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Erste Hilfe für gewässerte Festplatten, Sticks und Speicherkarten

| Lutz Labs

Untergegangene Datenträger müssen nicht gleich in den Müll. Auch Speichermedien aus Schlammmassen einer Flutkatastrophe können gerettet werden.

Dieser Artikel wurde ursprünglich nach der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 veröffentlicht. Angesichts der weiterhin angespannten Hochwasserlage Anfang 2024 in vielen Teilen Deutschlands haben wir ihn noch einmal nach oben geholt, um die Möglichkeiten zur Datenrettung bei Wasserschäden aufzuzeigen.

Der Lagerplatz für alte Notebooks und PCs sowie die IT-Restbestände aus ausgemusterten Rechnern ist in vielen Fällen der Keller – der bei Starkregen potenziell überflutet werden kann. So wurden vor einigen Wochen die Untergeschosse vieler Häuser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz überschwemmt. In einigen Gebieten stand das Wasser sogar bis zu den Fenstern der ersten Obergeschosse und erreichte damit auch das aktuell benutzte IT-Equipment.

Defekte Netzteile, Grafikkarten, Mainboards oder Monitore sind ärgerlich, unersetzlich hingegen sind oft die Daten auf Festplatten, SSD, USB-Sticks und Speicherkarten. Wer kein trockenes Backup hat, muss versuchen, die Daten vom nassen Datenträger herunterzuholen. Zum Glück klappt das in vielen Fällen erstaunlich gut.

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Zuallererst steht der Kauf eines neuen Mediums an, auf dem genügend freier Speicherplatz für die Daten sein sollte. Denn auch wenn man die durchnässten Datenträger noch einmal dazu bringen kann, ihre Daten herzugeben: Für den produktiven Einsatz sollte man sie nicht mehr hernehmen, sondern sie nach der Datenrettung fachgerecht entsorgen. Die Gefahr, dass durchfeuchtete Platinen auf Dauer etwa zu Haarrissen in den Leiterbahnen führen und damit erneut ein Datenverlust ins Haus steht, ist viel zu groß.

Ein so verschlammtes Notebook ist kaum noch zu retten. Die Daten der SSD lassen sich jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit auslesen.

(Bild: Dirk Weil, privat)

Für Komplettrechner und Notebooks stehen die Chancen auf eine vollständige Wiederherstellung schlecht. Versuchen Sie gar nicht erst, diese Geräte zu retten. Bauen Sie stattdessen die Datenträger aus, deren Daten Sie retten wollen, der Rest muss leider weg.

Festplatten verlangen zwar später eine besondere Behandlung, der erste Schritt aber ist bei allen Datenträgern gleich: säubern und trocknen. Bauen Sie dazu die Platinen aus den Gehäusen aus. Bei SSDs reicht meistens ein kleiner Kreuzschlitzschraubendreher, manchmal braucht man Torx- oder Pentalob-Bits, manchmal sind die Gehäuseteile auch nur ineinander verhakt. Einige SD-Karten stecken in einem Gehäuse, auch wenn man ihnen das gar nicht ansieht, viele USB-Sticks ebenfalls. Bei billigen Modellen reichen manchmal schon die Fingernägel, um die Gehäuse aufzubrechen, Gitarristen besitzen für härtere Fälle ein Plektrum. Sollte das zu reinigende Gerät einen Lüfter enthalten, ziehen Sie dessen Kabel ab oder blockieren ihn anderweitig: Ein sich drehender Lüfter induziert eine Spannung, die angeschlossene Bauteile beschädigen kann.

Externe Festplatten sollte man vor der Reinigung aus dem Gehäuse befreien.

(Bild: Dirk Weil, privat)

Sehr verschlammte Geräte sollte man zunächst vorsichtig mit Leitungswasser abspülen (mit Ausnahme von Festplatten). Vermeiden Sie hohen Wasserdruck: Er könnte das Wasser an Stellen drücken, die bislang noch nicht betroffen waren. Nutzen Sie besser einen Pinsel und tragen Sie Handschuhe, denn der Schlamm kann eine ungesunde Mischung aus Fäkalien und Heizöl enthalten, die zu Magen-Darm-Beschwerden führen kann.

