Auge aus Stoff

MIT-Forscher haben eine Faser entwickelt, die einfallendes Licht detektieren kann. Damit lässt sich eine völlig neue Art von Kamera konstruieren.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Kate Greene
  • Niels Boeing

Textilfasern erleben derzeit eine Hightech-Renaissance. Da wird Seide zu einem Sensor, wenn man ihr spezielle Biomoleküle beimischt, und Baumwolle zu einem elektronischen Gewebe, nachdem man sie in eine Lösung mit Kohlenstoffnanoröhren getaucht hat. Auf diese Weise sollen die Fasern als biegsame und leichte Textilelektronik dienen, die etwa Krankheitserreger in der Luft erkennt.

Ein Team um Yoel Fink, Materialswissenschaftler am MIT, hat jetzt mit diesem Ansatz eine neue Art von Kamera entwickelt. Herkömmliche Kameras seien auf starre und vergleichsweise schwere Linsen angewiesen. Aus mit Sensoren versehenen Polymerfasern hingegen ließe sich eine äußerst leichte und zugleich robuste Kamera herstellen, die man sogar falten könne, sagt Fink.

Seine Gruppe hatte bereits gezeigt, wie man Halbleiterstränge so in Polymerfasern einbettet, dass daraus lange, flexible Sensoren für Temperatur oder Licht entstehen. Die können dann in verschiedenen Formen und Größen miteinander verwebt werden.

In ihrer aktuellen Arbeit führen sie dieses Konzept weiter. Ausgangspunkt ist ein Kunststoffzylinder von 25 Millimetern Durchmessern. In den werden acht längliche Sensorelemente aus halbleitendem Glas eingeführt. Wichtig ist dabei, dass sie in einem bestimmten Abstand und Winkel zueinander liegen (siehe Bild). Anschließend wird der Zylinder wie bei der Herstellung von optischen Glasfasern erhitzt und gedehnt, bis eine Faser mit einem Durchmesser von wenigen Hundert Mikrometer entsteht – also etwa ein Hundertstel der ursprünglichen Dicke. Die Lage der Sensorstränge muss dabei allerdings unverändert bleiben.

Entwickelt hat die Faserkamera Finks Postdoc Fabien Sorin. Aus 36 mal 36 solcher Fasern fertigte er ein Gitter an und schloss die Halbleiterstränge an Elektroden an. Fällt Licht auf das Halbleitermaterial, entsteht ein elektrischer Strom. Dessen Stärke hängt von der Intensität, also der Anzahl der einfallenden Elektronen ab, und wird für jede Faser mittels der Elektroden gemessen wird. Allerdings geht aus dem Stromsignal noch nicht hervor, wo entlang der Faser Photonen eingefallen sind. „Deshalb brauchen wir ein Gitter aus Fasern, um einen Belichtungspunkt an der Kreuzung zweier Fasern lokalisieren zu können“, sagt Sorin. Aus den Werten aller Fasern lässt sich dann laut Sorin das Bild eines Gegenstands errechnen, der sich vor dem Kameragewebe befindet. Die Signale im Fasergitter allein lieferten hingegen noch keine Pixel-Informationen, aber daran arbeite man.

Von den acht Sensoren sind vier näher zur Fasermitte hin angeordnet, die anderen vier näher an der Oberfläche (siehe Bild). „Aus der Dicke der ersten Sensorschicht und der Art des Materials lässt sich die Energie eines einfallenden Photons rekonstruieren“, erläutert Sorin. Denn von der Energie, also der Wellenlänge des Photons, hänge ab, wie weit es in das Halbmaterial des äußeren Sensorstrangs eindringen könne. Photonen, die hindurchgehen, werden dann vom inneren Sensor erfasst.

Die Stromstärken, die im äußeren und im inneren Sensor gemessen werden, ermöglichen dann eine Rekonstruktion, welche Wellenlänge oder Farbe ein Photon hatte (Wellenlänge und Energie sind umgekehrt proportional zueinander). Das Polymer selbst ist weitgehend transparent und spielt hierfür keine Rolle.

Die äußeren Sensoren werden außerdem genutzt, um den Einfallswinkel der Photonen zu bestimmen. Denn nicht alle vier registrieren die gleiche Anzahl von Photonen, wenn das Licht aus einer bestimmten Richtung kommt. Aus dieser Information könnte man im Prinzip dreidimensionale Bilder errechnen, sagt Sorin.

Für den Materialwissenschaftler Juan Hinestroza von der Cornell University ist Sorins Arbeit eine clevere Demonstration, was man alles mit Fasern aus mehreren Materialien anstellen kann. „Ich glaube, die Kamera ist nur die erste von vielen Anwendungsmöglichkeiten“, sagt Hinestroza. Und John Rogers, Materialwissen-schaftler an der Universität von Illinois in Urbana-Champaign, sieht in der Faserkamera ein weiteres Beispiel für die wachsende Zahl ungewöhnlicher Abbildungsverfahren, die nicht selten von der Biologie inspiriert sind. Seine Gruppe hat etwa eine kugelförmige Kamera nach dem Vorbild des Auges entwickelt. Allerdings handele es bei der Faserkamera „um eine Technologie, die noch ein Problem braucht, das sie lösen kann“. (nbo)