Rieju Aventura 500 – das 1000-km-Motorrad

Die Rieju Aventura 500 besitzt zwei 20-Liter-Tanks, ihr 500er-Zweizylinder verbraucht laut Hersteller 2,9 Liter auf 100 km. Das macht über 1000 km Reichweite.

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Rieju Aventura 500

(Bild: Rieju)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Für Reisende ist die Reichweite ihres Fahrzeugs immer ein wichtiges Thema. Deshalb achtet die Tourenfahrer-Fraktion vor dem Kauf immer penibel auf die Größe des Tanks, die Verbrauchsangaben und die daraus resultierende Reichweite des Modells. Wenn die nächste tankstellenlose Wüstenetappe oder Gebirgsüberquerung länger ist als es die Reichweite hergibt, muss man einen Umweg planen oder umkehren. 400 km Reichweite freut den Tourer, bei 500 km jubelt er, aber wie reagiert er wohl erst bei über 1000 km? Das klang bisher in der Motorradsparte nach Science-Fiction, doch jetzt bietet Rieju in Gestalt der Aventura 500 tatsächlich eine Reiseenduro, die angeblich eine vierstellige Kilometerzahl ohne Nachtanken schafft.

Rieju ist in Deutschland nicht sonderlich gut bekannt, dabei baut die spanische Marke schon seit 1942 Motorräder. Sie produziert hauptsächlich 125er und 50er, das größte Motorrad ist eine 300er-Zweitakt-Sportenduro, aber zur EICMA 2022 präsentierte Rieju überraschend die Aventura 500. Es dauerte dann doch noch über ein Jahr, bis sie auf den Markt kam. Sie ist eine optisch gelungene Reiseenduro im Rallye-Stil und sieht ein bisschen nach Honda Africa Twin aus. Eine hohe Verkleidung und ein steil aufragender Windschild schützen den Fahrer vor Wind und Wetter, auch an geschlossene Handprotektoren wurde gedacht. Das Design der beiden schräg stehenden Scheinwerfer im "Böser-Blick-Stil" ist nicht mehr originell, kommt aber immer noch gut an.

Rieju Aventura 500 (8 Bilder)

Die Rieju Aventura 500 klotzt mit einer gigantischen Reichweite von über 1000 km, dank zweier Tanks.
(Bild: Rieju )

Angetrieben wird die Aventura 500 von einem Reihenzweizylindermotor mit 485 cm3 Hubraum. Er stammt vom chinesischen Hersteller Loncin, bei dem auch BMW seine Motoren der F-Modelle bauen lässt. Er verfügt über Flüssigkeitskühlung, vier Ventile pro Zylinder, zwei obenliegende Nockenwellen und liefert 48 PS bei 8500/min, darf also mit dem A2-Führerschein gefahren werden.

Im Aufbau ähnelt er stark dem Motor der Honda CB 500, allerdings weicht er im Hub mit 68,8 Millimeter um plus zwei Millimeter von dem japanischen Vorbild ab, während die Bohrung von 67,0 Millimeter identisch ist. Die Aventura 500 soll mit diesem Antrieb immerhin 165 km/h erreichen.

Eine 43 Millimeter dicke und in Zug- wie Druckstufe einstellbare Upside-down-Gabel führt das vordere Drahtspeichenrad, das mit 21 Zoll die Ansprüche der Geländefahrer erfüllt. Laut Rieju verfügt die Gabel über ordentliche 190 mm Federweg, genauso viel weist auch das voll einstellbare hintere Federbein auf. Ihre Doppelarmschwinge besteht aus Aluminium. Bestückt sind die Räder mit grob profilierten, schlauchlosen Reifen der Dimension 90/90-21 und 150/70-18.

Die Enduro wird von Sturzbügeln geschützt, die Krümmer und der Kühler besitzen einen Aluminium-Protektor. Ihr Auspuff ragt steil nach oben, um Bodenkontakt möglichst zu vermeiden. Der Hersteller meint es mit der Offroad-Tauglichkeit seiner Reiseenduro offensichtlich ernst. Der Rahmen besteht aus Stahlprofilen und der Heckrahmen – ebenfalls aus Stahl – ist angeschraubt, sodass er im Falle eines Sturzes kostengünstig repariert bzw. getauscht werden kann. Als eine der wenigen Enduros heutzutage hat die Aventura 500 serienmäßig einen Hauptständer, zusätzlich zum Seitenständer.

