Die Kraft des Lichts

Forscher der Yale University haben eine "optische Kraft" demonstriert, durch die sich Lichtwellenleiter abstoßen oder anziehen.

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Von
  • Anne-Marie Corley
  • Niels Boeing

Die Kraft des Lichts (2 Bilder)

Die Versuchsanordnung

Laserlicht mit einer Wellenlänge von 1550 Nanometern wird links unten in die Anordnung eingespeist und in einem Strahlteiler geteilt. Der obere Teilstrahl legt einen längeren Weg als der untere zurück, weshalb es zu einer Phasenverschiebung kommen kann, wenn beide die parallelen Wellenleiter in der Mitte erreichen (Nahaufnahme im nächsten Bild). (Bild: Mo Li)

In Form von Lichtpulsen lassen sich Daten viel schneller und mit einer höheren Bandbreite übertragen als mittels elektrischen Signalen. Deshalb läuft der wesentliche Teil des Datenverkehrs seit langem über Glasfaserkabel. Bislang gibt es jedoch keine Möglichkeit, Daten zwischen zwei beliebigen Endrechnern im Internet durchgängig als optische Signale zu transportieren. An Knotenpunkten, an denen Datenströme umgeleitet werden, müssen optische Signale immer noch vorübergehend in elektrische umgewandelt werden. Forscher der Yale University haben einen Effekt demonstriert, mit dem man diese Unterbrechung ausschalten könnte: eine präzise kontrollierbare "optische Kraft", die Weichen für Lichtsignale ermöglichen könnte.

Bereits 2005 stellten Wissenschaftler die Hypothese auf, dass Lichtstrahlen in Wellenleitern aus Silizium eine anziehende oder abstoßende Kraft aufeinander ausüben könnten, wenn sie sich nur nahe genug kämen. Sie funktioniert ähnlich wie die elektromagnetische Kraft zwischen Ladungen: Das elektrische Feld des Lichts erzeugt im Silizium vorübergehend Dipole, also scheinbare Ladungen, die aufeinander wirken. Der Gruppe des Yale-Physikers Hong Tang gelang es im vergangenen Jahr erstmals, aus diesem Effekt eine anziehende Kraft zwischen zwei Wellenleitern zu produzieren. Nun hat das Team auch den gegenteiligen Abstoßungseffekt erreicht: Man könne jetzt mit Hilfe der optischen Kraft Wellenleiter sowohl „ziehen“ als auch „wegdrücken“, erklärt Mo Li, der die Arbeit mit Tang und einem Kollegen im Journal Nature Photonics veröffentlicht hat.

Diese optische Kraft ist zwar zu schwach für längere Distanzen. Unterhalb von einem halben Mikrometer Abstand entfaltet sie aber eine spürbare Wirkung. Das öffne die Tür für ganz neue superschnelle optische Bauteile, die nanomechanische Strukturen steuern können, sagt Steven Johnson, Professor für Angewandte Mathematik am MIT. Besonders wichtig sei auch, dass es den Yale-Forschern gelungen sei, zwischen Anziehung und Abstoßung hin und her zu schalten.

Ihre Versuchsanordnung besteht aus zwei Wellenleitern, einer Art Kanälen aus Silizium, durch die sich Lichtstrahlen ausbreiten. Die Wellenleiter sind frei beweglich aufgehängt, so dass sie sich durch die Wirkung der optischen Kraft verbiegen können (siehe Bilderstrecke). Am Anfang der Anordnung wird nun ein Laserpuls – mit einer Wellenlänge von 1550 Nanometern – in einem Strahlteiler in zwei Strahlen aufgesplittet. Während der eine Teilstrahl direkt in den einen Wellenleiter gelangt, wird der andere zunächst umgeleitet, bevor er den zweiten Wellenleiter erreicht. Aufgrund der verschiedenen Weglängen, die beide Teilstrahlen zurückgelegt haben, kann es dann passieren, dass sie zueinander phasenversetzt durch die Wellenleiter rauschen: Ihre elektromagnetischen Felder schwingen nicht mehr im Gleichklang, stattdessen sind Wellenberge und -täler zueinander versetzt.

Ist dies der Fall, stoßen sich beide Wellenleiter ab. Sind sie jedoch phasengleich – weil die Umleitung des zweiten Teilstrahls exakt ein Vielfaches der Wellenlänge beträgt -, ziehen sie sich hingegen an. Indem die Forscher also das Verhältnis der Phasen beider Teilstrahlen verändern, können sie Stärke und Ausrichtung der optischen Kraft regeln. Dazu variieren sie die Wellenlänge des einfallenden Laserlichts, denn die Weglängen in der Versuchsanordnung sind fixiert.

Diesen Effekt könnte man nun für eine Lichtweiche nutzen. Je nach der Stärke, mit der sich die Wellenleiter verbiegen, könnte der Lichtstrahl an ihrem Ende in eine andere Richtung austreten – und dort etwa in eine von mehreren Glasfasern eingekoppelt werden. Im Prinzip sei das nicht anders als bei einer Eisenbahnweiche, sagt Hong Tang, bei der ein Zug durch die Verschiebung der Schienen auf ein anderes Gleis gelenkt wird.

Bislang haben Tang und seine Kollegen in diesem Aufbau nur den Krafteffekt demonstriert. Informationen übertrugen die Lichtpulse noch nicht. Als nächstes wollen sie komplexere Anordnungen von Wellenleitern entwerfen und die Kraftwirkung noch steigern. „Je größer die Kraft, desto besser“, sagt Tang.

Oskar Painter, Mikrophotonik-Spezialist am California Institute of Technology, ist von der Arbeit der Yale-Forscher beeindruckt: „Man versucht seit längerem, mehr aus optischen Komponenten herauszuholen, aber dieser Ansatz, Licht zu kontrollieren, ist völlig neu." Er habe zwei entscheidende Vorteile. Die Kraft lasse sich nicht nur für die Konstruktion neuartiger optischer Weichen ausnutzen. Weil die Hardware der Anordnung aus Silizium ist, könne man das Verfahren auch in bestehende Halbleiter-Architekturen integrieren. Langfristig könnte die geschickte Ausnutzung der optischen Kraft zu vollständig optischen Datenleitungen führen, die Informationen in Form von Lichtpulsen direkt bis in den Prozessor transportieren, ohne dass irgendwelche elektronischen Bauteile dazwischen geschaltet werden müssten.

Das Paper: Mo Li et al., "Tunable bipolar optical interactions between guided lightwaves", Nature Photonics, veröffentlicht online am 13.7.2009, DOI: 10.1038/NPHOTON.2009.116 (nbo)