Weniger Geld für E-Auto-Besitzer: Absturz der THG-Quote

Die THG-Quote sinkt kräftig. Halter von Elektroautos bekommen 2024 nur noch rund 100 statt bis zu 400 Euro. Was steckt hinter dieser Entwicklung?

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Dame mit Handy beim Laden eines Elektroautos

Private und gewerbliche Halter von Elektroautos können über professionelle Händler Geld durch die Treibhausgasminderungsquote bekommen. Statt bis zu 400 Euro pro Jahr ist der Preis aber auf rund 100 Euro gefallen.

(Bild: Geld für E-Auto)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Bis zu 400 Euro im Jahr: Die Treibhausgasminderungsquote, abgekürzt THG-Quote, ist ein positiver Beitrag zur Habenseite bei den Gesamtkosten eines Elektroautos. Für private oder gewerbliche Halter kann so über mehrere Jahre eine erhebliche Summe zusammenkommen. Die Höhe des Erlöses aber ist nicht garantiert. Der Preis bildet sich im Quotenhandel, und dort bestimmen Angebot und Nachfrage den Wert: Für 2024 können die Halter nur rund 100 Euro oder noch weniger erwarten. Dieser Verfall könnte das Ergebnis eines Betrugs sein. Der Verdacht jedenfalls steht im Raum und wird von den Behörden verfolgt.

Zuerst zum Mechanismus der THG-Quote an sich: Die Mineralölkonzerne sind gesetzlich verpflichtet, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, die durch die Verbrennung von Benzin und Diesel entstehen. In diesem Jahr liegt die Vorgabe bei einem Minus von 9,25 Prozent. 2030 sind es 25 Prozent. Wie die Mineralölkonzerne die Minderungsquote erreichen, ist ihnen überlassen. Am bekanntesten ist die Beimischung sogenannter Biokraftstoffe, die sich hinter den Kürzeln E5, E10 und B7 an der Zapfsäule verbergen.

Die Mineralölindustrie muss die Treibhausgasemissionen reduzieren, die bei der Verbrennung von Superbenzin und Dieselkraftstoff entstehen. 2024 beträgt das vorgeschriebene Minus 9,25 Prozent.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Sollte es nicht gelingen, die gesetzliche Vorgabe zu unterbieten, ist eine Strafzahlung von 600 Euro pro Tonne CO₂ fällig. Sämtliche Energieformen sind zur Reduktion erlaubt, also auch Strom. Hier leisten die Elektroautos einen Beitrag. Um das Verfahren der Berechnung zu vereinfachen, wird pauschal angenommen, dass 2000 kWh pro Jahr und Fahrzeug geladen werden. In Kombination mit Prognosen des Umweltbundesamts (UBA) wird errechnet, wie groß das CO₂-Minderungspotenzial pro Elektroauto auf Basis des erwartbaren Strommixes (2024: 326 g CO₂/kWh) ist.

Die Halter der Elektroautos gehen mit den Minderungsquoten aber nicht selbst an den Markt, sondern lassen den Handel über professionelle Dritte laufen. Die ersten dieser THG-Quotenhändler haben bereits vor Monaten Insolvenz angemeldet. Die Kalkulation war zu knapp. Hier war zwar ohnehin eine Marktbereinigung erwartet worden. Das Ausmaß kam trotzdem überraschend; lediglich eine einstellige Zahl relativ großer Player ist übriggeblieben. Ursache des Preisverfalls bei den THG-Minderungszertifikaten ist eine plötzliche und starke Ausweitung des Angebots an besonders günstigen Reststoffen von Palmöl. Zuvor war die Förderung von Palmöl selbst gestrichen worden; Abfälle aus Palmöl dagegen werden doppelt angerechnet.