Mit destilliertem Wasser spülen Sie im nächsten Schritt die zurückgebliebenen leitfähigen Mineralien aus dem Leitungswasser wieder weg. Achten Sie dabei besonders auf die Kontaktflächen und ziehen Sie eventuelle Steckverbinder ab. Wer besonders gründlich sein möchte, spült die Platinen anschließend mit 99,9-prozentigem Isopropanol aus der Apotheke ab. Isopropanol ist nicht leitfähig, verdunstet rückstandslos, löst eventuelle Fett- und Ölablagerungen und desinfiziert die Platine, wenn man es mit etwa 30 Prozent destilliertem Wasser versetzt.

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Nun geht es ans Trocknen: Die meisten IT-Geräte vertragen bis zu 70 °C, allerdings sollten sie nur langsam erwärmt werden. Viele Haushaltsbacköfen sind vor allem in den unteren Temperaturbereichen sehr ungenau, bleiben Sie lieber etwas unter der Maximaltemperatur und erhöhen und verringern Sie die Temperatur in kleinen Schritten. Für die Trocknung von Festplatten empfiehlt Toshiba eine Veränderung um maximal 20 °C pro Stunde, insgesamt sollten die Laufwerke mindestens einen halben Tag im Backofen verbringen. Mikrowellenöfen und Föhne sind für die Trocknung ungeeignet, auch von einer Trocknung auf der Heizung raten wir aufgrund der ungenauen Temperaturverhältnisse ab. Lassen Sie die Datenträger nach dem Trocknen mindestens einen, besser noch mehrere Tage liegen, bevor Sie mit der Datenrettung beginnen.

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Mit Ausnahme von hochkapazitiven heliumgefüllten Laufwerken haben die allermeisten Festplatten ein kleines Loch für den Druckausgleich. Durch dieses kann jedoch Wasser in das Gehäuse eindringen. Glücklicherweise klebt unter dem Loch zunächst ein Filter mit Aktivkohle, der nach unseren Erfahrungen zwar selbst nass wird, das Eindringen von Wasser in das Innere des Gehäuses jedoch zumindest in unserem Test zuverlässig verhinderte. Die Festplatten lagen in unserem Versuch eine Nacht lang in einer Wassertiefe von etwa einem halben Meter im Teich hinter unserem Verlagsgebäude. Größere Tauchtiefen führen zu höheren Drücken und damit steigender Wahrscheinlichkeit für einen Wassereinbruch.

Der Aktivkohlefilter dieser Festplatte ist beim Tauchen zwar feucht geworden, hat aber kein Wasser in das Innere durchgelassen.

Trotz des recht guten Eindringschutzes sollten Sie Festplatten nicht unter fließendes Wasser halten, sondern lediglich die wichtigsten Stellen mit einem feuchten Lappen reinigen. Schrauben Sie zusätzlich die Platine von der Unterseite ab und reinigen Sie die Kontakte – bei einer Samsung-Platte aus unseren Versuchen hat das zum Erfolg geführt.

Ältere Festplatten nutzen statt Aktivkohle einen Papierfilter. Der hält das Wasser nicht auf, dieses Laufwerk wäre ein Fall für den Datenretter gewesen.

(Bild: Rainer Werner Käse, Toshiba)

Bei sehr alten Festplatten bestand der Filter an der Druckausgleichsöffnung noch nicht aus Aktivkohle, sondern aus Papier. Das hält das Wasser nicht auf, wie uns ein Toshiba-Manager nach einem Versuch mitteilte. Sofern Sie ein Laufwerk aus der PATA-Zeit retten müssen, sollten Sie direkt zu einem Datenretter gehen; Selbstversuche sind zu gefährlich: Selbst wenn das eingedrungene Wasser getrocknet ist, verbleibt auf den Scheiben eine mineralische Schicht von ein paar Mikrometer Dicke. Da die Köpfe jedoch nur wenige Nanometer über den Scheiben fliegen, würde dies sofort zu einem Headcrash führen. Mutige Zeitgenossen können die Festplatte öffnen und mit Isopropanol reinigen, für kurze Zeit läuft eine solche Platte auch in der normalen Umgebungsluft.

