Große Pläne in China für Batteriewechsel-Stationen für Elektroautos

Ein US-Start-up und Honda wollen die Idee von Wechsel-Akkus für Elektroautos beleben. Eine Entwicklung in China macht Hoffnung auf einen Durchbruch im Westen.

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E-Auto von Nio​

Ein E-Auto des chinesischen Herstellers Nio: Das Unternehmen ist mit 1500 Batteriewechsel-Stationen der Marktführer in China.

(Bild: Nio)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Kölling

Levi Tillemann will in Japan eine schon tot geglaubte Idee wiederbeleben: den Batteriewechsel für Lastwagen. Auf der "Japan Mobility Show" stellte der Vizepräsident des US-Start-ups Ample kürzlich gemeinsam mit der japanischen Daimler-Trucktochter Fuso eine Batteriewechselstation für Lastwagen vor. "Das hat Potenzial", bürstete er die historische Erfahrung gegen den Strich.

Der Batteriewechsel galt schon einmal als vielversprechende Lösung für das Problem geringer Reichweiten und langer Ladezeiten von Elektroautos. Bereits 2009 stellten das israelische Start-up Better Place und Nissan in Yokohama den Prototyp einer Batteriewechselstation vor, die einem Elektroauto in wenigen Minuten zu einer vollen Batterie verhelfen sollte. Doch das Projekt kam nie wirklich über dieses Stadium hinaus. Tesla folgte 2013 mit einem ähnlichen Ergebnis.

Nichtsdestotrotz hat Tillemann ein Argument für seine Hoffnung: China. "Dort gibt es bereits viele Batteriewechselstationen mit zig Millionen Batteriewechseln." Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Mitte dieses Jahres zählte die China Electric Vehicle Charging Infrastructure Promotion Alliance (EVCIPA) mehr als 2200 Stationen. Und die werden offenbar genutzt. Marktführer war der Elektroautohersteller Nio mit mehr als 1500 Stationen, gefolgt von zwei kleineren Anbietern, Aulton und Bolton.

Nio gibt an, dass die Mehrheit seiner Kunden den Service nutzt. Anfang Oktober meldete der Autohersteller, an seinen Stationen bereits 30 Millionen Mal Batterien gewechselt und aufgeladen zu haben. Und wenn es nach der Regierung geht, ist das erst der Anfang.

2021 startete das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie ein Pilotprogramm zum Batteriewechsel, das bis 2025 mehr als 100.000 Autos mit dieser Funktion auf die Straße bringen soll. Langsam ziehen auch andere Hersteller nach. SAIC und Geely bauen bereits Akkustellen. Besonders große Pläne hat der Ölkonzern Sinopec: Bis 2025 will das Unternehmen 24.000 Stationen gebaut haben.

An den Argumenten für und gegen die Technologie hat sich aber auch in China nichts geändert. So versprechen die Anbieter kürzere Wartezeiten und eine längere Lebensdauer der Batterien durch schonenderes Laden. Die Hersteller bieten ihre Stationen auch als Zwischenspeicher im Stromnetz an. Außerdem können die Batterien außerhalb der Spitzenlastzeiten geladen werden.

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Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Der Anbieter Aulton verweist zudem auf den geringeren Platzbedarf im Vergleich zu Ladesäulen. Herkömmliche Stationen benötigen 12 Quadratmeter pro Auto, während eine Aulton-Station der vierten Generation mit 150 Quadratmetern Fläche 3.000 Autos mit vollem Stromspeicher versorgen kann.

Wie groß die Skepsis allerdings ist, zeigen Nios Expansionspläne im Ausland. In Deutschland hat Nio bis Ende des Jahres Ladestationen versprochen. Ob es dazu kommt, ist offen. Der Konzern ist wegen des harten, mit Rabatten geführten Wettbewerbs bei Elektroautos in China in die Verlustzone gerutscht und hat deshalb seine Investitionen im Ausland auf den Prüfstand gestellt. Batterieladestationen, zumindest die heutigen, könnten dabei unter den Opfern sein, da sie hohe Anfangsinvestitionen erfordern. Schlimmer noch: Da die Batterien nicht standardisiert sind, können nur Nio-Kunden an Nio-Stationen umsteigen, selbst wenn die anderen Hersteller auf die Idee kommen sollten. Und die Chancen stehen schlecht.

Der ehemalige Chef von Aston Martin, Andy Palmer, sagte im vergangenen Jahr, andere Hersteller würden sich niemals auf Wechselbatterien einlassen. Selbst in China ist im PKW-Bereich nur Nio voll eingestiegen. Und Palmer muss wissen, was die großen Hersteller stört. Vor seinem Wechsel zum britischen Sportwagenhersteller war er Topmanager bei Nissan. Schon damals waren Batterien ein wichtiger Faktor im Wettbewerb. Eine Standardisierung der Batteriemodule würde bedeuten, dass die Hersteller viele Protokolle und technische Details mit den Wettbewerbern teilen müssten, die sie für geheim halten.

Doch der Amerikaner Tillemann ist überzeugt, dass die Technologie inzwischen so praktikabel und wirtschaftlich ist, dass sie sich über kurz oder lang auch in den USA und Europa durchsetzen wird. Als Einfallstor hat er das Geschäft mit Taxi-Flotten und Lastwagen ausgemacht. Dort lohnen sich kürzere Standzeiten der Fahrzeuge betriebswirtschaftlich mehr als bei Privatautos.

Ample setzt dabei auf kleinere Module, mit denen sich viele Fahrzeugtypen nachrüsten lassen. Dabei kooperiert das Unternehmen in den USA auch mit dem Mobilitätsdienstleister Uber. Auch in China ist die Idee übrigens im gewerblichen Bereich am weitesten verbreitet. Laut Analysten von Guohai Securities wurden 2022 die Hälfte aller verkauften Lkw mit Wechselbatterien ausgeliefert.

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Auch in anderen asiatischen Ländern macht die Idee Schule. In Japan bietet das Start-up Fomm inzwischen an, konventionelle Kleinlaster in Elektro-Lastwagen mit Wechselakkus umzurüsten. Der Auto- und Motorradhersteller Honda stellt auf der japanischen Motorshow sogar ein Auto vor, bei dem die Kunden die vier verbauten Akkus schnell selbst per Hand austauschen können. Bei dem Konzeptfahrzeug CI-MEV handelt es sich um einen leichten Zweisitzer, die Batterien sind Wechselbatterien für Hondas Motorräder. Die verbreiten sich bereits in Asien, wo Motorräder sowohl für den privaten wie den Lastverkehr eine wichtige Rolle spielen.

(jle)