Test: Peugeot 508 BlueHDi 130

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Peugeot hat in der Mittelklasse eine ebenso lange wie phasenweise auch sehr erfolgreiche Vergangenheit. Modelle wie der legendäre 504, den es in zahlreichen Versionen gab, sind unvergessen. In einigen Regionen der Welt lief der Wagen noch lange im Alltag mit. Vermutlich erinnern sich nur noch wenige Menschen hierzulande an den 505, der mehr als 1,3 Millionen Mal gebaut wurde und trotzdem stets im Schatten seines Vorgängers 504 blieb. Mir werden die Reisen in der dritten Reihe eines 505 Familiale unvergesslich bleiben.

Der aktuelle Ahne hat mit seinem Vorfahren natürlich überhaupt nichts mehr gemein, auch im übertragenen Sinne nicht. Der 505 war das Ende einer Ära, sowohl beim Design wie mit seinem Hinterradantrieb auch technisch. Der neue 508 bemüht sich dagegen in vielen Bereichen eine klare Abgrenzung zum direkten Vorgänger, was ihm in mindestens einer Hinsicht auch gelingt. Heraus kommt dabei ein im Detail durchaus spannendes Auto, wie ein Test des 508 BlueHDi 130 EAT8 zeigt.

Funktionsarmer Schein

Der Neue ist schärfer gezeichnet als sein eleganter Vorgänger. Er wirkt wie ein Stufenheck, ist jedoch keines, die große und ziemlich schwere Klappe enthält einen Blechabsatz. Der Testwagen betonte seine Modernität schon beim Öffnen mit einem Blinken der Standlichter. Nicht ganz so übertrieben wie der DS7, aber mindestens ebenso auffällig. Wir hätten dieses Geld im Bereich Licht anderweitig investiert.

Die LED-Scheinwerfer, in der Allure-Ausstattung immerhin 1200 Euro teuer, haben eine variable Leuchtweitenregulierung. Werden andere Autos erkannt, stellt sich der Lichtkegel so niedrig ein, dass er andere Verkehrsteilnehmer nicht blendet. Das klappt mit einer geradezu erstaunlich hohen Trefferquote. Ein eigentlich gutes System also, doch leider sind andere in dieser Klasse schon zwei Schritte weiter. Sie lassen das Fernlicht an und setzen die anderen Verkehrsteilnehmer in den Schatten. Egal welchen der Konkurrenten wie VW Arteon (Test), Volvo V60, Mercedes C-Klasse (Test) oder BMW 3er (Test) man zu einem Vergleich heranzieht: das Peugeot-Licht kann nicht mithalten.

Wärmemelder

Wie zum Ausgleich dafür gibt es einen Assistenten, den andere schon seit geraumer Zeit anbieten – allerdings nicht in dieser Klasse. Die Rede ist von einer Infrarotkamera, die Wärmequellen wie Tiere „sehen“ kann, die sich außerhalb der Reichweite des Lichtkegels befinden. Das könnte, so es ähnlich gut funktioniert, wie ich es von BMW kenne, auf nächtlichen Landstraßen ein riesiges Sicherheitsplus sein. Gern hätten wir das genauer unter die Lupe genommen, doch der Testwagen war auch in dieser Hinsicht ungewöhnlich mager ausgestattet.

Der Begriff „mager“ verdient eine nähere Betrachtung. Presseautos sind in der Regel mit nahezu allem ausgestattet, was die Preisliste hergibt. Unser 508 hatte weder einen Abstandstempomaten, noch schlüssellosen Zugang, induktive Ladestation, Digitalradio oder Soundsystem, was außergewöhnlich ist. Denn selbstverständlich ist all das lieferbar. Man kann das freilich auch entspannt sehen: Dass man vor dem Öffnen der Tür einen Knopf drücken muss, finde ich nicht tragisch. Der UKW-Empfang ist besser als in einer Mercedes E-Klasse (Test), die wir vor längerer Zeit hier hatten.

Das serienmäßige Soundsystem mag keine High-End-Ansprüche befriedigen, klingt aber passabel und nicht schlechter als so manche Falschspieler, die gegen Aufpreis angeboten werden. Es wäre allerdings ein charmanter Zug, wenn Peugeot dem dankenswerterweise vorhandenen Drehregler für die Lautstärke eine Beleuchtung spendieren würde. Der normale Tempomat versteckt sich etwas, wenn man seine Bedienung aber einmal verstanden hat, vermisst man den Blickkontakt nicht mehr.

