Alchemie in Aktion: Forscher feiern metallurgischen Wasserstoff-Durchbruch

Wissenschaftler in Japan verschmelzen alle acht Edelmetalle zu einer Legierung. Das Ergebnis: ein hocheffizienter Katalysator für die Elektrolyse.

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(Bild: peterschreiber.media / Shutterstock.com)

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Von
  • Martin Kölling
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Früher jagten Alchemisten dem Traum nach, billigere Metalle zu Gold zu verwandeln. Nun ist ihren Nachfahren an der japanischen Universität Kyoto und der Shinshu Universität ein metallurgischer Durchbruch einer anderen Art gelungen, der sich für die Menschheit als besonders wertvoll erweisen könnte: Das Team um Professor Hiroshi Kitagawa hat erstmals alle acht Edelmetalle, also Gold (Au), Silber (Ag), Platin (Pt), Palladium (Pd), Rhodium (Rh), Iridium (Ir), Ruthenium (Ru) und Osmium (Os) zu einer Legierung verbunden.

Die produzierte Legierung ist bisher winzig, bewegt sich nur im Nanometerbereich. Aber die modernen Alchemisten sehen bereits eine große Power, "die andere Legierungen nicht haben", schätzt Kitagawa. So soll das Nanowunder beispielsweise bei der Wasserstoffelektrolyse zehnmal aktiver wirken als die handelsüblichen Platin-Katalysatoren.

Der Erfolg der japanischen Forscher ist ein wichtiger Beitrag einer noch recht jungen Entwicklung von Hoch-Entropie-Legierungen, die große Sprünge bei den Materialeigenschaften versprechen. Im Unterschied zu "normalen" Legierungen, die zwei Grundmaterialien vereinen, verbinden Hoch-Entropie-Legierungen je nach Definition mindestens vier oder fünf Stoffe zu einer neuen Struktur.

Die Grundlagen für den Durchbruch dieser neuen Kategorie legte im Jahr 2004 Jien-Wei Yeh, ein Professor an der taiwanischen National Tsing Hua University. Seither mischen Forscher weltweit Atome, um beispielsweise neue Hochtemperaturwerkstoffe für Gasturbinen und Triebwerkskomponenten zu entwickeln. "Aber es gibt noch viele Unbekannte in dieser neuen Gruppe von Materialien", erklärt das Team um Kitagawa, das seine Ergebnisse im Journal der Amerikanischen chemischen Gesellschaft ACS veröffentlicht hat.

Im Jahr 2020 gelang es den japanischen Forschern als erstem Team weltweit, hoch-entropische Legierungen der Platingruppe im Nanometerbereich zu synthetisieren. Diese wiesen schon eine doppelt so hohe Aktivität bei der elektrochemischen Ethanoloxidation und der Wasserstoffelektrolyse als bisher übliche Katalysatoren auf. Die Erfahrungen nutzten sie nun, um die schwer mischbaren Edelmetalle zu einem Super-Katalysator zu verbinden.

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Die Forscher vergleichen dies mit dem Versuch, Wasser, Öl, Joghurt und Tee zu einem festen Ganzen zu mixen. Gold zum Beispiel ist weich und ein eher schlechter Katalysator, Silber ist ein guter Elektronenträger, Iridium ist hart und schwer verformbar. Und Osmium hat einen extrem hohen Schmelzpunkt von über 3.000 Grad Celsius. Dazu kommt, dass Gold und Silber eigentlich reaktionsträge sind, während die anderen sechs Elemente bei einer Vielzahl von Reaktionen besonders katalytisch aktiv wirken.

Um das Problem zu lösen, stellten die Forscher eine Flüssigkeit her, die acht Arten von Edelmetallionen auflösen kann. Diese fügten sie dann allmählich zu einem organischen Lösungsmittel bei 230 Grad Celsius hinzu. Dieser Reduktionsstoff lieferte die Elektronen, damit sich die Metalle zu einem neuen Nanopartikel verbinden können.

Die hohe Reaktionsfreude ihres Katalysators überraschte die Forscher offenbar selbst. "Interessanterweise wurde dieses Mal trotz der Zugabe von Gold, Silber und Osmium, die für sich genommen inert für die Wasserstoffentwicklungsreaktion sind, eine mehr als vierfach höhere Aktivität festgestellt", schreiben sie einem japanischen Artikel. Sie nehmen an, dass die aktiven Elemente dank der Verbindung mit den inaktivieren noch aktiver werden.

Für die Zukunft sehen die Forscher nun die Möglichkeit, durch ihre Mischtechnik deutlich leistungsfähigere Edelmetall-Katalysatoren – oder wie sie sagen "Traum-Katalysatoren" – herzustellen, die Reaktionen ermöglichen, die bisher nicht möglich waren, oder die Stoffe erzeugen, die zumindest extrem haltbar und robust sind. Eine Herausforderung ist allerdings, dass die hoch-entropischen Legierungen mit ihrer großen Anzahl von Bestandteilen es erschweren, alle möglichen Zusammensetzungen durch Experimente zu erfassen. Doch um sie im Rechner zu simulieren, ist laut den Forschern weitere theoretische Vorarbeit notwendig.

Die nächste Herausforderung ist die (Massen-)Produktion. Immerhin arbeiten die Forscher bereits mit dem Materialhersteller Furuya Metal daran, ihren Durchbruch im Labor in ein Produkt zu übersetzen. Das Tokioter Unternehmen ist ein Spezialist für die Verarbeitung von Metallen der Platinum-Gruppe und damit tief eingebunden in die globalen Versorgungsketten in verschiedenen Schlüsselindustrien.

(bsc)