"Wir müssen dabei sein"

Q-Cells, der größte deutsche Solarzellen-Hersteller, greift die Marktführer aus Japan jetzt in ihrer Heimat an – mit einer Repräsentanz in Tokio.

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Von
  • Martin Kölling

Die Eröffnung des Q-Cells-Büros in Japan war ein Signal der besonderen Art: Die Pressekonferenz und der anschließende Empfang fanden in der deutschen Botschaft statt. Dies unterstrich die industriepolitische Bedeutung, die die Bundesregierung erneuerbaren Energien für den Industriestandort Japan beimisst.

Japans Solarriesen wie Sharp und Sanyo sehen in Q-Cells derzeit ihren stärksten Herausforderer. Das Unternehmen expandiert nicht nur rasant, sondern investiert auch so viel wie kein anderer Hersteller in bestehende und neue Solarzell-Technologien. Auf der Eröffnungsveranstaltung in Tokio gab Q-Cells-Chef Anton Milner Auskunft über die Expansionsstrategie seines Unternehmens.

Technology Review: Mit der Eröffnung der Repräsentanz stärkt Q-Cells die Position in Japan. Denken Sie auch an Unternehmenszukäufe?

Anton Milner: Wenn Sie gute Ideen für Unternehmen haben, sind wir immer offen. Aber wir sind darum nicht nach Japan gekommen. Grundsätzlich ist unsere Strategie die von organischem und technikgetriebenem Wachstum.

TR: Wieviel Geschäft machen Sie hier in Japan und was sind Ihre Ziele?

Milner: Zuerst einmal müssen wir anerkennen, dass Japan noch immer der größte Hersteller und technologisch der Leuchtturm der Solarindustrie ist. Japan ist aus guten Gründen die Heimat der Solarzellenherstellung. Aber wir Europäer bringen auch Kompetenzen ein, zum Beispiel in der Finanzierung und der effizienten Produktion.

Japans Unternehmen verdienen in der Regel weniger Geld als amerikanische, chinesische und europäische. Wir selbst schließen jedes Jahr Geschäfte in dreistelliger Millionenhöhe mit japanischen Unternehmen ab. Der Großteil besteht aus dem Einkauf beispielsweise von Wafern für die Solarzellenherstellung, Produktionsanlagen und einen Teil unseres Bedarfs an Spezialglas. Wir erzielen jedoch nur drei bis vier Prozent unseres Umsatzes in Japan, während unser Auslandsanteil 58 Prozent beträgt. Wir wollen zuerst die Beziehungen zu unseren Lieferanten und Partner in der Solarmodulherstellung vertiefen, später auch die Verkäufe erhöhen.

TR: Der Markt in Japan stagniert jedoch, seit Japans Regierung ihr Förderprogramm für die Installation von Solarzellen gestoppt hat. Wie sehen Sie die Entwicklung?

Milner: Wir fühlen, dass Japans Markt ein bisschen stagniert, aber mit der Zeit weiter wachsen wird. Es wäre schön, wenn Japans Regierung entscheiden würde, die installierte Solarenergiekapazität wie geplant bis 2010 auf 4,8 Gigawatt anzuheben ...

TR: ... 2004 hat Japan als erstes Land die ein Gigawattgrenze durchbrochen ...

Milner: Aber wir müssen mal abwarten. Wenn Japan weiterhin in eine Rolle als Markt für Solarzellen spielen will, muss das Land seine Politik wieder ändern. Sonst könnte der bis 2005 größte Markt in ein bis zwei Jahren auf Platz vier oder fünf abrutschen. Wie schnell das geht, haben wir in Deutschland gezeigt. 2006 hat Deutschland Japan als weltgrößter Markt für Solaranlagen verdrängt. Und das Umsatzvolumen entscheidet mit darüber, wo sich die Technologieentwicklung konzentriert.

TR: Ab wann wird denn der Markt auch ohne staatliche Subventionen abheben?

Milner: Wir sagen es ganz deutlich. Wir sind noch zu teuer. Unsere wichtigste Aufgabe ist, die Kosten zu senken. Wir sind sicher, dass wir den Preis in sieben bis acht Jahren um 40 bis 50 Prozent senken können – plus minus ein, zwei Jahre. Wenn wir dadurch die Grid-Parität erreichen, also wenn die Kosten für den Sonnenstrom unter dem Einzelhandelstarif für Stromkunden liegen, wird der Markt richtig interessant.

Wie schnell das geschehen wird, hängt allerdings von den einzelnen Märkten ab. In Kalifornien und Süd-Japan haben wir schon fast die Grid-Parität erreicht. In Deutschland wird es länger dauern, ich schätze acht bis zehn Jahre. Es hängt von der Sonne ab. In Kalifornien ist die Sonnenintensität zwei Mal höher als in Deutschland, daher stellt sich die Grid-Parität früher ein.

TR: Was ist mit dem Potenzial des chinesischen Markts? Chinesische Hersteller wie Suntech expandieren rasant weltweit.

Milner: Unserer Erwartung nach wird China noch für eine lange Zeit kein großer Markt werden. Es ist mehr ein Produktionsstandort.

