Röntgenblick aufs Taxinetz

Forscher von Microsoft Research haben mit Hilfe von GPS-Ortsdaten die Fahrten von 30.000 Pekinger Taxen analysiert, um Mittel gegen den täglichen Dauerstau in der chinesischen Hauptstadt zu finden.

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Von
  • Erica Naone

Forscher von Microsoft Research haben mit Hilfe von GPS-Ortsdaten die Fahrten von 30.000 Pekinger Taxen analysiert, um Mittel gegen den täglichen Dauerstau in der chinesischen Hauptstadt zu finden.

Peking ist berühmt für seine Verkehrsstaus. Auf den Straßen ist neun Stunden am Tag Rush Hour, und böse Zungen bezeichnen die chinesische Hauptstadt als „virtuellen Parkplatz“, weil die Autos die meiste Zeit stehen. Wie in vielen Metropolen versuchen Verkehrsplaner, des Chaos’ Herr zu werden, indem sie Entlastungsstraßen bauen, den Nahverkehr verbessern oder die Straßenverkehrsordnung rigoroser durchsetzen. Die Lösung könnte aber woanders liegen: in der Beobachtung von Taxis.

Über zwei Jahre haben Forscher von Microsoft Research Asia die GPS-Ortsdaten von über 30.000 der 67.000 offiziellen Pekinger Taxen ausgewertet. Dabei ging es ihnen aber nicht nur darum, berüchtigte Nadelöhre im Verkehrsfluss zu identifizieren. „Verstopfte Straßenabschnitte sind nur ein Symptom, nicht das Problem selbst“, betont Yu Zheng, der das Projekt leitete. „Wir wollen die tatsächliche Ursache finden.“ 1,44 Millionen Touren absolvieren die Taxifahrer in Peking täglich, das sind 4,2 Prozent aller Fahrten im Stadtgebiet.

Ausgangspunkt des Projekts war, zunächst Informationen über die Taxifahrten zu sammeln: Wo steigen die Fahrgäste ein, wo steigen sie aus, welche Route wählen die Fahrer, wie hoch ist die Durchschnittsgeschwindigkeit einer Tour? Die Microsoft-Forscher unterteilten Peking außerdem in verschiedene Zonen, um „Übergänge“ zwischen zwei Zonen festzuhalten. Anhand all der Daten analysierten sie dann, welche Zonen besonders schlecht miteinander verbunden sind.

Tatsächlich seien es gar nicht immer die verkehrsreichsten Zonen, die sich als Problem entpuppten, sagt Zheng. Mitunter fehlten auch Verbindungen, wenn eine Fahrt von Zone 1 nach Zone 3 immer über Zone 2 führe. Anstatt eine Stadtautobahn in Zone 2 auszubauen, wäre es dann besser, die Zonen 1 und 3 direkt miteinander zu verbinden.

Und wählt ein Taxifahrer statt einer direkten Route einen Umweg, ist auch dies ein Teil des Problems. Denn offenbar weiß der Fahrer bereits, wo Verstopfungen zu erwarten sind. Das Auswertungsprogramm zeige zudem an, wenn das Verkehrsnetz eine bestimmte Anzahl an Fahrgästen nicht mehr bewältigen könne, sagt Zheng.

Mit seinem Team analysierte er auch, wie sich die Berechnungen veränderten, während sich im Untersuchungszeitraum – 2009 und 2010 – das Verkehrsnetz in Peking weiterentwickelte. Hatten Verkehrsplaner zwischen verschiedenen Zonen, die das Programm als problematisch identifiziert hatte, neue Verbindungen geschaffen, entspannte sich in der Regel auch die Staubelastung.

Laut Zheng lasse sich das Programm ohne weiteres auf jede Großstadt mit einer ausreichenden Zahl von Taxis übertragen. Peking liegt mit seiner Taxiflotte weltweit auf Platz 4, hinter Mexiko-Stadt, Bangkok und Seoul.

„Ich halte das für einen interessanten Ansatz, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob nicht doch Geldmangel das eigentliche Problem in der Stadtplanung ist“, sagt Sam Madden, Informatiker am Artificial Intelligence Lab des MIT. Madden forscht an drahtlosen Sensornetzwerken.

Die schiere Datenmenge, die die Microsoft-Forscher über nahezu jede Straße in Peking angehäuft haben, findet Madden beachtlich. Noch vor wenigen Jahren wäre es sehr mühsam gewesen, so viele Daten über die Verhältnisse auf den Straßen zu sammeln. Madden hat selbst mit GPS-Sensoren an Taxen experimentiert. Sein Budget und organisatorische Schwierigkeiten hätten aber nur dazu ausgereicht, 20, 30 Taxen auszustatten, nicht Tausende.

Konferenzpaper:
Yu Zheng et al.: „Urban Computing with Taxicabs“, UbiComp ’11, 17. – 21.9.2011 (nbo)