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Schwermetall

Opel Astra J im Gebrauchtwagen-Check

Ratgeber Martin Franz
Gebrauchtwagen Opel Astra J

Der vierte Opel Astra ist als Gebrauchtwagen insgesamt eine recht solide Wahl, die zudem auch noch vergleichsweise preiswert ist. Eine größere Baustelle und ein paar Kleinigkeiten sollten aber vor dem Kauf genauer angesehen werden

(Bild: Opel)

Der vierte Opel Astra ist als Gebrauchtwagen insgesamt eine recht solide Wahl, die zudem auch noch vergleichsweise preiswert ist. Eine größere Baustelle und ein paar Kleinigkeiten sollten aber vor dem Kauf genauer angesehen werden

München, 10. August 2016 – Leicht war nie die Sache des vierten Astra. Er wurde schwerer als die meisten Konkurrenten seiner Zeit. Die Bedienung sollte besonders einfach sein. Statt eines komplizierten Bediensystems bauten die Entwickler zahlreiche Tasten ein, was ihnen Kritik von Menschen einbrachte, die den Astra nur kurz bewegten. Doch leicht macht es der Astra immerhin jenen, die auf der Suche nach typischen Schwächen sind. Diese sind nämlich rar und bis auf eine auch nicht allzu gravierend.

Der Astra J wurde als fünftüriges Schrägheck 2009 vorgestellt, der Kombi, erstmals nicht als Caravan, sondern als Sports Tourer bezeichnet, folgte im November 2010. Sie machen einen Großteil der Angebote aus, GTC und erst recht das Stufenheck, das erst mit dem Facelift eingeführt wurde, spielen nur eine geringe Rolle auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Die kleine Modellüberarbeitung im Jahr 2012 sollte kaum einen Ausschlag geben – wesentliche Dinge blieben unverändert.

Seit seiner Vorstellung begleitete den Astra die Kritik am hohen Gewicht hartnäckig. In dieser Gebrauchtwagenberatung soll sie eine Randerscheinung bleiben, doch wer sich für einen der drei Saug-Benziner interessiert, dem empfehlen auch wir an dieser Stelle eine ausführliche Probefahrt – insbesondere dann, wenn es der Kombi werden soll. Die beiden Einstiegsbenziner sind 1,4-Liter-Vierzylinder mit 130 Nm und 87 bzw. 100 PS. Sie wurden nur bis November 2013 gebaut, ab da übernahm der von Anfang an angebotene 1,6-Liter-Vierzylinder mit 115 PS und 155 Nm die Rolle des Basismotors. Alle drei sind an keiner Stelle herausragend, Antritt, Laufkultur und Verbrauch sind guter Durchschnitt – nicht mehr, nicht weniger. Dennoch haben sie einen großen Vorteil: In der Version mit Schaltgetriebe bekommen sie das intern F17 genannte Getriebe an die Seite geschraubt. Es wird seit vielen Jahren in diversen Opel-Modellen eingebaut und gilt im Astra J als zuverlässig.

Getriebegeräusche beachten

Damit unterscheidet es sich grundlegend vom M32 genannten Schaltgetriebe, das bei den kräftigeren Motoren eingebaut wird. Bei einer Probefahrt sollte unbedingt auf ungewöhnliche Geräusche aus dem Getriebe geachtet werden. Heulgeräusche im fünften und sechsten Gang sind ebenso ein schlechtes Zeichen wie Bewegungen des Schalthebel bei Lastwechseln. Die Ursache für die zahlreichen Schäden sind zu groß gewählte Toleranzen in den Getriebelagern. Inzwischen gibt es Fachwerkstätten, die das Lagerspiel einstellen können. Werden die Lager einfach nur getauscht, ohne das Spiel einzustellen, ist ein erneuter Schaden sehr wahrscheinlich. Umgedreht gilt das freilich auch: Wird das Getriebe fachgerecht instandgesetzt, ist ein erneuter Schaden eher unwahrscheinlich.

