Porno on demand: Wie KI in der Pornografie eingesetzt wird

Pornografie nach eigenen Wünschen und auf Bestellung – KI mischt das Genre auf. Aber wie sexy ist die KI-generierte Erwachsenenunterhaltung wirklich?

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 Futuristisch verfremdete Darstellung des Gesichts einer schönen Frau mit blauen Augen, die sich auf die Unterlippe beißt.

(Bild: sakkmesterke/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Theresa Lachner
Inhaltsverzeichnis

"Wenn etwas existiert, gibt es davon Pornografie. Ohne Ausnahmen" – so lautet die "Rule 34" des Internets. Und Pornografie kann noch mehr. "Erotic Technological Impulse" nennt es John Tierney von der Columbia Universität: Pornografie treibt, seiner Forschung zufolge, schon seit der Erfindung des Buchdrucks die technologische Entwicklung voran.

Dabei sind Pornos noch nicht mal eine besonders neue Erfindung. Das Wort Pornografie stammt aus der griechischen Antike und bedeutet übersetzt "von Huren schreiben", und schon aus dieser Zeit finden sich Tonscherben mit Schmuddelbildchen. Technologien wie VHS-Kassetten und Videokameras werden auch dank Pornografie Teil jedes guten Haushalts – Ende der 70er Jahre hatten rund dreiviertel der verkauften Videokassetten pornografische Inhalte. Sie verändern den Markt, die Budgets und die Produktionen zum ersten Mal entscheidend. Im kalifornischen San Fernando Valley etabliert sich eine lebhafte Pornobranche. Und dann kommt das Internet: bereits Mitte der 1990er Jahre hat eine Studie des MIT mit dem schönen Titel "Marketing Pornography on the Information Superhighway" ergeben, dass 80 Prozent aller verbreiteten Bilder sexuelle Inhalte haben.

Und jetzt auch mit KI: Es gibt KI-generierte Pornofilme, KI-Chatbots, die mehr als flirten im Sinn haben, KI wird aber auch von Pornostars genutzt, um sich selbst die Arbeit zu erleichtern. Problematisch kann der Einsatz von KI allerdings auch sein: Deepfakes – also ohne das Einverständnis der abgebildeten Person erstellte künstlich generierte pornografische Inhalte, sind nur eine kurze Googlesuche entfernt. Mehr als 200 verschiedene Nacktbilderfälschungs-Apps, die teilweise damit werben, den Ruf eines Mädchens sofort zu ruinieren oder einfach nur "jeden kostenlos auszuziehen" machen keinen Hehl aus den Gründen, für die sie erstellt wurden – und für und gegen welches Geschlecht. Dank KI sehen die Deepfakes in Blitzschnelle täuschend echt aus.

Deepfakes laufen rechtlich unter "bildbasierter digitaler Gewalt" – und sind nach der Definition von Pornoproduzentin und Darstellerin Paulita Pappel das genaue Gegenteil von Porno. "Wir müssen Pornografie als etwas definieren, was im Einvernehmen produziert und im Einvernehmen vertrieben wird. Alles andere ist einfach keine Pornografie, sondern eine Straftat, die verfolgt werden muss."

Pappel plädiert für Konsens und klare Grenzen – und einen offenen Ethikdiskurs, auch auf Gesetzesebene. Deshalb sei es jetzt schon dringend notwendig, darüber zu sprechen, wie eine Porno-KI aussehen sollte, die Selbstbestimmung und Einvernehmen als Grundsätze hat, und dabei ethisch vertretbar ist. "Für mich gelten dabei dieselben Prinzipien, die die ganze Zeit gegolten haben, nämlich Transparenz, Kommunikation und Fairness – die Menschen sollen eine Beteiligung und Entscheidungsmacht darüber haben, was mit ihren Daten passiert. Wir müssen ein Modell finden, von dem alle Beteiligten profitieren." Und auch Konsumenten sollten wissen, was sie schauen.

