Neue Long-Covid-App sammelt Daten zu Herzschlag, Puls und Husten

Die App "Visible" soll Long-Covid-Patienten nicht nur bei der Bewältigung ihrer Symptome helfen, sondern auch Belege für die Krankheit sammeln.

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(Bild: Miguel Alegre / Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Rhiannon Williams

Eine neue App könnte Menschen mit Long Covid dabei helfen, besser mit ihrer Krankheit umzugehen. Die Anwendung soll für die Betroffenen deutlicher machen, was gut für ihre Gesundheit ist und was nicht.

Die Weltgesundheitsorganisation definiert Long Covid als ein zwei Monate oder länger andauerndes Post-Covid-Krankheitsbild. Die Betroffenen leiden unter Symptomen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwäche und Fieber. Bei zu großer Anstrengung können sich die Symptome verschlimmern. Um damit besser zurecht zu kommen, wenden einige das sogenannte Pacing an, das heißt sie wechseln zwischen aktiven und Erholungsphasen.

Die neue App namens "Visible" soll die Betroffenen dabei unterstützen, diesen Prozess zu steuern. Dafür sammelt die App täglich Daten, um zu verstehen, wie die Symptome schwanken. Die Nutzer messen jeden Morgen ihre Herzfrequenzvariabilität (die Schwankungen zwischen den Herzschlägen), indem sie ihren Finger 60 Sekunden lang über die Handykamera halten. Dabei wird der Puls gemessen, indem kleine Veränderungen in der Hautfarbe des Benutzers aufgezeichnet werden.

Darüber hinaus bewertet der Benutzer allabendlich die Schwere seiner Hustensymptome auf einer Skala von 0 bis 3 (0 steht für keine Symptome und 3 für starke Symptome). Forschungen der "American Heart Association" haben ergeben, dass eine verringerte Herzfrequenzvariabilität, die mit einem gestressten Nervensystem korrespondiert, bei Menschen mit Long Covid häufig vorkommt.

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Durch die Überwachung der Herzfrequenzvariabilität lässt sich leichter vorhersagen, wann ein Betroffener wahrscheinlich ermüdet. Visible verwendet diese Daten, um einen "Pace Score" von 1 bis 10 zu erstellen. 8-10 bedeutet, dass das Tempo in letzter Zeit gut war. 4-6 bedeutet, dass es ratsam wäre, die nächsten Tage ruhig zu gestalten, und 1-3 bedeutet, dass die Person sich vorrangig ausruhen sollte. Auf diese Weise soll den Long Covid-Patienten eine Entscheidungshilfe geliefert, wann sie sich schonen sollten.

Der Miterfinder von Visible, Harry Leeming, lebt seit September 2020 selbst mit der Diagnose Long Covid. Er hofft, dass das Programm sowohl den Nutzern als auch der Gesellschaft zu einem besseren Verständnis der Krankheit verhilft, über die Mediziner noch immer erstaunlich wenig wissen. Nach Angaben der Entwickler von Visible Health werden die Nutzer bald die Möglichkeit haben, ihre Daten mit Forschern des Imperial College London zu teilen.

Visible ist nur eines von vielen Projekten, die Menschen mit Long Covid helfen sollen. Forscher des University College London haben kürzlich eine App namens "Lungy" entwickelt, die Nutzern mit Long Covid, Asthma oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) bei Atemübungen helfen soll. Eine andere App, die von der britischen Northern Care Alliance NHS Group entwickelt wurde, soll Patienten dabei helfen, ihre Fortschritte zu protokollieren, damit die Ärzte ihre Behandlung entsprechend anpassen können.

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass allein in Europa in den ersten beiden Pandemiejahren 2020/2021 insgesamt 17 Millionen Menschen an Long Covid erkrankt sind. Studien besagen, dass etwa zehn bis zwanzig Prozent der mit SARS-CoV-2 infizierten Menschen später Symptome entwickeln, die als Long Covid diagnostiziert werden. Hinter den schieren Zahlen stecken Unmengen an tragischen Schicksalen und Frustration angesichts der medizinischen Unkenntnis über die Krankheit, sagt Mike Clarke. Der 44-jährige Werbetexter für den Medizinbereich lebt in Bristol und ist seit Oktober 2020 an Long Covid erkrankt. Er muss jeden Tag stundenlang liegen, denn schon das Aufstehen belastet sein Herz.

Zwei Jahre lang sagten Clarke die Ärzte, dass alle medizinischen Tests zeigten, dass mit seinem Körper alles in Ordnung sei. Doch schon nach eineinhalbwöchiger Nutzung der App fühlte er sich mehr bestätigt. "Ich hatte ein paar Tage, an denen es mir besonders schlecht ging, und meine Punktzahl [auf der App] war am nächsten Tag dementsprechend niedrig", sagt er. Für ihn bietet die App Visible daher Bestätigung und "kleine hoffnungsvolle Einblicke".

(jle)