Noch ist nicht sicher, dass das getrocknete Gerät auch wirklich funktioniert. Um den Auslese-PC zu schützen, sollten Sie die Geräte nur per USB anschließen, besser noch über einen aktiven USB-Hub. Wenn es einen Schaden gibt, dann ist nur der Hub hinüber und nicht gleich der ganze PC.

Für USB-Sticks, SD-Karten und SATA-Festplatten dürften in vielen Haushalten Adapter vorhanden sein. Handelt es sich bei der Festplatte noch um ein altes PATA-Modell, empfiehlt sich ein PATA-USB-Adapter für rund 20 Euro.

Nach der erfolgreichen Sicherung sollten Sie eine weitere Kopie der Daten anlegen und diese an einem anderen Ort lagern. Noch besser ist der 3-2-1-Ansatz: drei identische Versionen auf zwei unterschiedlichen Datenträgern, davon eine außer Haus.

Wer sich einen Rettungsversuch nicht zutraut oder Angst hat, wirklich wichtige Daten durch das eigene Unvermögen endgültig zu vernichten, sollte professionelle Datenretter beauftragen. Einige Dienstleister haben sogar spezielle Tarife für von der Flutkatastrophe Betroffene angekündigt.

Geben Sie die Datenträger dort so ab, wie Sie sie gefunden haben, dann haben die Datenretter die besten Chancen. Verpacken Sie sie zwecks Feuchtigkeitserhalt und daraus resultierender Korrosionsvermeidung möglichst luftdicht; versuchen Sie gar nicht erst, Schlamm oder Dreck zu entfernen. Achten Sie bei der Auswahl des Unternehmens auf Referenzkunden sowie Bewertungen in den sozialen Medien und lassen Sie sich einen Kostenvoranschlag geben. Eine Empfehlung für oder gegen bestimmte Anbieter können wir hier nicht geben; einige Wochen Wartezeit müssen Sie aktuell sicher einkalkulieren.

Die meisten modernen Smartphones lassen sich zum Trocknen nicht öffnen; auch der alte Tipp, den Akku zu entfernen, klappt immer seltener. Wer einen Clouddienst zur Speicherung seiner Adressen und der Fotos nutzt, kann sich zurücklehnen: Die Daten können Sie an einem anderen Gerät wieder abrufen. Alle anderen müssen ebenfalls erst einmal das Telefon trocknen und dann weitersehen.

Mit etwas Glück ist das Smartphone sogar wasserdicht und damit noch funktionsfähig. Wenn nicht, sollte es zunächst mehrere Tage trocknen – auch dafür bitte weder die Mikrowelle noch einen heißen Föhn einsetzen. Falls es sich nach Trocknen und Laden noch nicht einschalten lässt, hilft eventuell der Gang zum Servicepartner des Herstellers. Weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass auf dem Gerät wichtige Daten sind, damit der Service nicht einfach ein neues Mainboard mit frischem Speicher einbaut, sondern das Gerät wirklich repariert. Mit etwas Glück sind die Daten anschließend wieder da.

Bei unseren Versuchen haben wir lediglich Festplatten gebadet, denn diese sind aufgrund der mechanischen Bauteile am stärksten durch das Wasser gefährdet. Alle haben das Bad überlebt, und auch bei SSD, USB-Sticks und Speicherkarten stehen die Chancen auf eine erfolgreiche Datenrettung sehr gut, selbst wenn wie bei einer Flutkatastrophe aus Wasser Schlamm wird. (ll [22])


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