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Diskreter shutteln

Unterwegs im Mercedes Concept EQV

Fahrberichte mit Material von pressinform/Grundhoff
Mercedes Concept EQ V

Mercedes legt seine beliebte Großraumlimousine V-Klasse im kommenden Jahr als Elektroversion auf. Wir sind mit dem elektrischen EQV, der als seriennahe Studie Anfang März erstmals auf dem Genfer Automobilsalon gezeigt wurde, schon einmal eine Tour gefahren

Mercedes legt seine Großraumlimousine V-Klasse im kommenden Jahr als Elektroversion auf. Wir sind mit dem elektrischen EQV, der als seriennahe Studie Anfang März erstmals auf dem Genfer Automobilsalon [1] gezeigt wurde, schon einmal eine Tour gefahren.

Ab kommendem Frühjahr soll die V-Klasse mit mehr Komfort, neuen Fahrerassistenzsystemen und – als EQV – auch batteriegetrieben angeboten werden. Damit kommt der Van noch vor den kompakten E-Autos Mercedes EQA [2] und EQB sowie dem mit Verzögerung im Sommer erscheinenden EQC [3] heraus.

Daimler macht damit einen größeren Schnitt als geplant, ursprünglich sollte die V-Klasse nicht nur mit Diesel- und Ottomotoren (außerhalb Europas), sondern auch als Plug-in-Hybrid [4] auf den Markt kommen. Doch der mittlerweile ausgeschiedene Nutzfahrzeug-Chef Volker Mornhinweg strich wegen zu erwartender Kundenüberschneidungen den Plug-In-Hybriden und setzte als Alternative zu den Verbrennern allein auf eine Elektrovariante. Nach den beiden Modellen eVito [5] und eSprinter wird der EQV bei Mercedes die batterie-elektrische Brücke zwischen Nutz- und Personenfahrzeug auf eindeutig nobler Ebene bilden. Beim Daimler heißt das „Premium-Großraumlimousine“.

Gründe für und gegen eine Allradversion

Im Gegensatz zur konventionellen V-Klasse, wie wahlweise über Hinterrad- oder Allradantrieb verfügt, wird die Elektrovariante aufgrund ihrer eigenen technischen Basis nur als Fronttriebler angeboten. Angesichts eines Allradanteils von mittlerweile rund 40 Prozent und der relativ einfachen Möglichkeit, die bereits vorhandene Hinterachse (ohne Kardanwelle!) zu elektrifizieren, könnte man auf eine später erscheinende elektrische Allradvariante spekulieren. Dagegen spricht allerdings klar das bereits jetzt schon grenzwertige Fahrzeuggewicht. Daimler kommentiert solche Überlegungen natürlich nicht – ebensowenig übrigens wie die Überlegung, das Bediensystem MBUX [6] könnte nach seiner Einführung im EQ V endlich auch auf die restlichen V-Klasse-Modelle ausgerollt werden. Zeit wär‘s.

In erster Linie sei der EQV als Alltagsmobil für Shuttledienste gedacht, sagt Daimler. Für alle, die auf die Kombination aus großem Volumen und und guten Fahrleistungen nicht verzichten wollen, bietet Mercedes in der V-Klasse mit der Anfang des Jahres vorgestellten Modellpflege [7] den V 300d mit 239 PS. Er soll jene Kunden zufriedenstellen, welche die ehemaligen V6-Motorisierungen vermissten und lange Strecken mit hohen Tempi und akzeptablem Verbrauch zurücklegen wollen.

Knapp drei Tonnen werden ansatzlos dynamisch

Der EQ V ist mit seinen angegebenen 400 km Reichweite und maximalen 160 km/h zwar kein Langstreckenspezialist, bietet mit 150 kW und einem maximalen Drehmoment von 500 Nm dafür aber ansatzlos dynamischen Vortrieb. Anders als man es von den aktuell verfügbaren Dieselmotoren mit zwei Litern Hubraum kennt, schiebt der Elektromotor den knapp drei Tonnen schweren Van aus dem Stand so lautlos wie kraftvoll an.