Hitzewellen

Viel besser als in grauer Vorzeit ist auch die Verarbeitung geworden. Schon der 508-Kombi, den wir 2016 hier hatten, war alles in allem ordentlich zusammengebaut. Für den Neuen gilt das auch, wobei sich durchaus Schwächen finden lassen. So blieb eine der beiden Abdeckungen des Fachs unter der Mittelarmlehne auf halber Strecke hängen, weil eine Verkleidung der Mittelkonsole nicht sauber eingepasst war. In der Sitzfläche des Fahrers war eine Feder zu spüren. Die Sitzheizung schickt ihre Wärmestrahlung nicht kontinuierlich, sondern von Zeit zu Zeit. Zeitweise bekam die Phrase "eine Kohle nachlegen" im 508 wieder nah an ihre ursprüngliche Bedeutung, so kräftig heizte er ein.

Nachlässigkeiten, die einer frühen Produktion geschuldet sind? Möglich, doch der 508 ist kein billiges Auto. In der Preisliste vom Mai 2018 steht der 131-PS-Diesel mit Automatik und der empfehlenswerten Allure-Ausstattung mit 36.650 Euro. Der 163-PS-Diesel kostet nochmals 1800 Euro mehr. Mit Extras wie den genannten sind 40.000 Euro geschwind überschritten.

Harmonie zwischen Motor und Getriebe

Wer sparen will, könnte auf die Idee kommen, das Automatikgetriebe wegzulassen – immerhin kostet es 2300 Euro. Ich würde dort nicht ansetzen, denn dieses von Aisin zugelieferte Achtgang-Getriebe harmoniert mit dem kleinen Selbstzünder. Anschlüsse und Schaltzeitpunkte sind geschickt programmiert. Anders als im kürzlich gefahrenen Mazda 6 kam hier kein Fahrer auf die Idee, manuell irgendwie nachhelfen zu müssen. Die Grenzen zeigen sich erst, wenn man den 508 massiv scheucht. Im Sportprogramm verschiebt die Elektronik den Schaltpunkt mitunter in Drehzahlbereiche, in denen die Maschine schon wieder zäh wird.

Auch der kleine 1,5-Liter-Motor passt gut zum Franzosen. Er liefert ansprechende Fahrleistungen. Zwar vermag er dabei keine neuen Glanzpunkte zu setzen, doch mit dem gebotenen Temperament lässt sich gut auskommen. Erst beim Versuch, auf der Autobahn in eine Spur zu wechseln, auf der andere Autos wesentlich schneller fahren, zeigen sich die Grenzen. Doch irgendeine Berechtigung müssen die stärkeren Motoren ja auch haben. Für den normalen Gebrauch ist der 508 BlueHDi 130 jedenfalls flink genug, meine ich.

Dabei wird er erst dann laut, wenn er gefordert wird. Peugeot hat einen Soundgenerator für nötig erachtet, was man je nach Betrachtung für etwas optimistisch oder auch größenwahnsinnig halten darf. Auch dieser Motor produziert eine Klangkulisse, der wohl kaum jemand dauerhaft andächtig lauscht. An diesem Umstand ändert auch eine Klangverschiebung via Generator nichts. Zur akustischen Hintergrundberieselung gehörten auch leise, aber wahrnehmbare Windgeräusche. Sie werden durch zwei Umstände in den Vordergrund gerückt. Zum einen verjüngt sich das Dach nach oben sehr stark, sodass die Ohren näher als üblich an seiner Kante sind. Zum anderen hat der 508 rahmenlose Scheiben, die nach dem Schließen der Tür in die Dichtung pressen – eine alte BMW-Idee aus den 1990er-Jahren.

Stutzen verlegt

Den Verbrauch im WLTP gibt Peugeot mit 3,7 Litern an. Minimal waren es bei uns 4,6, maximal knapp 7. Mit rund 5,5 Litern dürfte man fast immer gut hinkommen. Bei der Abgasnachbehandlung setzt Peugeot auf einen SCR-Kat. Der Adblue-Tank blieb mit 17 Litern so groß wie beim Vorgänger. Anders als im 308 und im alten 508 ist der Stutzen zum Nachfüllen nun hinter der Tankklappe und nicht mehr im Kofferraum.

