Forscher arbeiten an neuen Pulsoximetern – ohne die bisherigen Tücken

Pulsoximeter messen, wie viel Licht durch das Gewebe am Finger dringt. Doch Faktoren wie Hautfarbe verfälschen das Ergebnis. Daher müssen neue Ansätze her.

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(Bild: Yasin Hasan / Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Cassandra Willyard
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Pulsoximeter sind schon hilfreiche medizinische Assistenten. Schnell an den Finger geklemmt liefern diese Geräte mit der Herzfrequenz und dem Blutsauerstoff wichtige Informationen über den Gesundheitszustand eines Menschen. Aber sie haben auch ihre Tücken. Bei Menschen mit dunkler Haut können Pulsoximeter den Sauerstoffgehalt des Blutes überschätzen. Eine Person mit gefährlich niedrigem Sauerstoffgehalt könnte dem Pulsoximeter zufolge also gesund erscheinen. Warum sie die Messwerte so verzerren und welche technischen Lösungen möglich sind, das untersuchen verschiedene akademische Teams.

Doch um das Problem zu verstehen, muss man zunächst wissen, wie Pulsoximeter funktionieren. Die meisten dieser Geräte werden in der Regel an die Fingerspitze gesteckt, manchmal müssen sie auch an Ohrläppchen oder Zehen angebracht werden. Auf der einen Seite der Klemme befinden sich LEDs, die Licht in zwei verschiedenen Wellenlängen aussenden – rot und infrarot. Ein Sensor auf der anderen Seite der Klemme misst, wie viel von diesem Licht durch das Gewebe dringt. Das Hämoglobin in sauerstoffreichem und sauerstoffarmem Blut absorbiert diese Wellenlängen unterschiedlich, und durch die Berechnung des Verhältnisses der Rotlichtmessungen zu den Infrarotlichtmessungen – dem R-Wert – kann das Gerät die Sauerstoffsättigung des Blutes tabellarisch darstellen.

Das Problem dabei ist, dass verschiedene Faktoren die Lichtabsorption beeinflussen und so die Messungen verfälschen können: etwa dunkler Nagellack, Tattoos oder Melanin. "Wenn eine Person einen dunkleren Hautton hat, absorbiert sie mehr Licht", sagt Maggie Delano, eine Ingenieurin am Swarthmore College, die sich für integratives Ingenieurdesign interessiert. Angenommen, dass 100 Photonen des Lichts durch einen Finger gehen. Einige werden vom Blut, einige vom Knochen und einige vom Melanin in der Haut absorbiert. "Wenn jemand also einen dunkleren Hautton hat, kommen vielleicht fünf Photonen durch statt 20", sagt Delano. "Wenn die Elektronik das nicht irgendwie kompensiert, kann es zu Fehlern im Ergebnis kommen.“

Diese Fehler können echte klinische Konsequenzen haben. Der Sauerstoffgehalt des Blutes ist eines der wichtigsten Vitalzeichen, anhand dessen Ärzte entscheiden, ob eine Person Sauerstoff erhalten oder ins Krankenhaus eingewiesen werden muss.

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen arbeiten daran, dieses Problem auf verschiedene Weise zu lösen. An der Tufts-Universität haben Valencia Koomson und ihre Kollegen ein "EquiVitals" getauftes Gerät entwickelt, das erkennen kann, wenn die Signalqualität schlecht ist oder wenn der Nutzer einen dunkleren Hautton hat, und dies kompensiert, indem es mehr Licht durchlässt. "Wir haben es mit sehr schwachen optischen Signalen zu tun, die durch Gewebe mit vielen [anderen] Elementen, die Licht absorbieren und streuen, hindurch müssen", erklärte sie gegenüber "Inverse". "Es ist so ähnlich, wie wenn man mit dem Auto durch einen Tunnel fährt. Man verliert das Signal aufgrund der Absorption der Materialien im Tunnel, so dass das Signal, das vom Mobilfunkmast gesendet wird, zu schwach ist, um vom Telefon verarbeitet zu werden."

Koomsons Team arbeitet mit einem Unternehmen zusammen, das medizinische Geräte herstellt, um einen Prototyp für klinische Versuche zu entwickeln. Da ihr Team bei einem kürzlich durchgeführten Wettbewerb von "Open Oximetry" als Finalist ausgezeichnet wurde, können sie das Gerät im Hypoxie-Labor der University of California, San Francisco, kostenlos testen.

