Traumpaar mit Vergangenheit

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jürgen Seeger

Novell und Suse, seit Anfang November unter einem Dach (siehe Seite 23), haben zwei Dinge gemeinsam: Beide sehen ihre Zukunft eng verbunden mit Open Source, beide schreiben rote Zahlen. Davon abgesehen, haben sich in der neuesten großen IT-Ehe zwei sehr unterschiedliche Partner gefunden.

Die durch Netware groß und reich gewordene Firma aus Utah machte 2002 mit 5700 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,13 Milliarden US-Dollar. Tendenz: fallend. Produktportfolio: erklärungsbedürftig. Demgegenüber wirken die Eckdaten der Nürnberger unscheinbar. Rund 40 Millionen Euro erwirtschafteten die 380 Mitarbeiter letztes Jahr. Tendenz: steigend. Produktstrategie: evident.

Allein auf Grund der Größenunterschiede ist die Bezeichnung „Merger“, die der Suse-Vorstandsvorsitzende Richard Seibt gern verwendet, um den unschönen Begriff „Übernahme“ zu vermeiden, wohl nicht ganz angemessen. Aber das ist letztendlich egal. Immerhin bringt Suse wieder einen Hauch von Zukunft nach Utah, konkreter ausgedrückt: realistische Wachstumshoffnungen auf Basis einer „runden“ Produktlinie.

Die Mitgift von Novell ist die typische eines sehr viel älteren Partners: ein gut gefülltes Bankkonto, dazu ein weltweiter Vertriebs-, Support-, und Schulungsapparat sowie eine Entwicklungsmannschaft, die allein dreimal so groß ist wie die komplette Suse-Belegschaft.

Das könnte Suse-Linux - und damit Linux überhaupt - einen Schub geben, der in seinen Auswirkungen die des IBM-Engagements für das freie Betriebssystem noch übertrifft.

So weit, so gut. Wenn da nicht die unglückselige Vergangenheit wäre. Denn Novell war schon einmal mit Unix, der Mutter von Linux, verheiratet. Zur Jahreswende 1992/1993 übernahm man die Rechte an den Unix-Quellen von AT&T und brachte innerhalb eines Jahres Unixware auf den Markt, platziert gegen das geplante Windows NT. Diese Ehe hielt nicht einmal drei Jahre. Dann ging das komplette Unix-Geschäft an SCO, für 70 Millionen Dollar. An AT&T hatte man 360 Millionen Dollar bezahlt - Scheidungen sind teuer.

Als Grund für das gescheiterte Unix-Engagement wird allgemein die geschäftliche Inkompatibilität zu Netware gesehen - die Vertriebsleute wussten nicht, wie man Unix verkauft, für Novell stand faktisch immer Mütterchen Netware im Vordergrund, die Entscheidung „pro Unix“ erschien vielen als reines Lippenbekenntnis. Hinzu kam, so meine persönliche Einschätzung, dass Unixware arg gewöhnungsbedürftig und zu teuer war.

All dies ist heute anders. Netware kann nicht mehr dazwischenfunken. Die Suse-Übernahme könnte die Chance für Novell sein, wieder zu alter Größe aufzulaufen. Wenn das Management es nicht wieder versiebt. (js)