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BlackTea: Crowdfunding-Elektro-Moped aus München

Ingo Gach
BlackTea - der elektrische Moped-Scrambler aus München

Wie eines jener Mokicks, die in den 80ern sehr verbastelt, angemalt und – so weit es das Taschengeld zuließ, Richtung Kleinkraftrad frisiert – vor jeder weiterführenden Schule parkten.

(Bild: BlackTea)

Hedonismus, "Open-Source"-Ansatz und Crowdfunding: Der kräftige elektrische Scrambler aus München will ein betont unbeschwertes Retrobike für alle Tage sein.

Elektro-Motorräder werden gerade überall auf der Welt fleißig von den etablierten Herstellern, vor allem aber auch von kleinen Firmen entwickelt. Die Antriebstechnik ist viel einfacher, was ganz neuen Mitspielern auch ohne erdrückende Investitionen Wege zur Produktion ermöglicht. Es gibt sehr fantasievolle, meist futuristisch angehauchte Modelle. Ein Start-up aus München geht bewusst einen anderen Weg. Es baut ein nostalgisches E-Krad "für Hedonisten".

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Das BlackTea Moped erinnert mit seinen Faltenbälgen an den Gabelholmen, doppelten Federbeinen, klobiger Sitzbank, schmalen Reifen und einer Schwinge aus dünnem Stahlrohr an längst vergangene Dekaden. Einen Tank inklusive schraubbarem Deckel im Stil von Zündapp GTS 50 oder Hercules MK1 bekommt man dazu, mit der Funktion "Coolness-Faktor". Einzig das LED-Tagfahrlicht, das digitale Cockpit und die Wave-Bremsscheibe am Vorderrad wollen nicht so recht zur Youngtimer-Optik passen. Eine Vollverschalung umgibt die Batterie. Der Elektromotor in der Hinterradnabe wirkt erst wie eine Trommelbremse, bei genauerem Hinsehen fällt erst die kleine Scheibenbremse daneben auf. Das kennt man bisher in eher sanfter Form bei Pedelecs und vom Fahrrad-Nachrüster Zehus [3]. Am Prototypen von Buell, der Fuell Flow hingegen soll ein Nabenantrieb mit satten 750 Nm [4] arbeiten.

Hinter BlackTea steht der Münchner Viktor Sommer. Er will die Optik der Mopeds als Retro-Design wiederbeleben. Das Moped entstand in den 1950er Jahren und wurde mittels Pedalen angetreten, die Bauform mit der 50-Kubik-Hubraumgrenze hielt sich bis in die 1980er Jahre hinein. Sommer hat bei seinem E-Moped allerdings auf Pedale und den typischen, tiefen Durchstieg verzichtet. Es sieht mit seinem "Tank" in Motorrad-Konfiguration ganz wie eines jener Mokicks aus, wie sie in den 80ern sehr verbastelt, dilettantisch angemalt und – so weit wie es das Taschengeld zuließ, Richtung Kleinkraftrad frisiert – vor jeder weiterführenden Schule parkten.

Noch während seiner Studienzeit an der Technischen Universität München hat er die BlackTea für zwei Hauptzwecke entwickelt: Zum Einsatz in der Stadt, wo das leichte Elektro-Bike zur abgasfreien Mobilität beitragen soll. Zudem soll es ein Spaßgerät für die Freizeit sein. Deshalb auch die grobstolligen Reifen. Zur Namensgebung kam es wegen Sommers Vorliebe für schwarzen Tee.

Der E-Motor bringt es in seiner Leistung kurzfristig auf 5 kW, im Dauerbetrieb auf 3 kW. Als maximales Drehmoment werden mächtige 180 Nm angegeben. Da die BlackTea laut Hersteller nur 79 Kilogramm wiegt, dürfte sie ein echtes Fun-Gerät für flotte Ampelstarts und ausgelassene Spielereien in der Kiesgrube sein. Ein schaltbares Getriebe gibt es nicht, was den Betrieb auch für Anfänger vereinfacht. Sommer verspricht eine Beschleunigung von 0 auf 50 km/h in 4,2 Sekunden.

Die Höchstgeschwindigkeit ist auf 45 km/h begrenzt, so dass das E-Moped auch mit einem Autoführerschein gefahren werden darf. Aber Sommer möchte zum Serienstart im April 2021 drei Geschwindigkeits-Modi anbieten, damit die BlackTea auf privatem Gelände auch mit bis zu 80 km/h gefahren werden kann. Da das elektrische Moped aber als L1e-B-Fahrzeug homologiert ist wird, dürfte eine elektrische Entdrosselung per Knopfdruck juristisch zumindest fraglich sein.

