99 Luftballons

Schon zwanzig Jahre ist es her, dass Twix noch Raider hieß, der Bic Mäc in einer Styroporverpackung serviert wurde und Colaflaschen aus Glas und mit einem Metallverschluss versehen waren.

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Von
  • Diane Sieger

Das World Wide Web erlaubt nicht nur Reisen rund um den Globus, sondern auch zurück in die Zeit. Beispielsweise in die 80er-Jahre, eine Ära, in der man sich mit Trimming 130 fit hielt und infolge des Kernreaktorunfalls in Tschernobyl jahrelang aufs Pilzesammeln verzichtete. Im Web tummeln sich viele, die dieses Jahrzehnt als Kinder, Teenager oder junge Erwachsene erlebten und tapfer die Erinnerung an Brauner-Bär-Eis und Knibbelbilder aufrecht halten.

Eine gute Ausgangsbasis, um im Internet in die Geschichte einzutauchen, bildet ...best of 80s. Zu jedem Monat der Jahre 1980 bis 1989 gibt es hier eine Chronik, die eine Rückschau auf wichtige politische, gesellschaftliche und sportliche Ereignisse hält. Hier erinnert man sich beispielsweise daran, dass Marianne Bachmeier 1981 den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter im Gerichtssaal erschoss, bei einem Vulkanausbruch in Kolumbien 1985 mehr als 23 000 Menschen ihr Leben verloren und im Jahre 1988 zum ersten Mal das deutsche Team den Tennis-Davis-Cup gewann. Viele interessante, spannende, aber auch traurige Nachrichten befinden sich in der Chronik - ein Blick lohnt sich.

Aber dieser Server hat noch mehr zu bieten. Das Stichwort „Medien“ führt zu zahllosen Bildern aus den Bereichen Musik, Computer, Technik, Moped und Sonstiges. Manch einem wird es sicherlich warm ums Herz, wenn er mal wieder einen Blick auf einen alten Atari oder ein grünes Telefon mit Wählscheibe werfen darf.

Musikfreunde kommen hier ebenfalls auf ihre Kosten. Wer will, kann sich sämtliche Chart-Platzierungen eines Musikers oder eines Songs anzeigen lassen. Schon gewusst, dass es Limahl mit seiner Neverending Story nie auf Platz eins der deutschen Charts geschafft hat? Allerdings hat er zehn Wochen in den Top Ten verbracht; das ist nicht wesentlich weniger als Nena, die sich mit ihren 99 Luftballons 13 Wochen dort oben tummelte.

Beim Stichwort Musik darf natürlich die Kultsendung Formel Eins nicht fehlen. Neben Informationen zu den Moderatoren Peter Illmann, Ingolf Lück, Stefanie Tücking und Kai Böcking finden sich die Markenzeichen der Sendung - ein pinkfarbener Studebaker und ein Zeichentrickhund namens Teasy - auf der nett gestalteten Formel-Eins-Seite. Das deutsche Fernsehen bietet ein umfassendes Forum für alle Fragen und Antworten rund um die erste Videoclip-Sendung. Und wer es auf eine fast komplette Playlist-Sammlung aller Videoclips, die bei Formel Eins gelaufen sind, abgesehen hat - "dort werden Sie geholfen".

Wer erinnert sich noch daran, dass Paul Breitner mal eine Rolle in einem Western namens „Potato Fritz“ spielte? Oder dass Otto Waalkes dem Schimpansen aus Ronny’s Pop Show seine Stimme lieh? Und wer jetzt noch weiß, dass der brutale Soldat, der Didi in „Didi und die Rache der Enterbten“ um die Ecke bringen wollte, Kongo-Otto hieß, der ist bei einem Quiz rund um die 80er bestens aufgehoben. Dort kann man über 5000 Fragen über das spannende Jahrzehnt beantworten und sich auch selbst Fragen ausdenken und diese online stellen. Mutige können ihre eigene Leistung mit den Erfolgen der Konkurrenten in der Highscore-Liste vergleichen.

