Kleine Haie

Größe ist bei Banken nicht mehr alles. Aggressive Gründer mit viel Kapital im Rücken zeigen ihnen, wohin bei der Digitalisierung die Reise geht.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Angela Froitzheim
  • Ulf J. Froitzheim

Größe ist bei Banken nicht mehr alles. Aggressive Gründer mit viel Kapital im Rücken zeigen ihnen, wohin bei der Digitalisierung die Reise geht.

Der Name war kurz, bündig, prägnant: „ClickandBuy“. So simpel, dachte sich der IT-Unternehmer Norbert Stangl, müsse der Bezahlvorgang im Online-Shop sein, nicht so umständlich und riskant wie die Banküberweisung mittels PIN und einer Liste mit 50 TANs im Schreibtischfach. Doch was vor 15 Jahren die innovative Idee eines Quereinsteigers war, ist bald Geschichte. Im Mai schaltet die Telekom, seit 2010 glücklose Eignerin der ClickandBuy International, den Kassierdienst ab. Der Hamburger Otto-Konzern hatte mit seinem Luxemburger Ableger Yapital weniger Geduld. Nach vier Jahren nahm er Europas „erstes bargeldloses Cross-Channel-Payment“-System kürzlich vom Netz. An Tausenden von Kassen in Rewe-Supermärkten hätten die Kunden damit testen können, ob das Bezahlen per QR-Code auf dem Smartphone etwas für sie ist. Nur machte das fast niemand.

Wenn es dumm läuft, floppt als Nächstes paydirekt. Im Gegensatz zu ClickandBuy und Yapital stammt dieses neue digitale Bezahlverfahren von den traditionellen Profis in Sachen Geldverkehr: Volksbanken, Privatbanken und Sparkassen haben sich zusammengerauft, um ein bequemes und sicheres Standardsystem zu schaffen, bei dem Kunden direkt im Onlineshop die Abbuchung des Rechnungsbetrags freigeben können. Erstens gibt es aber etwas Ähnliches längst: PayPal und Sofortüberweisung. Zweitens kauft heute jeder zweite Online-Kunde auf Rechnung oder per Lastschrift, braucht also nichts Neues. Drittens steht paydirekt für einen weiteren deutschen Alleingang. Dieser begann, viertens, zur Unzeit: Als die ersten Banken im Herbst ihre Kunden noch sehr vage über die Pläne informierten, segnete das Europäische Parlament eine Richtlinie ab, die den in der EU tätigen Zahlungsdienste-Anbietern schon 2017 einen neuen gesetzlichen Rahmen setzen und manches Geschäftsmodell infrage stellen wird. Unter anderem wollen die Brüsseler Verbraucherpolitiker Transaktionsgebühren deckeln oder abschaffen.

Dass die Revolution an der echten oder virtuellen Ladenkasse – wenn sie denn kommt – nicht gerade von Deutschland ausgehen wird, ist kein Wunder. Einerseits hängen die Menschen nirgendwo mehr an Scheinen und Münzen als hier. Andererseits ist die viel geschmähte IBAN-Überweisung im einheitlichen europäischen Zahlungsraum (SEPA) besser als ihr Ruf – jedenfalls verglichen mit den papierenen Scheckheften, die US-Amerikaner noch heute oft zücken müssen, um Rechnungen zu begleichen.

In der internationalen Finanzwirtschaft gilt „Payment“ als eines der spannendsten Themen. Fortschritte beim bargeldlosen Bezahlen beflügeln die Fantasie von Digitalisierungsstrategen in Bankmetropolen wie New York und London ebenso wie im Silicon Valley. „Früher ging es darum, an den Bezahltransaktionen Geld zu verdienen“, erklärt Key Pousttchi, Professor für Wirtschaftsinformatik und Digitalisierung an der Uni Potsdam. „Heute ist das Bezahlen nicht mehr der Zweck, sondern Mittel zum Zweck, Daten zu sammeln.“ Wo früher Banken und Kreditkartenunternehmen unter sich blieben, mischen heute Händlerkonsortien und IT-Konzerne wie Apple, Google oder Samsung mit, vor allem aber eine kaum überschaubare Schar von hoch motivierten Neulingen, die an einer Zukunft ohne Portemonnaies, Bargeld und Plastikkarten basteln (siehe Seite 74).

Die Fokus-Artikel im Einzelnen:

Seite 66  -  Trend:         Machen Start-ups den klassischen Banken endlich Beine?

Seite 70  -  Anlageberatung:     Unabhängige Hilfe vom Computer

Seite 72 -   Mobilfunk:         Geldgeschäfte per Handy freuen auch Kriminelle

Seite 74  -  Bezahlsysteme:     Smartphone statt Bargeld – immer noch mehr Schein als Sein

Seite 76 -   Geldtransfer:         Neue Anbieter drücken den Preis für internationale Überweisungen

Seite 78 -   Finanzierung:         Mit Daten aus dem Web beurteilen Firmen die Kreditwürdigkeit

Seite 80  -  Crowd-Kredite:        Eine lukrative, aber äußerst riskante Idee

Seite 82 -   Essay:        Kein Denkmalschutz für Banken! (grh)