Straff

Ein gutes Gespür hatten die Franzosen bei der Abstimmung des Fahrwerks. Unser Testwagen hatte kein adaptives Fahrwerk, doch die grundsätzliche, leicht straffe Ausrichtung passt gut zum 508. Schön wäre ein feineres Ansprechen auf kleine Verwerfungen. Peugeot könnte den Komfort sofort verbessern, indem es die Progression von Federung und Dämpfungswirkung verstärken würde. Das unterbleibt wahrscheinlich aufgrund von Kostenüberlegungen.

Die Lenkung könnte für meinen Geschmack um die Mittellage etwas weniger direkt ansprechen, doch ganz so hektisch, wie ich das Steuer im Peugeot 3008 (Test) in Erinnerung habe, ist sie im 508 nicht. Gut so. Mit dem kleinen Lenkrad muss dann allerdings auch die Unterstützung kräftiger ausgelegt sein. Das könnte der Grund für das künstliche Lenkgefühl und die schwache Rückmeldung sein.

Auf die wohl größte Umgewöhnung müssen sich die bisherigen 508-Fahrer bei der Bedienung gefasst machen. Peugeot hat hier nicht einen, sondern gefühlt gleich drei Schritte in Richtung Zukunft versucht. Man muss bereit sein, sich damit etwas zu beschäftigen, andernfalls wird man bestimmte Funktionen und Optionen nur durch Zufall entdecken. Zunächst das Positive: Es gibt unzählige Möglichkeiten, sich das Kombiinstrument nach seinen Wünschen zu gestalten. Das dabei der Wechsel auf Lenkrad, Lenksäulenhebel-Spitze und den Bildschirm in der Mitte verteilt wurde, mag sogar eine gewisse Berechtigung haben, doch so ganz einfach zu durchschauen ist es zumindest anfangs nicht.

Wegweiser inklusive

Der Touchscreen reagiert gut, die Tasten darunter erlauben einen prompten Zugriff auf die Menüs. Die Sprachsteuerung, die sich im Peugeot 5008 unfreiwillig als zwischenmenschlicher Kommunikator zeigte, funktionierte hier etwas besser. Auch der Umstand, dass ich das Datenvolumen meines Handy-Tarifs für Verkehrsmeldungen in Echtzeit anzapfen kann, gefällt mir sehr gut. Allein für diese Möglichkeit kassieren andere Hersteller beachtliche Beträge. Das gilt auch für das Navigationssystem insgesamt, was sich Peugeot von TomTom zuliefern lässt und im 508 Allure keinen Cent extra kostet.

Doch der Segen der zahlreichen Möglichkeiten ist auch Fluch, wenn man als Neuling bestimmte Funktionen sucht. Sei es das Abstellen von der Navidurchsage oder der Punkt „letzte Ziele“ – sich ohne Vorkenntnisse zurechtzufinden, ist mitunter eine Qual. Scheint die Sonne direkt auf das Kombiinstrument, ist es nur schwer ablesbar. An anderer Stelle sind dem Designer mitunter die Pferde durchgegangen. So gibt es einen Kreis für die „Motortemperatur“. Doch diese Anzeige ist, sieht man einmal vom roten Bereich ab, ohne jegliche Angaben zum Sollwert oder zur absoluten Temperatur eine kopflose Design-Spielerei mit der Aussagekraft eines Wollpullovers zum Wohlbefinden des geschorenen Schafes. Zumal es gleich nebenan eine dauerhaft eingeblendete Anzeige für die Temperatur des Kühlwassers gibt.

Haken-Murks

Vielleicht gewöhnt man sich irgendwann daran, die Klimaanlage über Tasten auf dem Bildschirm zu bedienen. Mich nervt es, dass ich für etwas in ein Extra-Menü muss, was noch vor wenigen Jahren mit einem Handgriff blind zu erledigen war. Interessant auch die Idee, die USB-Anschlüsse hinter die Mittelkonsole zu verlagern. Bei den Verrenkungen, die nötig sind, um dort einen Stick zu versenken, kommt man dem Beifahrer unvermeidlich nahe – oder bittet diesen gleich, das zu übernehmen. Es war vermutlich der gleiche Gestalter, der die vorderen ISOfix-Haken entwickelt hat. Sie liegen straff auf dem unteren Polster, dass der Bezug bei jeder Kindersitzmontage arg strapaziert wird, Ich bin mir ziemlich sicher, dass er oder sie keine Kinder hat. Und auch keine will, denn anders ist ein solcher Murks nicht zu erklären.