Für iX-Leser sicherlich besonders interssant: Die 80er-Jahre sind das Jahrzehnt der Heimcomputer. Während 1980 die Deutsche Bundespost erste Feldversuche zur Einführung von BTX durchführte, gab es bereits Ende des Jahrzehnts den ersten 486er-Prozessor von Intel für jedermann. Alles, was sonst noch zwischen 1980 und 1989 auf dem Computermarkt passierte, lässt sich übersichtlich in einer Chronik dieses Zeitraums nachlesen.

Ein technisches Highlight in dieser Zeit war der Walkman. Als Vorgänger von tragbarem CD- und mp3-Player war er das erste portable Audiogerät, das viele auf ihrem Weg in die Schule, die Uni oder zur Arbeit begleitete - zunächst mit Kopfhörern, bei denen man noch einen Bügel über die Kopf legen musste, der die beiden Lautsprecher miteinander verband. Da blieben manch eitle Menschen der Musik zum Mitnehmen gegenüber noch kritisch eingestellt. Spätestens jedoch, als die Lautsprecher im Ohr verschwinden konnten, nahm der Siegeszug des mobilen Abspielgeräts seinen Lauf. Der Bayrische Rundfunk widmete dem Walkman im letzten Jahr einen inzwischen nachlesbaren Radiobeitrag. Die Ablichtungen unzähliger Cassettengeräte finden sich in einer Fotogalerie versammelt. Die Hintergründe sind zwar sehr irritierend und alles andere als schön, aber um aus Nostalgiegründen noch mal einen Blick auf ein Gerät zu werfen, das man damals selbst besessen hat, lohnt sich ein Blick auf diese Seite allemal (vorausgesetzt man surft nicht mit Mozilla 1.3.1, der den Quellcode nur bedingt verkraftet).

Als Tipp für alle Fernsehsüchtigen, die sich nach den Serien der Kindertage zurücksehnen, bietet sich eine Retrospektive an. Zwar sind dort auch viele Ausstrahlungen der 70er-Jahre beschrieben, aber es lohnt sich besonders unter der Betrachtung der 80er-Jahre dort vorbeizusurfen. Eine der kultigsten Kinderserien war Doktor Snuggles, der mit seiner Wer-Wo-Was-Maschine und seinen Freunden, der Maus Knabber, dem Dachs Dennis und seiner Haushälterin Fräulein Reinlich, genau dreizehn Zeichentrick-Abenteuer bestand. Wer möchte da nicht nochmal Kind sein?

Unvergessen - alle Jahre wieder im Dezember - sind die Weihnachts-Sechsteiler im ZDF. Nicht Apfel, Nuss und Mandelkern konnten die Kinder mit rotgefrorenen Nasen von draußen ins Haus locken, sondern einzig und allein die Glotze. Nesthäkchen, Silas, Patrick Pacard und Oliver Maass hießen die Helden der Weihnachtszeit. Auf der TV Wunschliste kann man sich zu jedem ZDF-Weihnachtssechsteiler (und auch zu fast jeder anderen Serie, die das deutsche Fernsehen je ausgestrahlt hat) eine Zusammenfassung anschauen und bei Bedarf an einer Abstimmung teilnehmen, welche Serien wiederholt werden sollen. Es gibt zwar keine Garantie für eine erneute Ausstrahlung, aber immerhin werden die Ergebnisse regelmäßig den Programmdirektoren aller Fernsehsender zur Verfügung gestellt.

Zum Schluss ein Exkurs in die Spielewelt. Natürlich hatte in den 80ern jeder einen Zauberwürfel. Dabei gab es drei Typen von Würflern: a) den Freak, der in der Lage war, jeden Würfel innerhalb von Sekunden zu bezwingen, b) den Bastler, der ihn einfach in seine Einzelteile zerlegte und korrekt wieder zusammen steckte und c) den Verzweifelten, dem es nie gelang, die Flächen auch nur annähernd in die richtige Lage zu bringen. Für Menschen der Kategorien b) und c) gibt es heutzutage eine Online-Hilfe. Mit dieser wunderbaren Anleitung lässt sich jeder Würfel wieder in Ordnung bringen. Wer weiß, vielleicht wird ja der eine oder andere hier ein altes Trauma los. (ka)