Japanisches Start-up entwirft Zwei-Personen-Haus für 35.000 Euro

Um dem Mangel in der Baubranche entgegenzuwirken, erprobt Japan jetzt eine neue Fertighaustechnik, die billige Bleiben aus der Fabrik erlaubt.

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Das Modell Serendix50 wird auch "Fujitsubo" genannt, was Seepocke bedeutet.

(Bild: Serendix)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling
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Fertighäuser sind in Japan schon lange ein Massenmarkt. Das Start-up Serendix stellt nun eine Technik vor, die kleine Bleiben in Rekordzeit und für wenig Geld errichten kann: Häuser aus dem Drucker. Das neue 50-Quadratmeter Häuschen "serendix50" lässt sich in zwei Tagen errichten und kostet 5,5 Millionen Yen (35.000 Euro).

Für das japanische Unternehmen ist dies bereits der zweite Versuch einer Immobilie aus dem Drucker. Vor ein paar Jahren stellte Serendix einen Betonbau namens "Sphere" vor, die in ihrer Schlumpfhausform zehn Quadratmeter Wohnfläche bot. Das Projekt machte in Japan derart Schlagzeilen, dass das Unternehmen Anfragen von meist älteren Kunden bekam, ob sich nicht auch ein größeres Eigenheim auf diese Weise fertigen ließ.

Das Start-up entwickelte daraufhin mit dem Digital Manufacturing and Design Research Center for Emergent Circularity der Keio-Universität das neue Modell. Auch über eine größere Version denkt Serendix nach. Das Ziel ist, Häuser wieder erschwinglich zu machen. Denn viele Käufer sind noch bis ins Rentenalter mit der Rückzahlung ihrer Kredite belastet. Und immer mehr Japaner empfinden es den Gründern zufolge als finanziell schwierig, überhaupt Wohneigentum zu erwerben.

Professor Yosuke Hirayama von der Universität Kobe macht neben dem demografischen Wandel und dem wachsenden Problem leerstehender Häuser drei Gründe dafür verantwortlich, dass der Anteil von Wohneigentum auch unter Nullzinsbedingungen bei den unter 40-Jährigen deutlich unter früheren Werten liegt: spätere Heirat, unsichere Beschäftigungsverhältnisse und stagnierende Gehälter.

Der von Serendix verfolgte Betondruck von Häusern gilt schon lange als Zukunftstechnik. Die Japaner wollen sie nun auf eine neue Stufe der Automatisierung heben. Anstatt ein Haus als Ganzes vor Ort zu drucken, fertigen Printer in einer Fabrik Module an, die dann mit Lkws geliefert und auf ein mit Stahlpfeilern versehenes vorbereitetes Betonfundament gestellt werden können. Gleichzeitig erhöht diese in Japan übliche Art, Fassaden in Plattenbauweise zu bauen, die Erdbebensicherheit, da sich die Module etwas gegeneinander bewegen können, ohne zu brechen.

Der nächste Schritt in der Automatisierung des Hausbaus könnte in Japan Erfolg haben, da schon viele Häuser aus Fabriken stammen. Laut einem Marktbericht von Modor Intelligence ist der Fertighausmarkt in Japan im globalen Rahmen "vergleichsweise ausgereift und entwickelt". Bereits 15 Prozent des Wohnungsneubaus entfallen auf die Fertigteilbauweise. Inzwischen schwappt die Technik des modularen Bauens auch nach Europa herüber.

Gleichzeitig waren kleine Häuser in Japan traditionell weit verbreitet und könnten nun mit der alternden Gesellschaft eine Renaissance erleben. Vereinzelt kann man noch heute die kleinen, schlichten einstöckigen Holzhäuser finden, die in Japans rasanter Verstädterung in den Metropolen aus dem Boden schossen.

Mit wachsendem Reichtum wurden die Kleinheime durch größere Häuser verdrängt. Doch heute beobachtet Mika Kasamatsu, Forscherin bei der nationalen Online-Wohnungsvermittlungsplattform Suumo, einen neuen Trend zum "Minimal-Wohnen". Er geht mit der Idee einher, viele bisher physikalischen Produkte wie Musik und Bücher nicht mehr zu kaufen, sondern mit Abodiensten online zu mieten, solange man sie braucht.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

In den letzten Jahrzehnten wurden Einfamilienhäuser nachgefragt, die über verschiedene Lebensphasen hinweg (Leben als Ehepaar, Leben mit Kindern bis zum Leben im Alter) genügend Zimmer und Platz boten, erklärt die Expertin. Jetzt wollen laut Kasamatsu immer mehr Menschen ihren Lebensraum je nach Lebensphase optimieren können. Sie sieht daher eine stärkere Nachfrage nach kleinen, einstöckigen Häusern um die 70 Quadratmeter, die im Inneren mit geringen Investitionen umgebaut werden können. 60 bis 76 Quadratmeter Wohnfläche sind in Japans Metropolen eine verbreitete Größe für Familienwohnungen.

Der Fujitsubo-Bau von Serendix mit seinen 49 Quadratmetern kann somit als Bau verstanden werden, der den Wunsch nach bezahlbarem Eigenheim für Familien und den Bedürfnissen älterer Kunden zu vereinen. Eine offene Frage ist, wie die Kohlendioxidemissionen im Bau durch den Betondruck verändert werden. Bisher bestehen in Japan Ein- aber auch Mehrfamilienhäuser meist aus Holzgerüsten, die verglichen mit einer Betonkonstruktion einen kleineren ökologischen Fußabdruck haben. Einer im Magazin "Materials" veröffentlichten Studie zufolge verursachte ein vorgefertigtes mehrstöckiges Gebäude in Holzrahmenbauweise in der kanadischen Stadt Quebec 25 Prozent weniger Kohlendioxidemissionen als herkömmliche Gebäude aus Stahl oder Beton.

(jle)