Kommentar zu Slackware 15: Ein Hoch auf das FOSSil

Besteht überhaupt noch Bedarf für den Linux-Veteranen Slackware – oder ist er ein aus der Zeit gefallenes Relikt? Keinesfalls, findet Martin Gerhard Loschwitz

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(Bild: Bonnie Fink / Shutterstock.com)

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Von
  • Martin Gerhard Loschwitz
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Linux hat sich in den vergangenen 30 Jahren vom Bastelprojekt hin zu einem Milliardengeschäft entwickelt. Viele junge Admins und jene, die den Linux-Zirkus nicht von Anfang an verfolgt haben, denken beim Stichwort Linux heute vorrangig an SUSE, Red Hat, Ubuntu – und wer es etwas puristischer mag, womöglich an Arch Linux. Jene allerdings, die bereits ein paar Lenze auf dem Buckel haben, denken auch an eine andere Distribution: Slackware. Nach zehn Jahren Pause ist davon nun Version 15.0 erschienen. Die Distribution ist zu Unrecht in Vergessenheit geraten und hat nach wie vor seine Daseinsberechtigung: Das Urgestein hat noch immer einiges zu bieten.

Ein Kommentar von Martin Gerhard Loschwitz

Martin Gerhard Loschwitz ist freier Journalist und beackert regelmäßig Themen wie OpenStack, Kubernetes und Ceph.

Dass gerade die jüngere Admin-Generation Slackware oft gar nicht mehr kennt, ist bedauerlich: Schließlich gilt Slackware als die älteste noch existierende Linux-Distribution der Welt. 1993, als von SUSE, Red Hat und Ubuntu noch lange keine Rede war und selbst Debian gerade erst als Idee im Kopf von Ian Murdock reifte, ging Patrick Volkerding mit einer neuen Linux-Distribution an den Start, die er "Slackware" taufte. Der Name sollte Programm sein, denn "slack" heißt übersetzt so viel wie "lustlos" oder "ungebunden" – Volkerding wollte damals bereits durch den Namen des Projekts suggerieren, dass die Linux-Szene besser keine allzu hohen Erwartungen an Slackware haben sollte. Der Name blieb erhalten, obwohl Slackware sich zu einem der wichtigsten Player im damals noch kleinen Linux-Markt mauserte –heute ist das eine Grundlage für so manche Anekdote.

Der Slackware-Werdegang ist typisch für FL/OSS-Projekte: Volkerding war aus beruflichen Gründen auf einen LISP-Compiler angewiesen und hantierte viel mit SLS (Softlanding Linux System) herum, der damals dominanten Linux-Distribution. Hier und dort entdeckte Volkerding bei SLS Dinge, die ihm nicht passten und die er über Patches änderte. Aus SLS samt der Volkerding-Patches wurde die Ursuppe für Slackware. Und von Anfang an galten für Slackware klare Regeln: Auf Linux-Basis sollte ein System entstehen, dessen Handhabung möglichst nah an existierende UNIX-Implementierungen herankommen sollte. Das Kernsystem sollte schlank bleiben; aufwändige GUIs für die Konfiguration des Systems waren unerwünscht – und sind es nach wie vor. Stattdessen editieren Slackware-Admins bis heute die zentralen Konfigurationsdateien ihres Systems mit dem Text-Editor – so, wie sie es auch vor beinahe drei Dekaden bereits taten.

Freilich hat sich die Welt seither weitergedreht und Slackware viele seiner einstigen Alleinstellungsmerkmale verloren. Spötter wenden deshalb ein, Slackware sei heute praktisch überflüssig: Für Endanwender sei das System ob seiner Komplexität ohnehin ungeeignet, und wer ein ohne Konsole nicht nutzbares Linux-System haben wolle, könne ebenso gut auf Arch oder Gentoo ausweichen. Diese Kritik greift aber zu kurz.

Denn zum einen gilt die große Vielfalt der FL/OSS-Szene bis heute als eine ihrer größten Stärken. Solange der das Projekt weiterhin stark dominierende Patrick Volkerding und sein Team also Spaß an ihrer Arbeit haben, spricht nichts dagegen, Slackware weiter zu pflegen. Obendrein bietet Slackware bis heute eine sehr puristische Linux-Erfahrung: Das Basis-System kommt in Form weniger Tarballs daher, die ein text-basierter Installationsassistent ohne Schickimicki auf die Platte bügelt. Moderne Komponenten wie Systemd – in den Augen vieler Slackware-Fans futuristischer Krempel – müssen hingegen draußen bleiben. Der Text-Editor bleibt das wichtigste Werkzeug, um ein Slackware-System einzurichten.

Ein Treppenwitz der Geschichte ist obendrein, dass viele Distributoren sich im Kontext der fortschreitenden Containerisierung von Diensten auf eine Reise zu den eigenen Wurzeln begeben haben, die Slackware erst gar nicht verlassen hat. Mikrodistributionen wie Red Hats CoreOS, die ab Werk ausschließlich auf den Betrieb von Containern ausgelegt sind, sind dafür ein gutes Beispiel. Docker- oder Podman-Container lassen sich indes auch auf Slackware betreiben. Wer das ernsthaft in Erwägung zieht, findet unter den vielen am Markt etablierten Automatisierer die passenden Werkzeuge dafür. Auch als Daily Driver auf dem Desktop ist Slackware gut nutzbar, wenn auch zugegebenermaßen mit deutlich mehr Aufwand als bei den etablierten Distributionen.

Außerdem gehört Slackware zu den wenigen Distributionen, die weiterhin auch für 32-Bit-Systeme zur Verfügung stehen. Womit ein weiteres Argument dafür geliefert ist, dass auch der alte Hase unter den Linux-Distributionen durchaus eine Daseinsberechtigung hat. So bleibt am Ende nur, dem Slackware-Team auch weiterhin viel Erfolg und viel Freude bei der Arbeit an der Distribution zu wünschen.

(jvo)