In der Zwischenzeit versuchen Physiker an der Brown University, mit speziellen LEDs, die polarisierte Lichtstrahlen aussenden können, eine Lösung zu finden. Jesse Jokerst, ein Professor für Nanoengineering an der University of California, San Diego, arbeitet an einem Oximeter, das Licht und Ton verwendet und auch die Werte an den Hautton anpasst. Ein anderes Team an der University of Texas in Arlington hofft, das rote Standardlicht in Pulsoximetern durch grünes Licht ersetzen zu können, das zurückstrahlt, anstatt absorbiert zu werden. An der Johns Hopkins University haben Ingenieure einen Prototyp eines Pulsoximeters entwickelt, der bei der Berechnung der Sauerstoffsättigung des Blutes den Hautton berücksichtigt.

Neal Patwari, Maschinenbauingenieur an der Washington University in St. Louis, möchte die Hardware des Pulsoximeters beibehalten, aber den Algorithmus austauschen. Dazu ist ein genauerer Blick in den Messvorgang eines Pulsoximeters nötig: Er nimmt vier verschiedene Messungen vor, zwei in jeder Wellenlänge. Eine Messung findet statt, während das Herz das Blut durch die Arterien drückt, wenn der Blutfluss am höchsten ist, und die andere zwischen den Pulsen, wenn der Blutfluss am niedrigsten ist. Diese vier Zahlen werden in einen Algorithmus eingespeist, der Verhältnisse berechnet – und zwar ein Verhältnis geteilt durch ein anderes. So erhält man den R-Wert. Aber "wenn man zwei Zahlen nimmt und sie dividiert, kann es zu seltsamen Effekten kommen, wenn der Nenner verrauscht ist", sagt Patwari. Und einer der Faktoren, die das Rauschen verstärken können, ist dunkel pigmentierte Haut. Er hofft, einen Algorithmus zu finden, der sich nicht auf Verhältnisse stützt, was einen weniger verzerrten R-Wert ergeben könnte.

Ob eine dieser Strategien die Verzerrungen bei Pulsoximetern beheben wird, bleibt abzuwarten. Aber es ist wahrscheinlich, dass die Messlatte für die Leistung höher liegen wird, wenn verbesserte Geräte zur Zulassung anstehen. Auf einer Sitzung der US-Zulassungsbehörde FDA prüften die Ausschussmitglieder kürzlich einen Vorschlag, wonach die Unternehmen verpflichtet wären, das Gerät an mindestens 24 Personen zu testen, deren Hautfarbe die gesamte 10er-Skala abdeckt. Die derzeitige Vorschrift besagt, dass die Studie 10 Personen umfassen muss, von denen zwei eine "dunkel pigmentierte" Haut haben.

In der Zwischenzeit beschäftigt sich das Gesundheitspersonal mit der Frage, wie die vorhandenen Instrumente zu verwenden sind und ob man ihnen vertrauen kann. In der Sitzung des Beratenden Ausschusses fragte ein Ausschussmitglied einen Vertreter von Medtronic, einem der größten Anbieter von Pulsoximetern, ob das Unternehmen einen freiwilligen Rückruf seiner Geräte in Betracht gezogen habe. "Wir sind zu 100 Prozent davon überzeugt, dass unsere Geräte den aktuellen FDA-Standards entsprechen", sagte Sam Ajizian, Medtronics Chief Medical Officer für Patientenüberwachung. Ein Rückruf "würde die öffentliche Sicherheit untergraben, da es sich um ein grundlegendes Gerät in Operationssälen und Intensivstationen, Notaufnahmen und Krankenwagen und überall sonst handelt."

Aber nicht alle sind der Meinung, dass der Nutzen die Nachteile überwiegt. Im vergangenen Herbst reichte ein kommunales Gesundheitszentrum in Oakland, Kalifornien, eine Klage gegen einige der größten Hersteller und Verkäufer von Pulsoximetern ein und forderte das Gericht auf, den Verkauf der Geräte in Kalifornien zu verbieten, bis die Messwerte für Menschen mit dunkler Hautfarbe nachweislich genau sind oder bis die Geräte einen Warnhinweis tragen.

"Das Pulsoximeter ist ein Beispiel für den tragischen Schaden, der entsteht, wenn die Gesundheitsbranche des Landes und die sie beaufsichtigenden Behörden der Gesundheit der Weißen Vorrang vor der Realität nicht-weißer Patienten einräumen", sagte Noha Aboelata, CEO des Roots Community Health Center, in einer Erklärung. "Die Geschichte der Herstellung, Vermarktung und Verwendung von Pulsoximetern mit dem Fokus auf weiße Menschen ist ein Armutszeugnis für unser Gesundheitssystem."

(jle)