmäßigen Sportsitze bieten viel mehr Seitenhalt als die Seriensessel, kosten allerdings für die Style-Ausstattung auch kein Königreich als Aufpreis. Das Lenkrad ist unten abgeflacht, was einst als Einstiegshilfe in engen Rennkisten hilfreich war. In den Octavia kommt man allerdings auch mit rundem Lenkrad sehr bequem. In einem Punkt überzeugt der RS wie die schwächeren Modelle nach wie vor: Auf seinen 4,66 Metern Länge bringt er ein Platzangebot unter, was eklatant größer ist als beispielsweise im etwas längeren Audi A4 Avant. Auch ein Ford Focus [1] Turnier ist spürbar enger.

Laut

Etwas zu gut hat es Skoda mit der Fahrprofilauswahl gemeint, zu der auch ein Soundgenerator gehört. Wird das Profil Sport gewählt, dröhnt der Motor durch die künstlich hochgehaltene Drehzahl mit dem Soundgenerator derart um die Wette, dass man schon nach ein paar Kilometern nicht mehr so recht weiß, wer von beiden mehr nervt. Der Vierzylinder hat nun mal keine Stimme, der man über längere Zeit gern lauschen würde. Und der Soundgenerator kann diese auch nicht herbeizaubern. Was bleibt ist der Wechsel in ein anderes Programm, von denen sich eines nach eigenem Gusto zusammenstellen lässt.

Hart

Was mit dem dicken RS-Sportanstrich dem Octavia etwas verloren geht, ist die Ausgewogenheit der schwächeren Modelle. Sie nehmen sich bei geruhsamer Fahrt zurück und bleiben in jeder Hinsicht im Hintergrund. Als RS ist der Octavia lauter und härter, ohne deshalb zum Sportsmann zu werden. Kollege Christian Lorenz schrieb ihm ins Fahrtenbuch: "Die ganze RS-Sauce macht ihn in meinen Augen auch nicht wirklich sportlich, nur ungehobelter." Die Federung des optionalen DCC-Fahrwerks bleibt stets auf der straffen Seite, was bleibt, ist die Wahl zwischen straff und straffer. Ein Auto, welches sich mit Wonne in Kurven wirft, wird so aus dem Octavia allerdings nicht. Er bleibt ein braver Untersteuerer, der seinen Grenzbereich früh ankündigt. Das ist nicht immer freudvoll, aber sicher. Um Missverständnissen vorzubeugen: Der RS ist keine Spaßbremse, was auch an der guten Traktion liegt. Angesichts der Leistung, mit der die Vorderräder fertig werden müssen, ist die geradezu erstaunlich gut. Mit etwas Gefühl bringt man auch aus dem Stand viel Leistung auf die Straße – zumindest, so lange diese trocken ist.

Der Antrieb ist aus dem Golf GTI hinlänglich bekannt. Mit dem Facelift stieg die Leistung der beiden Benziner im Octavia RS geringfügig an: Statt 220 bietet die RS-Basis nun 230 PS, die stärkere statt 230 nun 245 PS. Unser Testwagen hatte den Zweiliter-Benziner mit 230 PS in Verbindung mit einem Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe eingebaut. Im RS wird aktuell noch ein DSG mit nassen Kupplungen verwendet. In der Vergangenheit war es gegenüber dem Siebengang-DSG mit trockenen Kupplungen zuverlässiger, wenn auch teurer im Unterhalt. Denn anders als dort wird beim Sechsgang-DSG mit nassen Kupplungen alle 60.000 km ein Ölwechsel fällig, der nicht ganz billig ist. Unabhängig davon werde ich mit dem intern DQ250 genannten Getriebe nicht mehr warm: Die Schaltstrategie erscheint nicht immer plausibel, die Gangwechsel sind mit unter spürbar. Beides kann das Siebengang-DSG besser.

Kräftig

Der Motor selbst tritt schon ab 1500/min kräftig an und zieht bis knapp über 5000/min relativ linear durch. Erst oberhalb dieser Marke lässt der Elan etwas nach. Da der Sportmodus das Drehzahlband ausreizt, ist es manchmal schlauer, selbst einzugreifen. Andererseits ist das angesichts dessen, was an Potenzial vorhanden ist, nur sehr selten nötig. Selbst oberhalb von 190 km/h legt der Octavia RS noch behände zu. Wer das ausschöpft, landet leicht oberhalb von 13 Litern, insgesamt waren es bei uns 8,5 Liter. Minimal ergab eine Nachtankung 6,4 Liter, wobei die dafür nötige Gangart dem RS nicht unbedingt liegt. Komfortabel gleiten ist, wen wunderts, keine Stärke der Sport-Version.

Alternative

Auch deshalb ist die Beliebtheit der RS-Version erstaunlich. Ein Octavia mit dem 1.8-TSI-Benziner hat 100 Nm und 50 PS weniger zu bieten, was sich gewaltig anhört. Im Standardsprint liegen zwischen beiden aber nur eine halbe Sekunde, in der Höchstgeschwindigkeit sind es 229 statt 245 km/h. Beim Verbrauch liegt laut Spritmonitor rund ein Liter zwischen dem TSI mit 180 PS [2] und dem RS mit 230 PS [3]. Dazu kommen zwei Aspekte, die nicht zu unterschätzen sind: Der RS ist stark nachgefragt, was einerseits lange Lieferzeiten und andererseits eine schlechte Verhandlungsposition bedeutet. Uns erscheint der 180-PS-Benziner eine interessante Alternative zum RS - zumal der Listenpreis und Unterhaltskosten auch günstiger sind.