Was dem Mercedes EQV bereits als seriennahe Konzeptstudie gut zu Gesicht steht, ist der flüsterleise Elektroantrieb, denn der gerade unter Last immer noch recht knurrige Vierzylinderdiesel in der frisch überarbeiteten V-Klasse bot seinen Insassen eine immer präsente Geräuschkulisse und dem Fahrer spürbare Vibration im Volant. Der EQV zieht aus jedem Tempo so kraftvoll und engagiert an, dass man meint, die V-Klasse (Test) [8] hätte auf einen Elektroantrieb nur gewartet.

Stärker gedämpfte Lenkung

Dass die Lenkung nicht an die Präzision der Modelle mit Verbrennungsantrieb heranreicht, erklärt sich wohl durch ihre stärkere Dämpfung, die nötig sein dürfte, wenn so hohe Raddrehmomente über die gelenkten Räder wirken. Ein weiteres Argument für den angedachten Allradantrieb, im Übrigen. Zudem ist der EQV einfach schwerer, was man ebenfalls im Volant spüren kann. Wenn mal eine Kurve etwas enger wird als gedacht, macht sich angenehm der niedrige Schwerpunkt bemerkbar, denn das 100-kWh-Akkupaket liegt flach unter dem Fahrzeugboden.

Optisch unterscheidet sich die Elektroversion der V-Klasse insbesondere durch eine dem EQC ähnliche Frontgestaltung. Der EQV bietet bereits das sehr gute Bediensystem MBUX, das man bei der Modellpflege der Standardvarianten so schmerzlich vermisst. Hier lassen sich auch Ladestand oder Energieverbrauch ablesen und die Ladefunktion programmieren.

Potenzieller Schwachpunkt: die Zuladung

Das Platzangebot bleibt trotz des Akkupakets unangetastet, doch muss man wegen seines üppigen Gewichts von mehr als 300 Kilogramm bei der Beladung auf das Gesamtgewicht achten – die 3,5-Tonnen-Marke liegt mit dem Elektroantrieb in greifbarer Nähe. Ohne das exakte Leergewicht zu kennen, kann man bereits sagen, dass es schon beim reinen Personentransport eng werden kann: Acht besetzte Plätze mit Standardpersonen à 75 kg macht 600 kg. Das schöpft die zu erwartende Zuladung bereits weitgehend aus – als Gepäck darf man sich dann Handtäschchen auf den Schößchen vorstellen.

Eine Auflastung wäre technisch bestimmt kein größeres Problem, doch wäre eine Überschreitung der 3,5-Tonnen-Grenze wohl eher unbeliebt bei Personenbeförderungsunternehmen: Sie würde den Kreis potenzieller Fahrer für die ohnehin schon unter Fahrer-Knappheit leidenden Branche weiter einschränken.

Leises Business-Shuttle

Der Innenraum des EQV ist etwas schicker als man es bisher kannte. Die Sitze lassen sich ebenso frei konfigurieren wie bei den bereits bekannten Modellen mit Wärmekraftantrieb. Klimatisierte Einzelsitze, variable Sitzbank oder vollelektrische Liegesessel machen die elektrische V-Klasse zu einem Business-Shuttle auf Rädern. Dazu ist sie besonders leise, eine Wohltat für Passagiere und wohl noch dankbarer angenommen von den Chauffeuren.

Davon dürften künftig sicher einige profitieren, denn für die üblichen Shuttledienste sollten die 400 Kilometer Reichweite ebenso ausreichen wie das Spitzentempo. Der Preis der elektrischen V-Klasse bleibt bis auf Weiteres Spekulation – unter 70.000 Euro dürfte jedoch kaum etwas gehen.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Ausblick-auf-den-Genfer-Automobilsalon-2019-4321932.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Studie-Mercedes-Concept-EQA-3827551.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Vorstellung-Mercedes-EQC-400-4154688.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Klartext-Doppelt-oder-nichts-4347696.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Daimler-elektrifiziert-die-Mercedes-Benz-Transporter-3894173.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Infotainment-im-Test-Mercedes-MBUX-3984731.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Vorstellung-Mercedes-V-Klasse-2019-4295556.html
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Mercedes-V250d-im-Test-Der-Raum-Traum-3199356.html