Post aus Japan: Bruchsicheres Nippon

Derzeit macht ein selbstheilendes Glas aus Japan in den Medien Furore. Aber das ist nicht das einzige Beispiel für die innovative Glasindustrie des Landes.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling

Manche Forschungsergebnisse finden leicht Eingang ins öffentliche Bewusstsein: Derzeit macht ein selbstheilendes "Glas" aus Japan mediale Weltkarriere. Kein Wunder, können wir Journalisten doch an eine Allerwelterfahrung von Smartphonebürgern anknüpfen, das vermeintliche Ende zersplitterter Handybildschirme.

Natürlich ist die Sache in der Realität bei weitem nicht so einfach. Es handelt sich nämlich nicht um ein hartes Deckglas für Smartphones, das auch mal mit einem Schlüssel in der Hosentasche gemeinsam mitgetragen werden kann, ohne gleich zu zerkratzen. Die Forscher der Universität Tokio haben vielmehr ein relativ hartes Polymer aus Polyether Thiourea.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Das Material weist dabei zwei Besonderheiten auf: Erstens ist es im Gegensatz zu anderen selbstheilenden Materialien hart und recht strapazierfähig, zweitens muss es nicht hoch erhitzt werden wie andere Materialien, um sich wieder zu verbinden. 30 Sekunden andauernder Fingerdruck bei Raumtemperatur reichen schon aus, Scherben zu kitten. Nach ein paar Stunden ist das Material wieder so stabil wie zuvor.

Dass die Medien mal wieder das unkaputtbare Handydisplay als Aufhänger strapazierten, ist naheliegend. Doch auch andere Anwendungen sind denkbar, zum Beispiel selbstheilende "Glasknochen" oder Becher. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, wenn die Forscher ihre Idee erst einmal zur Marktreife entwickelt haben.

Dabei ist das "Glas" wie so viele Innovationen ein Abfallprodukt der Forschung. Der Wissenschaftler Yu Yanagisawa forschte gerade an Klebern, als er über dieses Material stolperte. Das Team ging dem Befund dann auf den Grund und dann Mitte dieses Monats im Science Magazin an die Öffentlichkeit. "Ich hoffe, dass das reparierfähige Glas zu einem neuen umweltfreundlichen Material wird, dass nicht weggeworfen werden muss, wenn es mal bricht", erzählte Yanagisawa dem japanischen Fernsehsender NHK.

Kein Zufall allerdings ist, das dieses Glas in Japan entwickelt wurde. Japans Materialforschung ist weltweit führend. Und dies gilt auch in der Glasindustrie. Denn Deckgläser sind ein wichtiges Bauteil von TV-, Computer- und Handydisplays. Und in all diesen Bereichen waren japanische Firmen einst führend und spielen heute noch mit.

So kommt auch der Erzrivale vom Gorilla Glas des amerikanischen Herstellers Corning aus Japan. Asahi Glass wetteifert seit Jahren mit seinem Dragontrail um die Gunst der Smartphonehersteller. Inzwischen dreht der Keramikspezialist seinen Vertrieb aggressiv nach Indien aus, um dort vom bevorstehenden Boom von Smartphones aus indischer Produktion zu profitieren. Doch auch glasfremde Konzerne sind innovativ in dieser Industrie unterwegs.

Der Elektronikkonzern Panasonic stellte jüngst eine nur sechs Millimeter dicke Doppelverglasung vor, die laut dem Hersteller genauso gut wie europäische Dreifachverglasung isoliert.

Dieses Glas ist ein Architektentraum, da es sich wegen des geringen Gewichts sich auch gut für Hochhäuser eignet. Die Idee dazu leiteten die Ingenieure aus den Abdeckungen für Plasma-Bildschirme ab. Ich finde, es ist ein beruhigendes Gefühl, dass selbst bei einem Jahrtausende alten Produkt wie Glas die Forschung immer neuer Durchbrüche erzielt.

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