Keyless-Go macht Autodiebstähle zu einfach

Ein schlüsselloser Zugang zum Auto ist bequem – leider auch für Diebe. Besserung ist nicht in Sicht, auch wenn der Polizei nun ein kleiner Erfolg gelang.

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BMW Display-Schlüssel

Der klobige Display-Schlüssel von BMW ist nur ein Zwischenschritt. Künftig wird das Handy seine Funktion übernehmen.

(Bild: Pillau)

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Inzwischen kann man den Komfort sogar in Kleinwagen buchen: Ist der Schlüssel in Reichweite, kann das Auto geöffnet und gestartet werden, ohne ihn in die Hand nehmen zu müssen. Diebe nutzen das und verlängern das Funksignal des Schlüssels um ein paar Meter. Damit lässt sich das Auto dann öffnen oder sogar wegfahren. Clevere Anbieter haben inzwischen Schlüsseltaschen im Angebot, die das Funksignal ganz oder teilweise einschränken. Manche packen den Schlüssel zu Hause in eine Metalldose oder gar den Kühlschrank.

Der Polizei in Heilbronn ist nun zumindest ein kleiner Erfolg gegen die in der Regel gut organisierten Verbrecher gelungen. Eine Diebesbande soll bundesweit die Funk-Öffnungssysteme (Keyless-Go) ausgenutzt haben, um mindestens 27 Autos im Wert von rund 1,4 Millionen Euro zu knacken und zu stehlen. Auf die Spur der siebenköpfigen Bande aus Polen kamen die Ermittler nach monatelanger Suche. Mehrere Männer konnten sie auch auf frischer Tat und mit laufenden Motoren schnappen, wie die Polizei am Mittwoch (22. April 2020) in Heilbronn erklärte. Die Autos wurden zwischen März und November 2019 in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gestohlen. Ein Schwerpunkt des Beutezugs liegt mit elf Diebstählen im Landkreis Heilbronn.

Ein Problem für die Diebe: Sie können den erbeuteten Wagen unterwegs nicht mehr abschalten, weil dann der Schlüssel und somit das Funksignal zu weit weg sind. Deswegen rasen sie meist nonstop Richtung Ziel. Sollten sie etwa zum Tanken anhalten müssen, lassen sie den Motor laufen. So war das nach Angaben der Polizei auch im Fall der polnischen Verdächtigen.

Auf die polnischen mutmaßlichen Diebe im Alter von 25 bis 34 Jahren war die Polizei aufmerksam geworden, weil die Zahl dieser Art von Diebstählen zwischen Januar und August des vergangenen Jahres im Landkreis Heilbronn massiv zugenommen hatte. Insgesamt wurden dabei 34 Autos geklaut. „Auffallend war, dass die Tatorte nahe der Autobahn lagen und die Täter nachts zuschlugen“, sagte ein Polizeisprecher. „Es gelang den Dieben jeweils, das elektronische Keyless-Go-System unbemerkt zu überwinden.“ Vor allem auf die Marke Audi hatten es die Täter abgesehen.

Unter anderem mit der Hilfe von verdeckten Ermittlern kamen die Beamten den Verdächtigen langsam auf die Spur, dann schlugen sie zu: Ende Oktober konnten sie das Auto eines mutmaßlichen Autoknackers ausmachen und observieren. Eineinhalb Wochen später nahmen sie in der Nähe von Philippsburg vier Männer fest, die kurz zuvor einen Audi A8 gestohlen hatten. Ende November der nächste Fahndungserfolg: Bei zwei Männern klickten die Handschellen auf einer Rastanlage in Thüringen, nachdem sie im hessischen Limeshain einen Kleintransporter gestohlen hatten und unterwegs zur Grenze waren.

Organisiert wurden die Taten im Landkreis Heilbronn laut Polizei von Polen aus, die Fahrten nach Deutschland wurden von sogenannten Begleitfahrern durchgeführt, und als unterste Ebene der Bandenstruktur dienten die Fahrer der gestohlenen Autos. Nach Angaben des hessischen Landesinnenministeriums sind Banden wie diese hierarchisch strukturiert, sie sind sehr mobil und machen auch vor Grenzen nicht halt.

Der ADAC fordert von den Autoherstellern einen besseren Schutz. Technisch sei das möglich. Der Verband hatte im vergangenen Jahr etwa 300 Modelle getestet. „Mit einer selbst gebauten Funkverlängerung konnten fast alle bisher untersuchten Fahrzeuge sekundenschnell entsperrt und weggefahren werden“, sagte ein Sprecher. Den Schlüssel in Alufolie zu wickeln, schütze jedenfalls nicht unbedingt vor Diebstahl, warnte der ADAC.

Hinzu kommt, dass das nächste Problem sich nicht etwa erst am Horizont abzeichnet, sondern gewissermaßen schon da ist. Denn nach dem schlüssellosen Zugang, für den man den Schlüssel ja noch dabei haben muss, kommt die Verlegung seiner Funktion auf das Smartphone. Auf mehr als 70 Prozent aller Handys läuft das Betriebssystem Android. Dort bessert sich zwar langsam die Update-Situation, tatsächlich gut ist sie aber noch nicht. Ein aktuelles Android 10 ist erst auf rund acht Prozent aller Geräte installiert. Immerhin gibt es inzwischen für eine Reihe von Geräten wenigstens drei Jahre Sicherheitsupdates. Wer sein Handy als Schlüssel nutzen will, wird künftig noch stärker auf die Update-Politik achten müssen - und darauf hoffen, dass sich der Autohersteller lange um einen entsprechenden Support kümmert.

(mfz)