Skoda baut lobenswerterweise Anzeigen für die Temperatur von Öl und Kühlwasser ein. Die für die Wassertemperatur dient aber eher der Beruhigung statt einer wirklichen Information. Sie suggeriert nach ein paar Kilometern eine konstante Wassertemperatur von 90 Grad, während die Öltemperatur schon mal um 15 Grad schwankt. Wer soll das glauben?

Der Testwagen war mit dem großen Navigationssystem Columbus ausgestattet, das verschiedene Routen in akzeptablem Tempo findet. Vor der Umstellung auf die aktuelle Generation gab es zwei Drehregler, nun wird alles über berührungsempfindliche Flächen bedient. Volkswagen hat für diese Entscheidung viel Kritik einstecken müssen. Im Test habe ich die Lautstärke bald nur doch am Lenkrad verstellt. Etwas nervig ist aber, dass der Kartenzoom nun nicht mehr ganz so schnell gelingt. Für meinen Geschmack hätte der Bildschirm auch etwas höher eingebaut sein können. All das löste ein Kodiaq mit dem kleinen Navi besser: Dort ist das Display höher eingebaut und zwei Drehregler erleichtern die Bedienung. Ein Nachteil ist die dort nicht ganz so fixe Routenberechnung. Gut gefallen hat uns das Soundsystem von Canton: Es gibt sicher bessere Systeme, aber das Preis-Klang-Verhältnis ist sehr fair. Ein Kollege war nicht ganz so zufrieden, wobei sein Wohnzimmer in dieser Hinsicht seit kurzem auf einem Niveau ist, auf das ich noch spare.

Verbessert hat Skoda offenbar den Spurhalteassistenten. Der nervte in früheren Testwagen schon mal mit dem akustischen Hinweis, die Hände ans Lenkrad zu nehmen, obwohl diese das Steuerrad festhielten - eine Macke, die auch im Kodiaq quälte. Letztlich führt das dazu, den vermeintlichen Helfer recht bald zu deaktivieren. Im aktuellen Octavia RS kam dieser Hinweis dagegen erst, wenn die Hände wirklich nicht mehr am Lenkrad waren.

Etwas irritierend ist der Abstandstempomat, den Skoda in zwei verschiedenen Ausführungen anbietet. Die Ausführung, die bis 160 km/h funktioniert, ist relativ preiswert, die im Testwagen verbaute Lösung bis 210 km/h ist mehr als doppelt so teuer. Der Abstandstempomat kann den Wagen bis auf Null runterbremsen, fährt danach aber wieder an. Wer da nicht ganz bei der Sache ist, fährt vollautomatisch in den Vordermann. Auch das macht der Kodiaq besser. Dort funktioniert auch die Verkehrszeichenerkennung ungleich besser. Im Octavia hatten einige Fahrer den Eindruck, die Erkennung greift ausschließlich auf Daten zurück, die im Navigationssystem hinterlegt sind. Dem ist aber nicht so [4].

Extras

Der Testwagen kam mit allerlei Schnick-schnack auf etwas mehr als 40.000 Euro. Viele Extras sind bei Skoda günstig, was sicher dazu führt, dass die meisten Octavia recht gut ausgestattet sind. Den ein oder anderen Aufpreis würden wir dennoch nicht ausgeben: darunter fällt das große Navigationssystem und die elektrische Heckklappe. Letztere trifft einfach zu selten das aktuelle Wunschtempo, wofür Skoda nichts kann. Wer Stoffsitze von Hand verstellen kann, spart sich 1110 Euro für die elektrische Verstellung und Alcantara-Bezüge. Für dieses Geld gibt es alternativ beispielsweise das große Glasdach, das adaptive Fahrwerk oder auch die Standheizung.

Wer den Octavia RS mit dem von uns als Alternative ins Spiel gebrachten 180-PS-TSI vergleicht, muss bei der Preisdifferenz berücksichtigen, dass im RS 18-Zoll-Felgen und LED-Scheinwerfer serienmäßig sind, im TSI-Style dafür eine höherwertige Musikanlage. Es gibt noch weitere Unterschiede, aber dies sind die finanziell größten Brocken. In der 2018er-Preisliste ist der 1.8 TSI Style Combi mit DSG ab 29.890 Euro aufgeführt, der RS Combi mit DSG ab 33.390 Euro. Ausstattungsbereinigt sinkt die Differenz auf etwa 2000 Euro, was fair erscheint.

Die Überführungskosten hat der Hersteller übernommen, jene für Kraftstoff der Autor.


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https://www.heise.de/-3878107

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Ford-Focus-Mk3-im-Gebrauchtwagen-Check-3610753.html
[2] https://www.spritmonitor.de/de/uebersicht/45-Skoda/399-Octavia.html?fueltype=2&constyear_s=2014&constyear_e=2017&power_s=177&power_e=182&powerunit=2
[3] https://www.spritmonitor.de/de/uebersicht/45-Skoda/399-Octavia.html?fueltype=2&constyear_s=2014&constyear_e=2017&power_s=228&power_e=232&powerunit=2
[4] http://www.skoda-auto.de/modelle/octavia-neu/octavianeu/komfort_assistenz