Schelm, wer Böses denkt

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Von
  • André von Raison

Caldera? Das war doch die Company, die 1995 mit dem ”Network Desktop“ den professionellen Linux-Arbeitsplatz etablieren wollte. Mein Gott, mit welchen Versprechungen wollten sie damals den aufkeimenden professionellen Linux-Markt an sich ziehen: Solutions CD, Word Perfect für Linux, sogar eine ganze Office Suite mit Looking Glass Desktop, Corel Draw und Nexs-Spreadsheet. Und die Windows-Emulation Wabi für den Rest der Microsoft-basierten Software.

Interessanterweise vermarktete man in Utah all diese Bonbons nur für eine kurze Zeit mit enormem Aufwand, um sie dann schnell wieder in der Versenkung verschwinden zu lassen. Die Innovatoren und die ”Early Adopters“, die Pioniere des frühen Marktes im Lebenszyklus eines jeden Produktes, wurden damit erst eingefangen und dann systematisch frustriert. Merkwürdiges Konzept.

Zufall oder Dummheit? Man hätte schon misstrauisch werden können, wenn sich ein Unternehmen einen monumentalen Krater zum namensgebenden Sinnbild wählt - steht der doch eigentlich für katastrophale Zerstörung.

Jedenfalls flossen im Jahr 2000 rund 275 Millionen US-Dollar von Microsoft an Caldera. Offiziell als Ergebnis eines außergerichtlichen Vergleichs in einem konstruierten Streitfall um das alte DR-DOS. Doch böse Zungen sahen darin die wohlverdiente Entlohnung für erfolgreiche Maulwurfsarbeit. Dass Caldera dieses Kapital im Wesentlichen nutzte, um nach dem eigenen Börsengang SCO zu kaufen, ein Unternehmen, an dem Microsoft bereits 1995 mit circa zehn Prozent beteiligt war, gibt solchen Gerüchten neue Nahrung. Nachdem sich SCO, warum auch immer, in den 90er- Jahren große Mühe gegeben hatte, Unix vom Desktop fern zu halten, konnte Caldera jetzt daran gehen, auch den PC-Unix-Servermarkt gehörig zu verunsichern und die letzten unentschlossenen SCO-Anwender in die Redmonder Arme zu treiben.

Vor diesem Hintergrund ist es dann gar nicht mehr so verblüffend, dass 2003 Caldera alias The SCO Group wegen Verletzung von Urheberrechten an Unix Klage gegen IBM erhebt. Da sollen bei der Zusammenarbeit von IBM mit der Linux Community ”Intellectual Property Rights“ von SCO verletzt worden sein. Was auf den ersten Blick aussieht wie der eher hilflose Versuch, mangelnde Fortune beim Kunden mit juristischen Taschenspielertricks zu kompensieren, könnte sich als Bumerang entpuppen: Caldera hatte eine eigene Linux-Distribution und arbeitete aktiv am letztes Jahr freigegebenen United Linux mit. Dabei gab es sicher Gelegenheit, selbst urheberrechtlich geschützte Informationen in Linux einzubringen.

Ob Caldera respektive The SCO Group nun Elefant im Porzellanladen oder schlauer Fuchs mit finsteren Absichten ist - IBM steht jedenfalls als strahlender Saubermann der Linux-Community da. (avr)