Bei der Fahrwerksgeometrie seiner Enduro geht Rieju eher in Richtung Handlichkeit, der Radstand beträgt 1440 Millimeter, der Lenkkopfwinkel 64,3 Grad und der Nachlauf 109 Millimeter. Dabei weist die Sitzhöhe der Aventura 500 laut Hersteller 840 Millimeter auf, was für Enduro-Verhältnisse als gemäßigt gelten darf. Dazu trägt die deutliche Mulde in der Fahrersitzbank bei, während der flache Soziussitz eine Stufe höher angesiedelt ist. In den gezackten Fußrasten befinden sich vibrationsdämpfende Gummieinlagen, die sich rasch abnehmen lassen, um den Cross-Stiefeln des Fahrers besseren Halt zu bieten.

Rieju Aventura 500 (7 Bilder)

Sturzbügel, Handprotektoren, Motor- und Kühlerschutz hat die Aventura 500 serienmäßig. Sogar der Gepäckträger und der Hauptständer sind schon ab Werk montiert.
(Bild: Rieju )

Die Verzögerung übernehmen am Vorderrad zwei Doppelkolben-Bremszangen mit 298 Millimeter großen, schwimmend gelagerten Bremsscheiben, hinten unterstützt eine Einkolben-Bremszange mit 240-Millimeter-Bremsscheibe. Die Aventura 500 wird rundum mit LEDs illuminiert und leuchtet damit auch die Fahrbahn aus. Im Cockpit befindet sich ein großes 7-Zoll-TFT-Display, das per Bluetooth mit dem Smartphone kompatibel und sogar in der Lage ist, die Navigation im Vollformat zu zeigen. Über ABS muss sie verfügen, zum Glück ist es für den Geländeeinsatz abschaltbar.

Rieju gibt für die Aventura[  500 ein Trockengewicht von 190 kg (inklusive der serienmäßigen Sturzbügel, Motorschutz, Hauptständer und Gepäckträger) an, das Leergewicht hingegen mit 244 kg. Der erhebliche Unterschied zwischen den beiden Angaben erklärt sich zumindest teilweise aus den 40 Liter Tankvolumen. Die Enduro verfügt über zwei 20-Liter-Tanks, einer befindet sich konventionell vorn zwischen dem breiten Aluminium-Lenker und der Sitzbank, der andere liegt unter der Sitzbank. Wenn noch Öl und sämtliche Betriebsflüssigkeiten hinzuaddiert werden, dürfte die 500er eigentlich immer noch nicht das stattliche Leergewicht erreichen, aber wir lassen das mal so stehen.

Der Hersteller proklamiert einen Verbrauch von nur 2,9 Liter auf 100 km – was in Anbetracht des Gewichts und der hochragenden Verkleidung etwas optimistisch erscheint – und käme so auf eine Reichweite von 1379 km, was etwa der Strecke von Köln nach Barcelona entspräche. Das wäre absoluter Rekord im Serienmotorradbau.

Die gute Nachricht: Die Aventura 500 ist auch in Deutschland erhältlich, allerdings zeigt sich das Rieju-Händlernetz etwas spärlich, nur 16 Händler sind über das Bundesgebiet verstreut. Es gibt die Aventura 500 in einer roten oder grau-grünen Lackierung, die sich "Legend 1942" nennt, und beide kosten 8399 Euro Listenpreis. Das klingt jetzt erst einmal nicht billig für eine 500er mit 48 PS, denn eine Benelli TRK 502 – ebenfalls eine Reiseenduro mit sehr ähnlichem Motor – gibt es schon für 5999 Euro. Aber die Rieju verfügt über ein voll einstellbares Fahrwerk, gute Ausstattung und bessere Geländetauglichkeit. Damit und natürlich ihren unschlagbaren 1000 km Reichweite rückt die Aventura 500 in die nähere Auswahl von Reiselustigen, die keinen fünfstelligen Betrag für ihre nächste Reiseenduro ausgeben wollen.

Hersteller Rieju
Modell Aventura 500
Motor und Antrieb
Motorart Otto
Zylinder zwei
Ventile pro Zylinder vier
Hubraum in ccm 485
Bohrung x Hub 67,0 x 68,8
Leistung in kW (PS) 35 (48)
Bei/min 8500
Drehmoment in Nm 45
Bei/min k.A.
Antrieb Dichtringkette
Getriebe Sequenzielles Schaltgetriebe
Gänge 6
Fahrwerk
Rahmen Stahlrohr-Brückenrahmen
Radaufhängung vorn Upside-Down-Telegabel
Radaufhängung hinten Zweiarmschwinge mit Feder-Dämpferbein
Reifen vorn 90/90-21
Reifen hinten 150/70-18
Bremsen vorn Doppelscheibe, 298 mm, Vierkolben-Festsättel
Bremsen hinten Einzelscheibe, 240 mm
Maße und Gewichte
Radstand in mm 1440
Lenkkopfwinkel in Grad 64,4
Nachlauf in mm 109
Federweg in mm v/h 190 / 190
Gewicht leer in kg 244
Tankinhalt in Litern 40
Sitzhöhe in mm 840

(fpi)