Opium fürs Volk

Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens gewinnt im Silicon Valley und in Europa an Zustimmung.

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Von
  • David H. Freedman

Die Büros von Y Combinator in San Francisco liegen in Rufweite einiger der reichsten Start-ups des Landes. Etliche von ihnen hat der Tech-Inkubator mitfinanziert. Matt Krisiloff ist bei Y Combinator eigentlich für das Ausbrüten junger Firmen zuständig. Doch jetzt ist er dabei, einen zweistelligen Millionenbetrag in ein Vorhaben zu stecken, das garantiert niemals einen Cent abwerfen wird. Seine Firma will Tausende von Dollar an US-Bürger verteilen – ohne Gegenleistung, ohne Bedingungen. Zunächst soll es ein vorgeschaltetes Pilotprojekt im kalifornischen Oakland geben, später einen weiteren Versuch in einer noch nicht genannten US-Gemeinde.

„Dieses Projekt könnte das zukünftige Zusammenspiel zwischen Menschen, der Gesellschaft und der Technologiebranche entscheidend verändern“, sagt Krisiloff. Solche Experimente sind bekannt unter dem Begriff „bedingungsloses“ oder „universelles“ Grundeinkommen. Im Kern geht es darum, die Armut zu lindern, ohne sich dabei in einer Unzahl bürokratischer Sicherheitsnetze zu verstricken. Das Geld soll aber auch Menschen zukommen, die nicht direkt arm sind – aber auch nicht wohlhabend. So bekämen sie Zugang zu höherer Bildung, einen Ausweg aus unwürdigen Jobs und eine größere Chance, in die Zukunft ihrer Kinder zu investieren. Sie hätten Zeit für künstlerische oder andere nicht unmittelbar lukrative Aktivitäten. „Dieses Geld ließe den Menschen die Wahl, sich nicht auf notorisch schlecht bezahlte Jobs einzulassen“, sagt Natalie Foster, Forscherin am Institute for the Future. „Niemand müsste wegen eines fehlenden Sicherheitspolsters zum Workaholic werden.“ Löhne, wirtschaftliche Gerechtigkeit und Zufriedenheit würden sich nach dieser Sicht verbessern.

Am dichtesten stand die Schweiz vor einem nationalen Grundeinkommen: Im Juni stimmten die Eidgenossen über den Vorschlag ab, jedem Einwohner monatlich 2500 Franken (ca. 2300 Euro) zu zahlen. Der Vorschlag zog allerdings Kritik zahlreicher Konservativer auf sich, weil er zusätzlich zur bestehenden Sozialsicherung gedacht war. Er fiel durch – nur 23 Prozent der Teilnehmer waren dafür.

Tot ist das Thema jedoch beileibe nicht. Finnland plant bereits ein zweijähriges Experiment, bis zu 10000 Einwohner mit etwa 550 bis 800 Euro pro Monat auszustatten. In vier niederländischen Städten beginnen demnächst ähnliche Vorhaben. Auch die kanadische Provinz Ontario bereitet einen Versuch vor und zieht eine nationale Ausweitung in Betracht. Frankreichs Parlament diskutiert das Thema, der Finanzminister hat es wohlwollend kommentiert. (grh)