Asymmetrische Wärmeleiter könnten Computer-Kühlsysteme revolutionieren

Das neue Material als Nanokohlenstoffröhrchen leitet entlang ihrer Achsen um drei Größenordnungen mehr Wärme als quer durch sie hindurch.

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Asymmetrische Wärmeleiter könnten Computer-Kühlsysteme revolutionieren

Verschiedene Varianten der Nanoröhrchen.

(Bild: Forscher)

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Wärme ist für Elektrotechniker ein Ärgernis. Sie verringert die Zuverlässigkeit elektronischer Geräte und führt sogar zu vollständigen Ausfällen. Aus diesem Grund werden Computerkomponenten reichlich mit Wärmeleitpaste beschmiert und mit Wärmerohren, Lüftern und sogar Wasserkühlungssystemen verbunden. Ziel ist es, die Wärme von sensiblen Bauteilen abzuleiten und an die Umwelt abzugeben.

Je kleiner die Geräte allerdings werden, desto größer wird diese Herausforderung. Moderne Transistoren werden beispielsweise in Nanometern gemessen. Die kostengünstigsten Leiter sind Metalle wie Kupfer, die jedoch von der Wärme in alle Richtungen gleichermaßen gut durchströmt werden. Das heißt, Wärme kann sich auf jedes andere Bauteil ausbreiten, das ebenfalls in thermischem Kontakt mit dem Metall steht.

Ein effektiverer Leiter würde die Wärme in eine Richtung leiten, nicht aber rechtwinklig dazu. In diesem Fall würde sich Wärme êntlang eines solchen Materials ausbreiten, aber nicht hindurch. Solche asymmetrische Leitermaterialien würden das Leben der Thermoingenieure erheblich erleichtern. Allerdings war ihre Herstellung bislang kompliziert.

Shingi Yamaguchi von der Universität Tokio und Kollegen ist es nun gelungen, aus sorgfältig ausgerichteten Kohlenstoff-Nanoröhren ein Material herzustellen, das Wärme tatsächlich auf diese Weise leitet. Die neue Substanz hat das Potenzial, die Art und Weise zu revolutionieren, wie Thermotechniker Kühlsysteme für Computer und andere Geräte entwerfen und bauen.

Materialwissenschaftler wussten bereits, dass Kohlenstoff-Nanoröhrchen außergewöhnliche Leiter sind. Bislang war es allerdings schwierig, aus ihnen Materialien in großen Mengen herzustellen. In der Regel lassen sie die Röhrchen sich auf einem Kunststoffsubstrat ablagern und bilden eine Schicht. Die Nanoröhrchen neigen jedoch dazu, sich schlecht oder zufällig auszurichten, was ihre Leitfähigkeit verringert.

In ihrem neu entwickelten Material haben Yamaguchi und Co. die Kohlenstoff-Nanoröhrchen sehr präzise ausgerichtet. Möglich machte die sogenannte kontrollierte Vakuumfiltration. Bereits 2012 entdeckten Physiker, dass schwebende Kohlenstoff-Nanoröhrchen unter bestimmten Umständen eine selbstorganisierte Struktur bilden können, in der sie sich alle wie in einem Kristall ausrichten.

Die japanischen Forscher mischten nun die Nanoröhrchen zunächst in eine Flüssigkeit mit einem Tensid, das die Oberflächenspannung verringert. Liegt die Konzentration der Nanoröhrchen unter einem kritischen Niveau, beginnen sie sich auf der Oberfläche der Flüssigkeit selbst zu organisieren und richten sich dichtgepackt präzise parallel und hintereinander aus.

Wird dann die Flüssigkeit vorsichtig durch einen Filter in einem Vakuum abgesaugt, bleibt nur eine dünne Schicht mit Nanoröhrchen zurück, die außergewöhnliche Eigenschaften zeigen. Das neue Material leitet Wärme 500-mal besser in eine Richtung als in die andere. Das ist die größte Asymmetrie, die jemals für diese Arten von Materialien beobachtet wurde. Entlang der Achse der Nanoröhrchen beträgt die Wärmeleitfähigkeit 43 W / (m*K). Senkrecht dazu liegt die Leitfähigkeit bei gerade einmal 0,085 W / (m*K), ist also drei Größenordnungen kleiner, was ungefähr dem Wert von Glasfaser entspricht. Die Wärmeleitfähigkeit gibt den Wärmestrom an, der bei einem Temperaturunterschied von einem Kelvin (K) durch eine ein m² große und ein Meter dicke Schicht eines Stoffs geht.

Der Grund für die Diskrepanz ist einfach: Wenn die Nanoröhren von Ende zu Ende in thermischem Kontakt stehen, kann die Wärme leicht von einem zum anderen gelangen. Die Röhren haben jedoch seitlich keinen guten Wärmekontakt zueinander, da die Kontaktfläche hier sehr klein ist.

Yamaguchi und Co. weisen allerdings auch auf die Grenzen ihres neuen Materials hin. So entspricht seine höchste Wärmeleitfähigkeit mit 43 W / (m*K) nur ungefähr dem von Lot auf Zinn-Blei-Basis. Die Forscher glauben jedoch zu wissen, warum es im Vergleich zu einzelnen Kohlenstoff-Nanoröhren so niedrig ist. Obwohl die Nanoröhrchen von Ende zu Ende in thermischem Kontakt sind, ist dieser Kontakt nicht perfekt. Jeder Sprung, den die Wärme von einer Nanoröhre zur nächsten machen muss, verringert die Wärmeleitfähigkeit.

Und je kürzer die Röhren sind – Yamaguchi und Co verwenden bisher nur 200 Nanometer lange Nanoröhrchen – desto mehr Sprünge sind erforderlich. „Dies legt nahe, dass die [Wärmeleitfähigkeit in Richtung der Ausrichtung der Nanoröhrchen] bei Kohlenstoff-Nanoröhrchen mit längeren Bestandteilen sogar noch größer sein kann“, schreiben sie in einem Artikel auf der frei verfügbaren Online-Plattform ArXiv.

Die Herstellung eines ähnlichen Materials aus längeren Nanoröhrchen ist allerdings nicht einfach. Das selbstorganisierende Verhalten, das die ausgerichteten Filme erzeugt, ist bei längeren Nanoröhren schwieriger. Aber diese Art von materialwissenschaftlicher Herausforderung wird Yamaguchi und Co. und andere sicherlich interessieren.

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