Interview: Ein Besuch bei Khrome – einem Fachgeschäft nur für Analogfotografie

Begeistern sich junge Menschen für analoge Kameras? Bei Khrome in Hamburg glaubt man an den Trend.

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Anatol Kotte (58) und Oliver Heinemann (41) in ihrem Ladengeschäft in Hamburg.

(Bild: Knut Gielen)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Knut Gielen

Knut Gielen hat mit seinem Artikel in c't Fotografie 5/22 eine Liebeserklärung an einen Kameraklassiker – die Leica M6 – verfasst. Diese war das wichtigste Werkzeug berühmter Reportagefotografen.

Auch heute noch üben analoge Kameras wie die M6 eine Faszination auf alte und junge Fotografen aus. Ein Anlaufstelle ist das Fotogeschäft Khrome in Hamburg. Der Autor hat dem Laden einen Besuch abgestattet und im Gespräch mit den beiden Besitzern ergründet woher die Liebe zum Analogen kommt und warum ihr Geschäft auch in digitalen Zeiten regen Zulauf hat.

c't Fotografie 3/24

Der Hamburger Werbefotograf Anatol Kotte und sein ehemaliger Assistent Oliver Heinemann begeistern sich für analoge Kameras und alles, was dazu gehört. Schließlich haben sie viele Jahre damit gearbeitet. Aus dem Sammeln von Fotoapparaten und Objektiven entwickelte sich die Idee, jungen Leuten die alten Kameras zum Kauf anzubieten, inklusive Filmentwicklung - wenn gewünscht. Daraus ist Khrome entstanden, ein ganz besonderer Fotoladen in der Hamburger Innenstadt, flankiert von einer Galerie für Fotografie und einem Restaurant, das als Treffpunkt nebenan dienen soll.

Zum Interview verabreden wir uns vorsorglich eine Stunde vor Ladenöffnung, denn das Angebot wird gut angenommen. Jeden Tag kommen ältere Herrschaften, die hoffen, einen seriösen Abnehmer für ihre alten Schätze zu finden und junge Leute, die von den alten Apparaten und dem bunten Zubehör fasziniert sind.

Der kleine Laden mit den großen Zielen in der Kaiser-Wilheln-Straße 73 in der Hamburger Innenstadt.

(Bild: Knut Gielen)

Hat der Name Khrome eine Bedeutung?

Anatol Kotte (AK): Chrome mit C geschrieben, heißt altgriechisch Farbe, die Anfangsbuchstaben K und H stehen für Kotte und Heinemann, so heißt unsere Firma.

Wie kam es zur gemeinsamen Geschäftsgründung?

Oliver Heinemann (OH): Ich habe bei Anatol in seiner Zeit als Werbefotograf sechs Jahre assistiert und danach sechs Jahre selbst Architekturfotografie betrieben. Dann haben wir uns wiedergetroffen, als wir beide an einem Punkt waren, wo sich Dinge verändert haben, um hier in Hamburg gemeinsam Khrome zu gründen.

AK: 1988 fing ich an, professionell zu fotografieren – erst Editorial für Tempo und alle möglichen Magazine, dann kam immer mehr Werbung dazu. Zum Schluss bin ich viele Jahre als Autofotograf, mit Olli als Assistent, um die Welt gejettet, bis der Burn Out kam. In Berlin hatte ich ein Studio mit Galerie und Gastronomie, das musste ich schließen. Olli hatte diese Räumlichkeiten in Hamburg bereits seit zwei Jahren, als wir beschlossen haben, hier gemeinsam einen Laden für analoge Fotografie und eine angeschlossene Fotogalerie zu eröffnen. In Hamburg gab es sowas noch nicht.

Eine russische FED 5 wartet auf einen Fotografen, der wieder Filme mit ihr belichten möchte.

(Bild: Knut Gielen)

Was ist das Konzept von Khrome?

OH: Wir wollen eine zentrale Anlaufstelle für Alles rund um die analoge Fotografie sein, und hier alles anbieten, was Kunden sonst nur an verschiedenen Orten verstreut über Hamburg finden.

Wir verkaufen alte und neue analoge Kameras, nehmen uns viel Zeit für die Beratung. Bei uns können Kunden auch gleich ihre Filme entwickeln und scannen lassen. Wir kaufen alte Kameras, die dann eben nicht im Müll oder in Kartons in Kellern landen, sondern von begeisterten jungen Leuten wieder benutzt werden. Unser Workshopangebot wird sich im analogen Bereich an Amateure wenden, wir sind aber auch keine Dogmatiker, die sagen analog ist super und digital ist schlecht. In unserer Capitis Galerie zeigen wir auch nicht nur analoge Werke. Wir wollen die analoge Fotografie erhalten, als das Fundament sozusagen, weil sie die Grundlage der Fotografie darstellt, und jeder, der Fotografie ernsthaft erlernen will, sollte sich damit befassen. Unser Laden ist für Benutzer gedacht, nicht für Sammler. Unsere alten Fotoapparate sollen wieder genutzt werden und ihren Zweck erfüllen.