TR: Sie haben als Ziel ausgegeben, die theoretische Nominalkapazität auf 1000 Megawatt im Jahr 2008 anzuheben. Wie wollen sie das schaffen? Und welche Produktpalette streben Sie an?

Milner: Das Ziel hört sich höher an als es ist. Unsere aktuelle Produktion lag 2006 bei 250 Megawatt, aber unsere nominale Kapazität betrug Anfang dieses Jahres bereits 420 Megawatt. Aber die Kapazität ist nur theoretisch. Das Produktionsvolumen wird langsamer wachsen. Es wird 2008 voraussichtlich 880 Megawatt betragen.

Bis 2009 oder 2010 werden wir auch ein Gigawatt produzieren. Wir investieren derzeit in eine Reihe von Dünnfilmtechnologien, einige davon sind in der Pilotproduktionsphase. Die ersten Produkte werden Ende dieses Jahres auf den Markt kommen. Unser Ziel ist, in allen Technologien Produkte anzubieten.

TR: Welche Technik wird Ihrer Ansicht nach siegen?

Milner: Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Die klassische Technik wie die neueren Dünnschichttechnologien haben ein gewisses Kostenprofil und gleichzeitig ein Verbesserungspotenzial. Die Wafertechnik macht derzeit große Sprünge. Im Labor erreichen unsere Siliziumzellen bereits eine Energieeffizienz von 21 Prozent. Bisher sind es 17 Prozent. Wahrscheinlich wird keine disruptive Technik auftauchen. Die verschiedenen Techniken werden nebeneinander bestehen.

TR: Dank Ihrer aggressiven Expansion sind sie seit der Unternehmensgründung 1999 aus dem Nichts zum zweitgrößten Solarzellenhersteller der Welt aufgestiegen. Vor Ihnen liegt nur noch Sharp. Wollen Sie die auch noch überholen?

Milner: Es geht nicht darum, die anderen Hersteller zu verdrängen. Solarstrom ist noch eine ganz junge Industrie. Die bisher installierten Solarzellen stellen gerade einmal soviel Strom wie ein Atomkraftwerk her.

Unsere Konkurrenten sind die Stromkonzerne und die Hersteller anderer Energieträger. Die Aufgabe der Hersteller ist daher, den Gesamtmarkt zu vergrößern. Unsere Position im Markt definieren wir dabei nicht über Marktanteile, sondern unser Wachstum und unsere technischen Fähigkeiten.

TR: Hindert nicht der bestehende Engpass an Silizium Ihre Expansion?

Milner: Nein. Wir haben Anfang des Jahres den größten Siliziumliefervertrag der Industrie abgeschlossen, der uns bis 2018 Silizium für zehn Gigawatt an Solarzellen garantiert.

TR: Es gibt einen Meinungsstreit, ob Silizium das zukunftsfähigste Halbleitermaterial für die Sonnenstromerzeugung ist. Einige Experten meinen, dass Silizium wegen seiner Verfügbarkeit die Zukunft gehört, und nicht metallischen Halbleitern wie Cadmiumtellurid oder CIGS (Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid). Die sind zwar derzeit preiswerter, aber weniger leistungsfähig als Silizium.

Dieses Lager argumentiert, dass es bei allen Rohstoffen außer Silizium Lieferprobleme geben würde, wenn Sonnenstrom wirklich einen großen Teil des globalen Energiebedarfs decken solle, während Silizium nahezu unbegrenzt zur Verfügung stünde.

Milner: Im Prinzip stimmt das. Aber die Reichweite der Sonnenenergie ist so lang, dass das nicht so gravierend ist. Sowohl für CIGS als auch Cadmiumtellurid gibt es derzeit nur begrenzte Weltproduktionskapazitäten. Aber das ist ausbaufähig, wenn die Nachfrage hoch genug ist.

TR: Sie globalisieren Ihr Geschäft rasant. Ist die Region Leipzig/Halle denn da der richtige Standort für Sie?

Milner: Als Produktionsstandort ist die Region perfekt, als Absatzmarkt nicht. Wir haben flexible Arbeitszeiten, die Arbeiter arbeiten rund um die Uhr. Wir haben Arbeitskräfte, die arbeiten wollen und hoch qualifiziert sind. Allerdings globalisiert sich der Markt, und wir werden uns auch globalisieren.

TR: Sie werden dieses Jahr bei einem Umsatz von voraussichtlich 750 Millionen Euro 400 Millionen Euro in Forschung, Entwicklung und Produktionsanlagen investieren. Das ist fast die Hälfte des Umsatzes. Wollen Sie dieses Tempo aufrechterhalten?

Milner: Ja, wir wollen das Tempo aufrechterhalten. Wir haben das größte Forschungsteam der Industrie mit 100 Ingenieuren aufgebaut. Wir wissen, dass es mutig ist. Aber entweder entwickelt sich die Industrie nicht, und dann haben alle Probleme. Oder in der Solarindustrie geht die Post ab. Und dann wirkt jede müde Mark, die wir investiert haben, lächerlich klein. Es ist besser, dabei zu sein. (bsc)