Mac & i 2/2017
S. 3
Editorial
Ben Schwan

Auf zu neuen Welten

Apple war schon immer ein Unternehmen, das vorausschauend handelt und aus den Fehlern der Konkurrenz lernt. Der Mac war nicht der erste Heimcomputer, aber der am einfachsten bedienbare; der iPod nicht der erste MP3-Spieler, aber der mit Abstand beste; das iPhone nicht das erste Smartphone, aber jenes, das das Internet endlich mobil machte.

Genau diese Herangehensweise erwarte ich von Apple auch im Bereich Augmented Reality (AR). Was man heute als erweiterte Realität bezeichnet, funktioniert lächerlich schlecht. Es gibt Apps, die zur besseren Navigation wie aufgeklebt wirkende Hinweisschilder über das Handy-Kamerabild legen. Es gibt AR-Spiele wie Pokémon Go, bei denen man das Gimmick der erweiterten Realität gerne abdreht, um den Spielfluss zu beschleunigen. Und es gibt Hardware wie Microsofts sündhaft teure HoloLens-Brille, mit der sich niemand freiwillig auf die Straße trauen würde – von technischen Unzulänglichkeiten ganz abgesehen. Doch es gibt nichts, was dem Anspruch von uns verwöhnten Apple-Kunden gerecht würde.

In Cupertino soll sich schon seit längerem ein großes Team allein mit der Frage beschäftigen, wie man aus AR ein Produkt formt, das dem Nutzer wirklich etwas bringt. Hinzu kommen zahlreiche renommierte Start-ups aus dem Segment samt ihrer Erfinder und Ingenieure, die das Unternehmen in den letzten Jahren übernommen hat.

Dass die erweiterte Realität für Apple ein „Riesending“ ist, räumte sogar Konzernchef Tim Cook ein. Mit der nächsten iPhone-Generation, die im September erwartet wird, dürften wir erste Ergebnisse sehen. Das Gerät kommt laut Gerüchten mit einer 3D-Kamera basierend auf Lasertechnik, die Objekte im Raum erfasst. Nur so ist AR technisch in der Qualität umsetzbar, die Apple vorschwebt.

Details über mögliche Anwendungen sind noch nicht durchgesickert. Grundsätzlich ist fast alles möglich, wenn digitale Daten erstmals realistisch mit der Welt verschmelzen, die uns umgibt. Programmierer werden eine eigene Schnittstelle erhalten, heißt es. Ihrer Fantasie sind hoffentlich keine Grenzen gesetzt.

Wenn die AR-Technik in ein paar Jahren klein genug für eine Brille in Apple-Qualität ist, könnte sie dem Konzern sogar aus seinem größten Problem heraushelfen: der Abhängigkeit vom iPhone. Und heutige Smartphones werden auf uns wirken wie Pferdefuhrwerke auf Tesla-Fahrer.

Unterschrift Ben Schwan Ben Schwan