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Was war. Was wird.

Was kann schon noch kommen, wenn eine Operation Gipfelsturm auf dem Gipfel beginnt? Manche Blasen platzen eben schon, bevor sie aufgepustet werden, befürchtet Hal Faber mit einer gewissen sentimentalen Erinnerung an die New Economy.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Verglichen mit der norddeutschen Tiefebene ist die Zugspitze unflach und hat nur einen temporären Flugplatz. Hannover Langenhagen ist beispielsweise viel schöner, sowohl unter fliegerischen wie landschaftlichen Gesichtspunkten. Dennoch wurde der erweiterte Kreis der EM-Fussballer auf der Zugspitze vorgestellt und nicht in Langenhagen: Nur in Deutschland kann eine Operation Gipfelsturm an der Spitze beginnen – und dann geht es abwärts. Ein wohlmeinender Redakteur aus dem kleinen aber feinen Verlag, der diese Wochenschau finanziert, hat nun gemeint, dass ich allein mit diesem "Casting" (Coach Löw) einen ganzen Wochenrückblick füllen kann. Schließlich sind ausreichende Fußballkenntnisse in Deutschland überlebenswichtig. Alternativ wäre ein ganzes, ausnahmsweise christlich gestimmtes WWWW mit dem Abschied der "deutschen Pranke" eine mutige Sache, frei nach dem Motto: Wenn selbst Kahn Mensch werden konnte .... Doch Never Mind Bayern München ist ein Motto, das verpflichtet.

*** Alternativ könnte ich außerdem eine ganze Wochenschau über die russische Mischung aus c't und iX schreiben, die in dieser Woche vorgestellt, ähem, gecastet wurde, komplett mit einem Lob auf Die neue Fußballmacht. Doch was sind Moskau oder St. Petersburg gegen Hannover im Frühlingsregen? Eben. So bleiben wir bei Sex in the City und dem Themenschwerpunkt 64 Bit. Reichen sie wirklich für den Geek aus, um eine echte Frau anzusprechen? Und fehlt hier nicht eigentlich eine ordentliche Kuss-FAQ so in dem Stil, was man darf und was man tunlichst lassen sollte? Die von Interpol in den Untersuchungsbericht kopierte Anleitung zum forensischen Umgang mit Computern spricht eine deutliche Sprache.

*** Doch in den neuen deutschen Feuchtgebieten ist Sex and c't eher ein Randthema, da zieht der Strip des LED-Girls eher die Leser an und das OLPC-Projekt die Leserinnen. Denn mit dem Windows für die XO-Grünlinge hat das Projekt den Männlichkeits-Test bestanden, offenbar eine Art "Zeig mir deinen Harten, zeig ich dir meinen Schlappen. Ja, das Spiel kann man bis auf die Zugspitze treiben und das einstmals mit hehren Zielen angetretene Projekt in TOSPC umbenennen: Two Operating Systems per Child ist auch was Feines. Oder müsste ich von einer geilen Sache schreiben? Bleiben wir lieber Jugendfrei.

*** Eine nicht minder bemerkenswerte Umwandlung hat dieser Tage ein Gewerkschaftler durchgemacht, der die Lokführer multifunktional auch als Müllmänner einsetzen will. Während Oliver Kahn sich vom Monster zum Menschen wandeln konnte, hat es Norbert Hansen nur zum nützlichen Idioten gebracht, der nicht einmal das mehr richtig sein kann: So schreibt der Süddeutsche-Journalist Heribert Prantl "Mehdorn hatte den Gewerkschafter Norbert Hansen als nützlichen Idioten einstellen wollen. Nun ist er nicht einmal mehr nützlich." Doch was des Journalisten ist, darf der Bürger noch lange nicht. Ein Leser, der diesen Prantl-Satz im Online-Forum des Blattes zitierte, bekam prompt eine Sperre wegen der Verletzung der Süddeutschen-Netiquette.

*** Norbert Hansen wird in die Geschichte als Fußnote eingehen, wenn illustriert wird, wie weit der flexible Mensch der Jahrhundertwende biegsam war. Die von ihm genannten Lokführer, die bittschön auch mal den Dreck in den Waggons wegmachen können, haben ihre Entsprechungen im Konzept der Bürgerarbeit, das diese Woche als geschnittenes Brot gereicht wurde. Workfare-Schnitter waren die Gutachter vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit, dessen Organigramm den renommierten Steuerstifter Klaus Zumwinkel als Präsidenten ausweist. Selbstredend, dass das tolle Institut mit dem sauberen Konvent für Deutschland vernetzt ist. "Hartz IV macht frei" lässt nicht nur im Cartoon eine Assoziation an schlimme Lager aufkommen, in denen Sonntagsredner Betroffenheitsarbeit leisten. Hartz IV befreit heutzutage auch von Krankheiten, wie beispielsweise Diabetes.

