SARS-CoV-2 Omikron BA.2: Ist die Variante der Variante eine neue Bedrohung?

Studien zeigen, dass die gerade neu aufkommende BA.2-Version von Omikron infektiöser ist als die grassierende BA.1. Die meisten Fragen sind jedoch noch offen.

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(Bild: creativeneko / Shutterstock.com)

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Omikron ist die COVID-19-Überaschungstüte: Bislang ist noch nicht einmal klar, wie die Variante tatsächlich entstanden ist, schon überlagern sich ihre einzelnen Unterversionen in der aktuellen Infektionswelle.

Die Omikron-Mutationen sind so zahlreich und teilweise ungewöhnlich, dass die Forschungsgemeinschaft nur Theorien austauscht, aber noch keine Belege für ihre Entstehung gefunden hat. Über 50 Mutationen unterscheiden sie von der Wildtypvariante des SARS-CoV-2 Virus, ursprünglich entdeckt in Wuhan. Ebenfalls besonders ist, dass nicht nur eine Omikron-Variante existiert, sondern etwa zeitgleich drei Versionen des Virus entstanden sind: BA.1, BA.2 und BA.3. BA.1 ist verantwortlich für die derzeit in Deutschland rollende Welle und BA.2 schiebt sich gerade ins das europäische Infektionsgeschehen.

Dass Omikron sich fester an den Hauptrezeptor für das Spike-Protein auf unseren Zellen setzt, macht diese Variante grundsätzlich infektiöser als die vorherigen. Auch passen die neutralisierenden Antikörper, die das Virus direkt abfangen können, nicht so gut zur Oberflächenstruktur von Omikron wie zum Wildtyp, Alpha und Delta. Und die neue Variante scheint auch einen anderen Mechanismus zu nutzen, um unsere Zelle zu betreten: Es durchdringt nicht direkt die Zellmembran, sondern lässt sich erst von einer Lipidblase einschließen und in die Zelle hinein transportieren. Die Frage, die sich nun stellt: Unterscheiden sich die kursierende BA.1-Version und die gerade auflaufende BA.2-Version so stark voneinander, dass sie wie zwei voneinander unabhängige Varianten auf das Infektionsgeschehen wirken?

Besonders in Dänemark ist die Entwicklung von BA.2 gut beobachtet worden. Dort hat BA.2 schnell das Infektionsgeschehen von BA.1 übernommen. In einer gemeinsamen Studie der Uni Kopenhagen, des dänischen Gesundheitsministeriums und des Statens Serum Institutes haben Forschende 8.541 Haushalte auf das Verhalten der beiden Omikron-Versionen untersucht. Sie fanden heraus, dass ungeimpfte Menschen, wenn sie mit BA.2 statt mit BA.1 infiziert waren, alle anderen im Haushalt leichter angesteckt haben – egal ob die Haushaltsmitglieder ungeimpft, geimpft oder geboostert waren.

Hatten sich jedoch Geimpfte und Geboosterte in einem Haushalt zuerst infiziert, gaben sie diese Infektion kaum weiter – egal, ob sie sich mit BA.1 oder BA.2 infiziert hatten. Die dänischen Forscherinnen und Forscher schließen daraus, dass Omikron BA.2 wesentlich übertragbarer ist als BA.1. Aber diese Effekte puffert eine Impfung ab, denn Menschen mit Durchbruchinfektionen geben BA.1 und auch BA.2 kaum weiter, auch wenn die Schutzwirkung der Impfung insgesamt bei Omikron herabgesetzt ist.

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Um eine Zahl zu nennen: Die dänischen Behörden schätzen, dass BA.2 möglicherweise 1,5-mal leichter übertragbar ist als BA.1 und auch die britische Gesundheitsbehörde UKHAS hat ähnliche Beobachtungen gemacht. In Großbritannien zeigt die BA.2-Variante größere Zuwachsraten als BA.1 sowie eine größere Infektiosität – aber keinen Unterschied in der Wirksamkeit der Impfstoffe. Darin liegt auch der Grund für Dänemarks entspannten Umgang mit der Omikron-Welle. Das Land hat kürzlich das gesellschaftliche Leben wieder vollständig geöffnet, denn die dänische Bevölkerung ist zu über 80 Prozent geimpft und unterbricht damit effektiv die Infektionskette.

Um die Auswirkungen vom BA.2 bei uns zu beurteilen, ist es noch zu früh. Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass eine Infektion mit BA.2 schwerer verläuft als mit BA.1. Auch über die Befürchtung, dass die Unterschiede zwischen BA.1 und BA.2 so groß sind, dass sich Menschen nach einer Infektion mit der einen Version auch noch mit der anderen anstecken können, kann bisher keine belastbare Aussage getroffen werden. Ebenso in die Spekulationszone gehört die Vermutung, dass eine Überlagerung von BA.1 mit BA.2 zu einer länger andauernden Welle führt. Die Idee dahinter: Wenn BA.2 ansteckender ist als BA.1, erreicht das Virus mehr Menschen. Aber auch eine umgedrehte Argumentation wäre möglich: Wenn BA.2 die Kontrolle übernimmt, ist der Spuk schneller vorbei – allerdings nur, wenn das Immunsystem der einmal Infizierten sie vor dem jeweils anderen Omikron-Strang schützt. Sonst entsteht eine Welle in der Welle.

Eine belastbare Einschätzung der Situation ist ohnehin nur mit einer guten Überwachung möglich und dort liegt das Hauptproblem: Die PCR-Testsysteme erkennen nicht alle zuverlässig die verschiedenen Omikron-Versionen. Einige weisen BA.2 nicht als Omikron aus, sondern lediglich als SARS-CoV-2. Aber auch wenn die PCR-Test-Kits Omikron erkennen, ist das noch keine Unterscheidung zwischen BA.1 und BA.2. Dafür muss das Virusgenom sequenziert werden. Das kostet Zeit und wird längst nicht bei jeder Stichprobe gemacht.

Ist das Auftauchen von BA.2 in der Omikron-Welle also eine neue Bedrohung? Das ist bislang nicht absehbar – was BA.2 jedoch den Schrecken nehmen kann, ist eine vollständige Impfung. Auch wenn Omikron mit seinen unterschiedlichen Spielarten leichter den Impfschutz durchbricht – die Impfung bewahrt Infizierte nach wie vor vor dem Krankenhaus und dem Tod.

(jsc)