Wer öffentliche Ladesäulen betreibt, kann gleichfalls CO₂-Minderungszertifikate handeln und dafür Geld bekommen. Wenn wie hier im Foto also BP mit der Marke Aral Pulse Schnell-Ladesäulen aufstellt, entsteht ein quasi Unternehmens-interner THG-Quotenhandel.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Der überraschende Anstieg von Abfallstoffen aus Palmöl im Markt steht in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Abschaffung der Förderung von reinem Palmöl. Im fertigen Kraftstoff lassen sich die Ausgangsprodukte faktisch nicht mehr unterscheiden. So steht seit Monaten ein Verdacht im Raum: Preisgünstiges Palmöl aus China könnte in großen Mengen zu mehrfach anrechenbaren Abfallstoffen umdeklariert worden sein und so den Erlös aus der Minderungsquote durch Elektroautos entwerten.

E-SUVs im Test

Unter anderem hatte es im Juni eine kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zu "möglicherweise gefälschten Zertifikaten für fortschrittliche Biokraftstoffe" gegeben. Passiert ist vordergründig nichts, jedenfalls nichts, was den mutmaßlichen Missstand beendet. Wie es aktuell aussieht, sagt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). Bisher, so heißt es in einer ausführlichen Mail an heise/Autos, würde weder der Bundesregierung noch der Europäischen Kommission eine Bestätigung der Verdachtsfälle vorliegen.

Für viele Käufer sehr teurer Elektroautos ist es wahrscheinlich egal, ob sie 100 oder 400 Euro pro Jahr aus dem THG-Quotenhandel erhalten. Anders ist es im preissensiblen Segment, wie hier beim Citroën e-C3.

(Bild: Citroën )

Allerdings hat die zuständige Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) die Staatsanwaltschaft Bonn sowie die Europäische Kommission informiert. Die Staatsanwaltschaft Bonn wiederum teilte am 3. November 2023 mit, dass die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgelehnt wird.

Das BMUV zitiert die Staatsanwaltschaft Bonn so: "Ein Betrug gemäß § 263 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) scheide bereits wegen des Fehlens des objektiven Tatbestandsmerkmals des Vermögensschadens aus, da die aus China mit Biokraftstoff belieferten Unternehmen sich aufgrund des Gutglaubensschutzes in § 17 Abs 2 Nr. 1 der Verordnung über Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von Biokraftstoffen (Biokraft-NachV) auf eben jenen berufen und daher den gelieferten Biokraftstoff zum üblichen Marktpreis verkaufen könnten." Das BMUV verweist jetzt auf die Europäische Kommission, die Notwendigkeit der Verbesserung im Governance-System der Zertifizierung und stellt fest: "Welche Änderungen hierzu im Einzelnen vorgenommen werden, lässt sich heute noch nicht sagen."

Im Klartext: Niemand bei den Behörden und Institutionen bestreitet, dass der Verdacht der Falschdeklaration real sein könnte. Die Hinweise sind überdeutlich. Zugleich gibt es aber offenbar kein Instrument, um den mutmaßlichen Missbrauch zeitnah abzustellen. Wilko Eggers, Mitgründer und Chief Strategy Officer beim THG-Quotenhandel "Geld für E-Auto" kritisiert, dass der Markt wegen eines "abwesenden Schiedsrichters" – also eines funktionierenden Überwachungssystems – zu Ungunsten der Halter von Elektroautos verzerrt sei: "Wenn Sinn und Zweck des Zertifikatehandels erfüllt werden, finde ich den Mechanismus richtig, weil er ein Beitrag zum Klimaschutz ist", so Eggers. Falls also das Angebot stiege, weil wider Erwarten viele neue Elektroautos zugelassen würden, könne der Preis gerne fallen: "Dafür ist die Quote als Emissionshandel gedacht." Jetzt aber wären alle frustriert – inklusive der Kunden. Profiteur der Ist-Situation sind die Mineralölkonzerne, die THG-Minderungsquoten zu einem niedrigen Preis erwerben können – und indirekt die Fahrer von Autos mit Verbrennungsmotor, auf die genau jene geringeren Kosten umgelegt werden.

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(mfz)