Wegen Tesla: Elon Musks (fast) geheime Reise nach China

Der Tesla-CEO wurde von wichtigen chinesischen Beamten herzlich willkommen geheißen. Auch in sozialen Medien gab es Beifall. Doch es gibt Streit um Starlink.

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Illustration: Elon Musk in China

Illustration: Elon Musk in China.

(Bild: Erstellt mit Midjourney durch MIT Technology Review)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Zeyi Yang

Seitdem China im Januar die meisten seiner pandemiebedingten Reisebeschränkungen aufgehoben hat, strömen ausländische Führungskräfte wieder in das Land. Auch Elon Musk war darunter. Er hatte gute Gründe für die Reise: China ist ein wichtiger Teil von Teslas Elektrofahrzeug-Imperium, sowohl als Markt als auch als Produktionsstandort. Das Problem: Als Eigentümer von Starlink, SpaceX und seit kurzem auch Twitter hat Musk eine noch deutlich kompliziertere Beziehung zum Riesenreich.

Musks Chinareise, die Anfang Juni beendet war, wurde in englischsprachigen Medien kaum erwähnt. Das liegt vor allem daran, dass der Tesla-Chef während der gesamten Reise auf Twitter quasi schwieg. Der Kurznachrichtendienst ist zwar in China offiziell geblockt, aber die Menschen haben alle möglichen VPN-Tools, um darauf zuzugreifen. Dennoch schien Musk nicht den Eindruck erwecken zu wollen, dass er während seines Aufenthalts auf Twitter sein wollte. Er hat nur ein einziges Mal über die Reise getwittert – und das erst, nachdem er China wieder verlassen hatte. Er hatte während der Zeit sogar damit aufgehört, andere Tweets zu kommentieren – etwas, das er normalerweise jeden Tag dutzende Male tut.

Aus den öffentlichen Meldungen auf den Websites der chinesischen Regierung und den Sichtungen von Musk in den sozialen Medien Chinas kann man jedoch seine Reise rekonstruieren. Klar ist: Unwichtig war sie nicht. Er hatte einen ziemlich vollen Terminkalender: In 44 Stunden traf Musk mindestens drei hochrangige chinesische Beamte, aß mit dem CEO des weltgrößten Batterieherstellers zu Abend und besuchte unter anderem die Tesla-Fabrik in Shanghai.

Musks Privatjet landete am Nachmittag des 30. Mai (Ortszeit) in Peking. Am selben Tag traf er sich mit Qin Gang, Chinas neuem Außenminister und früherem Botschafter in den USA. Laut der Pressemitteilung des Ministeriums sagte Musk bei dem Treffen, dass er eine Entkopplung der Lieferketten zwischen den USA und China strikt ablehne, da die beiden Länder "wie siamesische Zwillinge untrennbar miteinander verbunden" seien. Am Abend aß er dann mit Zeng Yuqun, dem CEO von CATL, einem wichtigen Lieferanten von Batterien für Tesla-Fahrzeuge.

Am nächsten Tag traf sich Musk mit zwei weiteren chinesischen Ministern, die für Handel und Technologie zuständig sind. Reuters berichtet, dass er am Nachmittag auch Vizepremier Ding Xuexiang, den sechsthöchsten Parteifunktionär Chinas, besuchte, aber das Treffen wurde weder von der Regierung noch von Musk bestätigt. Am Abend flog er dann nach Shanghai und besuchte die Tesla Gigafactory, wo er Fotos mit Mitarbeitern machte, die er später auf Twitter veröffentlichte.

Am Morgen des 1. Juni, seinem letzten Tag in China, konnte Musk noch ein letztes Treffen mit Chen Jining, dem Parteisekretär von Shanghai, einschieben, bevor sein Flugzeug um 11:23 Uhr nach Texas abflog. Und Musk war nicht die erste amerikanische Top-Führungskraft, die in diesem Jahr China besucht: Vor ihm kamen Tim Cook von Apple, Mary Barra von General Motors, Jamie Dimon von JP Morgan, Laxman Narasimhan von Starbucks und viele andere mehr. Doch bisher scheint Musk von allen den größten Zuspruch erhalten zu haben – sowohl von chinesischen Regierungsvertretern als auch von den Menschen in den chinesischen sozialen Medien.

Der Hauptgrund dafür scheint zu sein, dass China und Tesla seit Jahren eine für beide Seiten vorteilhafte Beziehung unterhalten. Die Volksrepublik ist nicht nur der zweitgrößte Markt für Tesla, sondern die Gigafactory in Shanghai produzierte im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte der weltweit verkauften Tesla-Autos. Auf der anderen Seite trug die Fabrik in Shanghai auch erheblich zur lokalen Beschäftigung und zu den Steuereinnahmen bei und machte die Stadt zu einem Zentrum der Elektrofahrzeugproduktion.

Während der Corona-bedingten einmonatigen Schließung des Werks in Shanghai im vergangenen Jahr traf die Stadtverwaltung zusätzliche Vorkehrungen, um sicherzustellen, dass das Werk die Produktion schnell wieder aufnehmen konnte, auch wenn andere Bereiche des Stadtlebens auf Eis lagen. Bei seinem Besuch würdigte Musk diese Bemühungen und dankte auch dem chinesischen Handelsminister.

Also alles eitel Sonnenschein? Nein. Denn es gibt auch Dinge, die die Beziehung zwischen Musk und China erschweren. Zum einen ist Starlink seit langem ein Problem für Peking, weil es Nutzer in die Lage versetzt, das lokale chinesische Internet zu umgeben, das hinter der großen Firewall – der gigantischen örtlichen Zensurmaschine – liegt. Der Einsatz von Starlink in der Ukraine während des Krieges, in dem China weitgehend auf der Seite Russlands zu stehen scheint, hat das Problem für die Parteiführer noch deutlicher gemacht. Anfang dieses Jahres wurde berichtet, dass Forscher an Chinas Militärakademien bereits Dutzende Paper zum Thema veröffentlicht haben, wie man gegen die Starlink-Satelliten vorgehen könnte.

Auf Weibo, dem chinesischen Äquivalent zu Twitter, veröffentlichte Musk (oder derjenige, der sein dortiges verifiziertes Konto betreibt) am 30. Mai eine Nachricht, die die Wogen ein wenig glätten sollte: "Das chinesische Raumfahrtprogramm ist weitaus fortgeschrittener, als die meisten Menschen wissen", hieß es anerkennend.

Der Kern von Musks komplizierten Beziehungen zu China liegt in der Tatsache, dass seine verschiedenen Unternehmen unterschiedliche Beziehungen zur chinesischen Regierung haben. Tesla ist in dem Land außerordentlich willkommen; Twitter bereitet der Regierung große Kopfschmerzen und ist letztlich streng verboten; SpaceX und Starlink liegen irgendwo dazwischen und stellen sowohl ein Sicherheitsrisiko als auch eine Chance auf Zusammenarbeit dar.

Bislang hat Musks Besitz der anderen Unternehmen nicht dazu geführt, dass Tesla in China in Ungnade gefallen wäre. Aber im Zeitalter anhaltender Spannungen zwischen den USA und China ist der Umgang mit der chinesischen Regierung für jedes amerikanische Unternehmen ein sehr heikler Akt – und Tesla eignet sich als Indikator. Egal wie sehr er in den USA auch trollt, Musk muss in China vorsichtiger sein.

(bsc)