Wer sind eure Kunden?

AK: Alle, hier kommen wirklich Menschen zwischen 20 und 80 Jahren in den Laden. Von der bauchfrei gekleideten Influencerin bis zum Rollatorfahrer, den wir die Treppe hochtragen müssen - und alles dazwischen. Fotografie betrifft ja wirklich jeden, mit dem Handy macht man super Bilder, aber wenn jemand fotografieren will, kauft er sich eine richtige Kamera. Bei der analogen Fotografie ist alles viel spannender, man hat nur 36 Versuche, der Prozess bis zum fertigen Ergebnis ist viel komplexer und aufwändiger.

OH: Leute, die sich ein Hobby suchen, wollen das aber auch genau so, und den Weg über die Beschäftigung mit der Frage "Was will ich eigentlich fotografieren?", über die physikalischen Grundlagen und den Prozess der Filmentwicklung gehen. Corona hat den Trend sogar noch verstärkt, weil die Menschen sich fragen: was mache ich eigentlich mit meiner Zeit? Bringen mich zwei Stunden TikTok scrollen wirklich weiter? Plötzlich ist die Bereitschaft da, selbst etwas zu machen. Da wird dann das Fotolabor vom Vater wieder aufgebaut. Bei uns kommen viele Teenager gemeinsam mit ihren Eltern in den Laden. Die Eltern freuen sich, weil sie da einen Draht zu ihren Kindern finden und ein Hobby teilen können. Neulich war ein Regisseur bei uns, der seine alten Nikons an seine Söhne verschenkt hat. Der hat sich bei uns eine analoge Leica M6 gekauft und zieht jetzt gemeinsam mit ihnen los und baut die Dunkelkammer wieder auf.

AK: Bei uns haben alle gute Laune, die Kunden sind entspannt und freuen sich über unsere Beratung. Wir wollen hier auch ein Treffpunkt sein, Fotografen auf jedem Level sollen sich austauschen können, deswegen haben wir auch ein Sofa im Laden und großen Wert auf die Einrichtung mit alten schönen Vitrinen gelegt. Ein Laden im Einzelhandel muss heute auch ein Erlebnis bieten, damit die Kunden in die Innenstadt kommen und sich wohl fühlen.

Bei Kleinbildfilmen gibt es inzwischen wieder reichlich Auswahl. Neben den Schwarzweiß-Klassikern von Kodak und Ilford bietet Khrome eine Vielzahl von Filmen kleinerer Hersteller an.

(Bild: Knut Gielen)

Fotografie war früher ein typische Männer-Domäne. Ist das noch so?

AK: Da hast Du Recht, das war früher so. Heute ist das ganz anders, ich würde sagen fifty-fifty kommen Frauen und Männer zu uns. Ganz viele junge Frauen und oft auch Pärchen, die gemeinsam fotografieren wollen.

Welche Kamera empfehlt ihr einem unerfahrenen Anfänger, der bisher nur mit dem Handy fotografiert hat?

AK: Ich würde erstmal eine Point-and-Shoot nehmen, zum Beispiel die Nikon 35AF. Die hat eine gute Automatik, da kann man das Filmeinlegen üben und hat gleich Erfolge. Als ich angefangen habe, waren meine Fotos alle unscharf, weil ich unbedingt alles manuell machen wollte. Irgendwann hab ich`s dann geschnallt…(lacht)

OH: Für den Einstieg empfehle ich eine einfache Spiegelreflexkamera, da kann man alles einstellen und begreift wie es funktioniert. Zum Beispiel die Olympus OM10 oder Minolta X700 eignen sich gut, aber da gibt es von allen Herstellern passende Modelle. Die verkaufen wir meistens als Pakete mit einem 50mm Normalobjektiv, das tut niemandem weh, wenn es dann doch nicht das richtige Hobby ist.

Wie weh tut es denn?

OH: Für eine OM10 mit Objektiv um die 150 Euro.

Bei Kleinbildfilmen gibt es inzwischen wieder reichlich Auswahl. Neben den Schwarzweiß-Klassikern von Kodak und Ilford bietet Khrome eine Vielzahl von Filmen kleinerer Hersteller an.

(Bild: Knut Gielen)

(keh)