Das Problem ist, dass das M32 im Prinzip in alle Motoren eingebaut wird, die wir für den Astra empfehlen. Dazu zählen besonders die beiden 1,4-Liter-Turbobenziner. Sie leisten 120 oder 140 PS und verleihen dem Astra bei Bedarf jenen nachdrücklichen Schwung, der den schwächeren Benzinern fehlt. Bis auf gelegentliche Probleme mit dem Abgasrückführventil gelten sie als absolut unauffällig und unterscheiden sich damit erheblich von den ersten TSI-Motoren von Volkswagen. Der Astra wird mit keiner dieser Maschine ein Sprintkönig, bietet aber ausreichende Reserven. Das sahen auch die meisten Neuwagenkäufer so, denn beide sind recht häufig anzutreffen. Bei Spritmonitor liegt der Verbrauch der meisten Fahrer zwischen sieben und acht Litern.

Nicht minder zuverlässig sind die 1,6-Liter-Turbobenziner. Anfangs leistet er 180 PS, ab November 2012 dann 170 PS. 2013 kam noch eine Version mit 200 PS hinzu. Sie sind deutlich durstiger als die 1,4-Liter-Turbomotoren, bieten aber natürlich auch nochmals bessere Fahrleistungen. Auch hier gilt: Die Opel-Motoren sind vielleicht nicht ganz so laufruhig wie die vergleichbaren Maschinen von Volkswagen, aber sehr viel zuverlässiger. Allerdings sind auch diese Motoren mit dem M32-Getriebe verbunden.

Diesel mit Loch

Etwas unübersichtlich ist die Lage bei den Dieselmotoren. Zwischen 2009 und 2013 wurde ein 1,3-Liter-Diesel mit 95 PS angeboten, der jedoch nur wenig Anklang fand. Populärer waren die 1,7-Liter-Motoren, die es mit 110, 125 und 130 PS gab. Sie eint ihr großes Turboloch und eine raue Tonart. Probleme macht auch hier gelegentlich das Abgasrückführventil – damit haben allerdings viele moderne Diesel so ihre Probleme.

2014 wurde der 1,7-Liter-Diesel Schritt für Schritt aus dem Programm genommen und durch einen 1,6-Liter-Diesel ersetzt. Ihn gab es mit 110 und 136 PS. Wer das Geld in diese Maschine investiert, bekommt einen sparsamen, deutlich leiseren Diesel, dessen Turboloch kaum noch spürbar ist. Markante Schwachpunkte gibt es bis jetzt noch nicht.

Relativ häufig ist auch der 2.0 CDTI mit 160 (2009 bis 2011) bzw. 165 PS (ab Juni 2011) anzutreffen. Auch er klingt rau, bietet aber einen insgesamt harmonischeren Drehmomentverlauf als die kleineren 1,7-Liter-Diesel. Vereinzelt kam es bei ihm zu klemmenden Injektoren. Ein Softwareupdate soll dieses Problem abstellen. Selten im Angebot ist der 2,0-Liter-BiTurbo mit 195 PS.

Ein weiteres Softwareupdate stellt die übermäßige Entladung der Batterien ab, was anfangs alle Motorversionen betroffen hat. Unabhängig vom Motor gilt die Abgasanlage als rostanfällig. Auch wenn Ersatz nicht sonderlich teuer ist, lohnt es sich durchaus, vor dem Kauf einen Blick darauf zu werfen. Bei der Hauptuntersuchung fällt der vier Astra zudem mit zwei markanten Schwachstellen auf: Häufig werden Federung und Dämpfung bemängelt. Im Bereich Undichtigkeiten an Motor und Getriebe liegt die Quote über dem Durchschnitt. Dieser Punkt ist keineswegs zu unterschätzen, denn für den Tausch des Kurbelwellensimmerings auf der kraftabgebenden Seite muss natürlich das Getriebe raus.