*** Dass Innenminister Schäuble mit dem formidablen BKA-Gesetz eine schlagkräftige Überpolizei bilden will, ist bekannt. Weil ihn die Extremisten nicht ruhen lassen, muss nun auch der Verfassungsschutz mit "ähnlichen Regelungen" ausgestattet werden, beobachtet er doch weiterhin die brandgefährliche Linkspartei, in der "linksgerichtete Strömungen" in ein "Sammelbecken extremistischer Kräfte" auf einer "kommunistischen Plattform" fließen, bis es knallt. Ganz klar, dass hier im Geheimen Wohnungen betreten werden müssen, ehe die Spülung Beweismittel vernichtet. Einleuchtend auch, dass wir dringend eine Bundesabhörzentrale nach amerikanischen Vorbild brauchen. Denn das wusste schon Dieter Süverkrüp in einer erschröcklichen Moritat zu erzählen:

"Und wer ein Kommunist ist, kriegt man niemals richtig raus,
so ein Kryptokommunist sieht immer ganz gewöhnlich aus.
Hu, huhuuu."

*** Wer ein Schüler ist, und im hilligen Köln lebt, ist dieser Tage ein Stückchen besser zu beobachten. Waren zunächst einmal die Schüler-Verkehrsnetzkarten nur planungshalber mit RFID-Chips ausgestattet, aber nicht aktiv am Funken, so hat sich das mit den neuen Karten nun geändert. Neugierigen Schülern zeigte eine Fahrkartenkontrolleurin, wie toll und einfach das kontaktlose Auslesen der Karte nunmehr funktioniert, wenn Name, Geburtsdatum, Adresse und die besuchte Schule auf dem Display auftauchen. Was noch fehlt, kann man bequem in Japan einkaufen. Hoffentlich wird ein Fehlurteil wie das der neuen iX nicht ins Russiche übersetzt: "Und so wird RFID in den nächsten Jahren überwiegend eine Hintergrundtechnik bleiben, die den Konsumenten nicht direkt betrifft." Oder nicht ins Niederländische, wo ebenfalls eine Kombiausgabe der Zeitschriften erscheint und immerhin die Wahlcomputer verschrottet werden.

Was wird.

Während es unsere westlichen Nachbarn geschafft haben, eine überflüssige Technologie abzulehnen, halten wir einmal eingeschlagene Entwicklungen für alle Ewigkeiten ein. Deutsche sind nunmal keine Kaasköppe. Die kommende Woche wirft ihren Schatten voraus, denn da beginnt zu Ulm ein Ärztetag, zu dem der oberste deutsche Arzt im Interview zur elektronischen Gesundheitskarte erklärt: "Uns ist schon klar, dass die Entwicklung im Grunde unaufhaltsam ist." Unaufhaltsam wie der Sozialismus in seinem Lauf werden sich die Ärzte mit der neuen Karte anfreunden und den Spinat weiter herunterschlucken: Auch Popeye war nicht nur stark, sondern ein bisschen doof. Das bisschen Runterschlucken, das kann man doch trainieren und als Chance begreifen. Eine sichere Telematik-Infrastruktur, in der viele Patienten noch abhängiger von ihren Ärzten werden, die ihre PIN verwalten, das hat doch was. Nach der Praxisgebühr kann eine PIN-Gebühr als bescheidener Aufschlag kommen, die den Spinat auf den Tellern der Ärzte finanziert. Der Rest ist e-Bürgerarbeit.

Nicht immer werfen Ereignisse ihren Schatten voraus. Es gibt Ereignisse wie das Kollabieren eines Sternes, die lassen nicht einmal das Licht entweichen, das einen Schatten werfen kann. Seit vielen Jahren wird diskutiert, ob ein schwarzes Loch Haare hat. Mit Spannung erwartet die Fachwelt darum den 20. Mai, an dem erklärt werden soll, dass schwarze Löcher womöglich anders funktionieren, als bisher angenommen. Vielleicht verschwindet Information gar nicht, sondern taucht wieder auf, an einem anderen Ort. Nicht auszudenken, wenn diese kleine Wochenschau irgendwann auf Alpha Centauri von einem grünen Männchen gelesen wird, während die Erde längst einer Umgehungsstraße zum Opfer ... Aber halt, der Tag wird erst nächste Woche gefeiert. (Hal Faber) / (jk)