BlackTea lässt sein Moped in China bauen, da die dortigen Hersteller über viel Erfahrung in Sachen E-Motoren verfügen und hunderttausende Elektro-Roller im Jahr bauen. Die Rahmenrohre bestehen aus Stahl, ebenso wie die 18-Zoll-Drahtspeichenräder. Der Akku hat eine Kapazität von 24,5 Amperestunden und soll eine Reichweite von bis zu 70 Kilometer ermöglichen. Für die Innenstadt also mehr als genug. Wem das trotzdem zu wenig erscheint, hat die Option noch eine zweite Batterie einzubauen oder die Akkus im Wechsel zu nutzen. Das Gewicht des Stromspeichers beträgt zehn Kilogramm, man kann sie mit wenigen Handgriffen herausnehmen und sie in die Wohnung oder ins Büro tragen und sie innerhalb von vier bis fünf Stunden an einer normalen Steckdose aufladen.

Auch wenn die Reifen sehr schmal und die Schwinge recht dünn wirken, hält die BlackTea – laut Hersteller – eine Zuladung von 180 Kilogramm und somit zwei Erwachsene aus. Die Sitzhöhe beträgt nur 705 Millimeter, was für eher klein Gewachsene erfreulich ist, aber bei größeren Menschen zu engen und unbequemen Kniewinkeln führt. Das gilt erst Recht für den Sozius, zumal dessen Fußrasten an der Schwinge montiert sind. Das digitale Cockpit bildet einen harten Kontrast zum Retro-Design, aber für ein Elektro-Motorrad passt es wiederum. Geschwindigkeit und Ladezustand der Batterie werden sicherlich angezeigt, ob es aber im Display noch mehr Infos gibt, verrät BlackTea zurzeit nicht.

BlackTea verkauft sein E-Moped zurzeit online über die Crowdfunding-Website Indiegogo, ein Vertriebsnetz über Händler wird es nicht geben, was die Frage nach Service und Reparatur aufwirft. BlackTea erklärt, dass sie "inspiriert vom Open-Source-Gedanken der IT-Branche", ein Handbuch und eine Videoserie entwickeln und zum Download anbieten werden. Weiter heißt es: "Auf diese Weise kann jeder sein Moped ohne vorhandenes Werkstattnetz reparieren." An dieser optimistischen Vorstellung wird ein Laie schon an einer undichten Gabel scheitern.

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Doch der Käufer könne, so die Empfehlung von BlackTea, sein Moped auch in eine Werkstatt geben, da man keine besonderen Technologie-Standards verwende. Markenwerkstätten werden die Anliegen von BlackTea-Besitzern wohl dankend ablehnen und freie Motorradwerkstätten sind selten geworden. Über Reparaturen im nicht ganz ungefährlichen Hochspannungsbereich orakelt BlackTea von einer geplanten Zusammenarbeit mit einem bekannten Dienstleister. Ein Name wird aber nicht genannt.

Beim Thema Ersatzteile verweist BlackTea darauf, dass sie gängige Teile von Benzinmotorrädern verwenden. Welche Marken das sind, erfährt man auf der Homepage nicht, sie dürften aber aus China stammen. Ganz euphorisch erklärt BlackTea, dass man so sein Moped individuell gestalten könne. Als Zubehör werden Gepäckträger und Topcase in Aussicht gestellt.

Der Knackpunkt bei vielen E-Motorädern ist der Preis. BlackTea verkauft sein E-Moped für 4200 Euro Listenpreis, gewährt jedoch zurzeit noch kräftige Nachlässe für Frühkäufer, die jetzt schon ordern, bevor die BlackTea im April 2021 auf den Markt kommt. Das günstigste Angebot von BlackTea liegt auf Indiegogo aktuell bei 2550 Euro, inklusive Ladegerät und allen Anbauteilen, die man für eine Straßenzulassung braucht, wie Blinker, Rückspiegel und Hupe. Eine zweite Batterie gibt es übrigens für 1100 Euro Listenpreis, was beweist, dass bei Elektromotorrädern der Akku einen Großteil der Kosten ausmacht.

BlackTea ist ein junges Start-up, das mit viel Elan zu Werke geht. Ihr günstiges Elektro-Moped im Retro-Look hat sicherlich Charme und könnte als Urban Vehicle und Fun-Gerät durchaus Kunden finden, wenn die Technik hält. Wichtige Details wie etwa Service und Reparatur wirken noch etwas provisorisch. Wie es aussieht, sollte vorerst wohl auch bei den Kunden ein gewisser Elan vorhanden sein.

(fpi [7])


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