Spezieller Satellit für Methan soll Lecks und große Quellen entdecken

Umweltorganisation baut Satellit "MethaneSAT" zur Methanmessung, der auch kleinste Lecks aufspürt. Die Daten sollen öffentlich einsehbar sein.

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Gaspipeline

Rund um den Globus soll der Satellit kontinuierlich sowohl große Freisetzungen etwa über Öl- und Gasfeldern erfassen, aber auch sehr kleine Emissionen, beispielsweise aus Pipelinelecks.

(Bild: INSAGO / Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
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Methan ist für etwa 30 Prozent des globalen Temperaturanstiegs seit der industriellen Revolution verantwortlich, heißt es im "Global Methane Tracker 2023" der Internationalen Energieagentur (IEA). Doch noch immer ist nicht umfassend klar, wo das hochwirksame Treibhausgas wirklich ausströmt und wie es die Klimaerwärmung beeinflusst. Immerhin trägt es über einen Zeitraum von 20 Jahren 84 Mal stärker zur Klimaerwärmung bei als CO2. Die Methankonzentration in der Atmosphäre zu begrenzen, ist also genauso wichtig, wie den Kohlenstoffdioxidausstoß zu beenden. Der Methan-Tracker der IEA beruht zwar auf aktuellen Daten von Satelliten und bodengestützten Messungen, aber die sind nach wie vor lückenhaft.

Das soll jetzt ein neuer Satellit namens MethaneSAT ändern, der Ende dieses Jahres starten soll und ab dem Frühjahr 2024 weltweit Methanemissionen und -lecks mit bisher ungekannter Präzision aufspüren und messen kann.

Das Besondere: Hinter seiner Entwicklung steht kein staatlicher Auftrag und kein kommerzielles Unternehmen. Vielmehr entstand der 90 Millionen US-Dollar teure Satellit als umfangreiches Kooperationsprojekt der gemeinnützigen Umweltorganisation "Environmental Defense Fund" (EDF) mit Wissenschaftlern, Umweltaktivisten und der privaten Raumfahrtindustrie, finanziert von Philanthropen und seinen drei Millionen Mitgliedern und Aktivisten auf der ganzen Welt. Auch die neuseeländische Regierung unterstützt das Projekt.

Wenn MethaneSAT im kommenden Jahr genaue Methanmessungen liefert, wäre das nicht nur ein profunder wissenschaftlicher Beitrag. Weil nämlich eine Umweltorganisation dahintersteht, kann sie, anders als staatliche Organisationen, auch öffentlich die Verursacher von Methanemissionen beim Namen nennen.

Zwar umrunden schon eine ganze Reihe von Satelliten die Erde, die ebenfalls Methankonzentrationen messen, doch deren Systeme können Daten entweder nur global oder nur von bekannten Standorten erfassen.

Erstere erkennen keine Emissionen aus den zahllosen kleinen Quellen und Lecks, die für einen Großteil der Gesamtemissionen verantwortlich gemacht werden. Dazu gehört etwa das TROPOMI-Messinstrument des Copernicus-Sentinel-5-Precursor-Satelliten der Europäischen Weltraumbehörde (ESA).

Letztere erfassen nur begrenzte Gebiete, etwa im Umkreis von Öl- und Gasfördergebieten oder großen Industrieanlagen. Deren Service nutzen und bezahlen Unternehmen, um ihre Methanemissionen zu dokumentieren. Hierzu gehört der Satellit des kanadischen Unternehmen GHGSat.

Die Idee für MethaneSAT wurde erstmals von Fred Krupp, dem Präsidenten des Environmental Defense Fund, in einem TED-Talk im April 2018 vorgestellt, womit er damals für eine Anschubfinanzierung warb.

Heute sind die treibenden Köpfe hinter dem Projekt der Atmosphären und Umweltforscher Steven Wofsy vom Fachbereich für Erd- und Planetenwissenschaften der Harvard-Universität, und der EDF-Chefwissenschaftler Steven Hamburg, einst Umweltwissenschaftler an der Universität von Kansas und IPCC-Leitautor.

Die beiden erklärten, dass ihr Engagement zum Teil aus Frustration über die jahrelange Untätigkeit der US-Regierung in Sachen Klima entstand, aber auch aus der zunehmenden Erkenntnis, dass die Eindämmung der Methanemissionen kurzfristig erhebliche Auswirkungen auf den Klimawandel haben kann. Sie sind davon überzeugt, dass eine schnelle Senkung der Methankonzentration die Erderwärmung kurzfristig verlangsamen kann, während die Welt auf kohlenstoffarme Energiequellen als langfristige Lösung umsteigt.

Das Herzstück von MethaneSAT sind zwei extrem empfindliche Spektrometer, die in zwei schmalen Bereichen des kurzwelligen Infrarotspektrums messen, in denen Methan und Sauerstoff das Licht absorbieren. Die geografische Auflösung liegt bei etwa einem Quadratkilometer. Rund um den Globus soll der Satellit kontinuierlich sowohl große Freisetzungen etwa über Öl- und Gasfeldern erfassen, aber auch geringe Emissionen, beispielsweise aus Pipelinelecks. Auch intermittierende Quellen, wie aus der Landwirtschaft, kann er detektieren und quantifizieren. Künstliche Intelligenz, deren Lerndaten aus Flugzeugmessungen und von anderen Satelliten stammen, verarbeitet die Rohdaten innerhalb weniger Tage, sodass sie zügig als Konzentrationskarten veröffentlicht werden können.

Gebaut und getestet wird der Satellit von Ball Aerospace in Boulder, Kalifornien, und Blue Canyon Technologies in Lafayette, Colorado. Eine SpaceX-Falcon-9-Rakete wird sie in die Umlaufbahn bringen. Das Kontrollzentrum baut das Unternehmen Rocket Labs in Auckland, Neuseeland.

Mehr rund um den Klimawandel

Die menschlichen Methanquellen zu schließen, ist unverzichtbar. Aber um den wirklichen Erwärmungseffekt von Methan abzuschätzen, sind noch Korrekturen an den Klimamodellen nötig. Denn das Treibhausgas hat zwei Gesichter. Einerseits heizt es die Erdatmosphäre auf, andererseits absorbiert es die Sonnenstrahlung hoch in der Atmosphäre, was die wärmende Wirkung um 30 Prozent schmälern könnte, wie ein Forschungsteam um Robert J. Allen von der Universität von Kalifornien berechnete.

Methan absorbiert die langwellige Strahlung, die von der Erdoberfläche zurückgestrahlt wird. Doch gleichzeitig auch einen Teil der von der Sonne eintreffenden kurzwelligen Strahlung, was eigentlich den Erwärmungseffekts vergrößern müsste. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein.

Wenn das Methan nämlich die kurzwellige Sonnenstrahlung in der oberen Troposphäre, oberhalb von drei Kilometern, auffängt, gelangt weniger davon in die untere Troposphäre und gleichzeitig verschwinden die Wolken dort oben. Unten dagegen entstehen mehr Wolken. Diese dickeren Wolken in der unteren Troposphäre reflektieren wiederum mehr kurzwellige Sonnenstrahlung zurück in den Weltraum, weniger Sonnenstrahlung erreicht also die Erdoberfläche und wird in langwellige Rückstrahlung umgewandelt. Gleichzeitig entweicht durch die fehlenden hohen Wolken mehr langwellige Wärmestrahlung in ins All. Das Ergebnis: Die Wärmewirkung des Methans reduziert sich.

Es gibt also noch viel zu messen, zu berechnen und zu erforschen.

(jle)