Derzeit sind Chatbots die größten Geldmacher der Industrie. Es gibt sie als gänzlich ausgedachte Chatbot-Freundinnen und Freunde, mit denen Menschen das Flirten üben oder tiefer in erotische Gespräche eintauchen können. Pornostars füttern aber auch explizit KI-Modelle mit persönlichen Informationen – vom Namen des ersten Haustiers bis hin zur Körbchengröße – und Fans können mit ihnen kommunizieren. Das erspart der echten Person viel emotionale Arbeit, die von den zahlenden Fans natürlich gewünscht wird. Diese "Virtual Companionship", mit der einige Startups werben, umfassen meist auch einen Bildgenerator, der den Star in bevorzugter Unterwäsche, mit anderer Frisur, und vermutlich auch anderer Körbchengröße zeigt, wenn das vom Fan gewünscht wird. Dazu wird ein Stimmgenerator-Tool eingesetzt, um den Flirt noch realer wirken zu lassen. "Bespoke Porn", also Porno nach Maß, gibt es auf Bestellung.

Aber wie vertragen sich diese künstlich generierten, optisch oft recht geleckten Inhalte mit dem Bedürfnis nach Authentizität im Porno? Noch geben uns viele Bilder ja dieses "Uncanny Valley"-Gefühl – man lehnt zu künstliche Figuren, die zu realistische Abbildungen des Menschen sind, ab. Pappel erklärt: "Wir wollen etwas sehen, das echt ist, gerade weil es im Bereich Porno so viel Zensur gibt. Diese Interaktion mit echten Menschen und echten Paaren, die ihre Sexualität genau so darstellen wie sie ist, ist derzeit total gefragt. Ich glaube auch nicht, dass das weg gehen wird." Gleichzeitig meint sie, würden jetzt viele Menschen sagen: 'Du, das reicht mir! Ich kann mir genau das zusammenbasteln, was ich will und wovon ich weiß, dass es mich in soundsoviel Sekunden zum Höhepunkt bringen wird, und das ist genau das, was ich brauche.'

KI-Pornografie wirft zudem neue Urheberrechtsfragen und Fragen nach dem Recht am eigenen Bild auf. Bevor es das Internet gab, hätten Menschen Pornos gedreht und sich darauf verlassen, dass die eigene Mutter in Iowa diese Videokassette nie in die Hand bekommen würde. Dann gab es das Internet plötzlich, alle möglichen Inhalte wurden ohne Zustimmung der Darstellerinnen hochgeladen, und die Reichweite hat sich vervielfacht – allerdings ohne, dass die Performer dafür noch etwas bekommen hätten. "Jetzt mit KI ist das eine Verhandlungssache. Man müsste die Performer mitnehmen und fragen, ob sie das möchten – und wenn ja, sollen sie natürlich auch davon profitieren", findet Paulita Pappel.

Ein spezielles Label wie "ethisch korrekter Porno" brauche es allerdings nicht, meint die Pornoproduzentin. Und auch das hat zum Teil mit neueren technologischen Möglichkeiten zu tun. Neue Vertriebswege durch Plattformen wie Onlyfans und die Möglichkeit, sich mit dem eigenen Handy zu filmen, haben das Genre eben auch niederschwelliger gemacht.

"Wenn wir über die Pornoindustrie reden, reden wir nicht mehr wie vor 50 Jahren über ältere Herren in schäbigen Studios, sondern von Menschen, die selbstbestimmt ihre Inhalte produzieren, lizenzieren und verkaufen. Wir schreiben das Jahr 2024 und die meiste Pornografie, die produziert wird, sind Produkte von Menschen, die sich selbst aufnehmen, meistens mit dem eigenen Handy, im eigenen Zimmer und mit dem eigenen Partner oder der eigenen Partnerin." Ethikfragen sollten sich ihrer Meinung nach lieber die Konsumentinnen und Konsumenten stellen. Auch hier haben wir in den letzten Jahren in anderen Medienbereichen schon eine Veränderung im Konsumverhalten gesehen: Wer früher Inhalte auf illegalen Peer-to-Peer-Seiten heruntergeladen hat, hat heute diverse Abos für Streamingdienste.

Ganz abschaffen wird uns die KI zumindest in Sachen Porno nicht, ist sich Paulita Pappel sicher: "Vielleicht wird es eben so eine Art Gütesiegel ‘Nicht KI produziert/ Mit echten Menschen‘ geben, das dann eine Art Genre wird, das vielleicht auch teurer ist, das es aber immer weiterhin geben wird, weil der Faktor Human Connection für viele Menschen wichtig ist und auch wichtig bleibt."

(emw)