Japans Sonderweg im Klimawandel – mit Ammoniak und CCUS

Europa versucht stärker als Japan, emissionsfreie Technik schon jetzt umzusetzen. Dort werden lieber Übergangstechnologien wie Ammoniak gefördert.

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Abgas über einem Gaskraftwerk in Bremen.

(Bild: heise online / anw)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling

Ammoniak, ein brennbarer Wasserstoffträger, kommt weltweit als möglicher klimaneutraler Brennstoff immer mehr in Mode. Denn er verbrennt kohlendioxidfrei. Der japanische Schwerindustriekonzern Mitsubishi Heavy Industries (MHI) hat sogar große Gasturbinen entwickelt, die mit dem giftigen Stoff betrieben werden können.

Bei der Vermarktung der Ammoniak-Kraftwerke stehen die Japaner allerdings vor einem Problem. In Europa gilt Ammoniak vor allem als Ersatz für Schiffsdiesel, Japan will es aber auch zur Stromerzeugung nutzen. MHI investiert deshalb viel Zeit in Überzeugungsarbeit. Ein Drittel seiner Zeit habe er in diesem Jahr in Europa verbracht, verrät ein MHI-Manager.

MHI ist nicht der einzige japanische Großkonzern, der weltweit für seine Ammoniakprodukte wirbt. Der MHI-Rivale IHI hat eine kleine Ammoniakturbine entwickelt, setzt aber im Gegensatz zu MHI stärker auf Ammoniak-Beifeuerung in Kohlekraftwerken. Die Stoßrichtung ist allerdings bei beiden Konzernen die gleiche: Durch die Verbrennung von Ammoniak sollen die Emissionen von Wärmekraftwerken, die bisher mit Gas und Kohle betrieben werden, gesenkt werden. Gerade für Entwicklungsländer, die derzeit noch ihre Kohlekraftwerke ausbauen, sieht Japan darin eine Brückenlösung auf dem Weg zu einer dekarbonisierten Gesellschaft. Und Japan will diese Brückentechnologien für den Weltmarkt bereitstellen.

Auf welche dieser Brückentechnologien Regierung und Konzerne setzen, wird derzeit bei der Tokyo GX Week deutlich, einer hochkarätig besetzten Veranstaltungsreihe des Ministeriums für Wirtschaft, Handel und Industrie zur grünen Transformation (kurz GX). Im Mittelpunkt stehen Wasserstoff, Ammoniak sowie Technologien zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid (CCUS, Carbon Capture, Utilization, Storage) und zum Recycling von Kohlendioxid.

Die japanische Regierung fördert einerseits eine Wasserstoffwirtschaft, also die Nutzung von Wasserstoff und Ammoniak als Energiespeicher. Das rohstoffarme Land will Versorgungsketten aufbauen, bei denen die beiden Stoffe letztlich in anderen sonnen- und/oder windreichen Regionen mit erneuerbaren Energien emissionsfrei hergestellt und dann nach Japan verschifft werden. Zum anderen setzt die Regierung darauf, dass Wasserstoff und Ammoniak zunächst auch aus fossilen Brennstoffen hergestellt werden, um schnell einen Massenmarkt zu entwickeln. Damit dies ökologisch Sinn ergibt, sollen CCUS-Technologien die dabei entstehenden Treibhausgase auffangen.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Dies spiegelt sich auch in der Klimastrategie von MHI wider. Im Mai 2023 legte die Konzernleitung in einem Briefing dar, wie sie ihr Ziel, bis 2040 klimaneutral zu wirtschaften, erreichen will. Im Mittelpunkt steht dabei die Dekarbonisierung der bestehenden Infrastruktur. Die Prämisse: „Die Reduzierung, Abscheidung und Entsorgung von Kohlendioxid ist ein Weg zur Dekarbonisierung der thermischen Energie“, heißt es in dem Briefing. „Ein anderer Weg ist die Reduzierung der CO2-Emissionen durch die maximale Nutzung der kohlenstofffreien Energiequelle Kernenergie.“

Bis 2030 wollen die Japaner dann Gaskraftwerke mit neuen Turbinen auf kohlenstoffneutrale Stromerzeugung umstellen können. Kohlekraftwerke könnten zu Gaskraftwerken umgerüstet werden. CCUS-Technologien könnten zudem 90 Prozent der entstehenden Kohlendioxid-Emissionen einfangen. MHI will dazu beitragen, eine CCUS-Wertschöpfungskette von der Abscheidung über die Weiterverwendung und den Transport bis hin zur Speicherung zu entwickeln.

Auch andere Unternehmen versuchen, von diesem Trend zu profitieren. So will der Keramikkonzern NKG Insulators die Technologie seiner Autokatalysatoren zur Abgasreinigung nutzen, um Kohlendioxid im großen Stil aus der Luft zu gewinnen. Das Konzept wird Direct Air Capture genannt. Diese Methode spielt in den Plänen Japans eine wichtige Rolle auf dem Weg zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft. In der Modellrechnung des MHI lässt sich der Kohlendioxid-Ausstoß trotz globaler Energiewende nur auf ein Fünftel oder 7,6 Gigatonnen pro Jahr reduzieren. Diese müssten dann mit verschiedenen Methoden entweder direkt aus den Abgasen oder über die Direktabscheidung aus der Luft abgeschieden werden.

(bsc)