Wer sich für einen Astra J der ersten Baujahre interessiert, muss noch ein paar kleine Baustellen beachten. Durch einen fehlerhaften Sensor im Kühlmittelbehälter gibt es oft falschen Alarm beim Kühlmittelstand. Opel bietet dafür ebenso eine überarbeitete Version an wie für die zum Klappern neigende Bremse hinten. Die elektrische Feststellbremse rostet schneller fest als bei anderen Autos – häufiges Betätigen beugt dem vor. Nachgebessert hat Opel auch bei den Wasserpumpen – in den ersten Baujahren gab es vereinzelt Pfeifgeräusche. Nur in den ersten Baujahren gab es auch Probleme mit beschlagenen Scheinwerfern.

Rückrufaktionen

Insgesamt gab es vier Rückrufe für den Astra J. Bei den 2010 und 2011 gebauten Modellen kann die Rückholfeder des Kupplungspedals brechen. Im Modelljahr 2011 können in Astra-Versionen, in denen der Beifahrersitz keine Höhenverstellung hat, die Befestigungsschrauben der Sitzführungsschienen brechen. Sind die Schrauben getauscht, ist ein blauer Lackpunkt auf der Beifahrersitzschiene. Bei den Modelljahren 2010, 2011 und 2012 kann eine gelöste Batterieabdeckung den Kühlerlüfter blockieren. Im Gegensatz zum Vorgänger hat der Astra J allerdings eine Anzeige für die Temperatur des Kühlmittels. Im Astra H gab es nur eine Warnlampe.

Der jüngste Rückruf betrifft alle Baujahre und Modelle, die mit Schaltgetriebe und Berganfahrhilfe ausgestattet sind. Durch eine fehlerhafte Software wird fälschlicherweise suggeriert, dass die Handbremse angezogen ist. Ein Update zur Beseitigung soll rund eine halbe Stunde dauern.

Damit sind die modellspezifischen Schwächen des Astra J genannt. Rost ist nur selten ein Thema. Wer ganz sicher gehen will, überprüft vor dem Kauf zwei Punkte: Die Kabelführungen in die vorderen Türen und die Kontaktflächen zwischen Dachreling und Dach beim Sports Tourer. Im englischen Werk hat es zwar anfangs durchaus Schwankungen in der Verarbeitung gegeben. Doch im Großen und Ganzen hat Opel gut vorgesorgt. Rost ist eigentlich nur dann zu finden, wenn bei einer Reparatur eines Unfallschadens geschlampt wurde. Eine Nachbehandlung mit Unterbodenwachs ist trotzdem nie verkehrt: Ist nicht schwer, kostet nicht viel, dauert nicht lang und rentiert sich langfristig auf jeden Fall. Das gilt nicht nur für den Astra, sondern für alle Autos, denn im Verborgenen sparen die Hersteller alle.

Wie bei jedem Gebrauchtwagen raten wir, auf Farbunterschiede und gleichmäßige Spaltmaße zwischen den Karosserieteilen zu achten. Hier erkennen auch Laien eine miese Unfallbeseitigung. Ein Blick auf die Reifen (Gleichmäßig abgefahren? Wie alt?) sollte ebenso zu einem Check gehören wie das Durchspielen von Dingen wie Tempomat und Klimaanlage. Der Astra gilt in diesen Dingen als unauffällig, doch vor der Unterzeichnung eines Kaufvertrags diskutiert es sich einfacher darüber, ob Mängel abgestellt werden, als danach.

Fazit

Opel hat mit dem Astra J ein insgesamt recht solides Auto abgeliefert. Ja, er ist schwerer als die Konkurrenz und trotz üppiger Abmessungen innen nicht geräumiger. Man kann seine Verkleidungen im Innenraum weniger fein finden als in Volkswagen-Modellen. Doch qualitativ kann man diesem Astra nur wenig vorwerfen. Wirklich achten sollten Interessenten der Turbomotoren auf Getriebegeräusche. Ist es dort ruhig und alle Rückrufaktionen erledigt, kommt eine weiterer Pluspunkt zum tragen. Der Astra ist nicht nur gut, sondern gebraucht auch preiswerter als sein Gegenspieler aus Wolfsburg. Dem eilt der Ruf voraus, ein solides Auto zu sein – was sich in den vergangenen Jahren keineswegs immer bestätigt hat. Qualitativ ist der Astra keineswegs zweite Wahl.


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