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Was war. Was wird.

Wieder einige Details in der Wochenschau von Hal Faber: Etwa über XPlorer, Domain-Namen mit AT und Intelligenzfragen, die dann doch ernst zu nehmen sind.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Jeder muss die Suppe auslöffeln, die er sich eingebrockt hat. Heute ist so ein Abend, an dem ich alle Suppen gerne wegkippen möchte, nur den neuen Harry Potter lesend. Doch das Buch, von einem Online-Buchversender auf den Weg gebracht und mit einer hübschen Tracking-Nummer versehen, liegt anklickbar an einem Flughafen fest. Kein Schwur, kein Fluch, kein Zauberbesen wird mir Harry Potter and the Goblet of Fire bringen. Stimmen die Zahlen des Buchhändlers, warten 7.340 Leute mit mir in deutschen Landen auf das Buch. An alle Leser, die ihren Kindern auch zu viel versprochen haben: Das macht nichts. Die Kinder lernen die erste und wichtigste Lektion im E-Commerce: Global ist nur der Ärger.

*** Die Vorschläge für meine Domain reißen nicht ab. Aber was wären wir ohne die innovativen Entrepreneure des Internet. Nehmen wir sedo.de, die mir in der letzten Woche eine Pressemeldung schickte, dass bei ihr "über 1000 weitere @-Domains mit einem geschätzten Gesamtwert von mehreren Millionen DM zu kaufen sind." Hippe @-Domains sind die nächsten Goldadern des Internet-Zeitalters. In einem Moment, in dem viele Firmen hastig das com aus ihren Namen tilgen, klärt sedo.de auf: "Möglich werden @-Namen durch eine Funktion der Internetbrowser, die bei einer Internetadresse, die das @ enthalten, alle Zeichen links des Klammeraffen löschen. Bei der Eingabe von z.B. www.@chtung.de wird – unsichtbar für den Surfer – auf die Domain www.chtung.de verlinkt. Vorteil: Der Name ist auch für www.Schl@chtung.de verwendbar." An dieser Stelle möchte ich die Käufer der ach so hippen Domain-Namen @chtung.de und Schl@chtung.de bitten, sich zu melden und mir einmal zu erklären, wie die Surfer zu ihrem hippen Erlebnis kommen. Andernfalls hat sedo.de Domain-Namen schlicht doppelt verkauft.

*** Übrigens: Die Domain csu.net liegt in Kalifornien. Mit einer netten "Internet-Presseerklärung Dr. Edmund Stoiber" verkündet nun die bayerische CSU, dass sie den Namen nicht bekommen hat. Dennoch geht es mit csu.net voran, zunächst mit einer CD-ROM, die alle Funktionsträger erhalten. Auf ihr finden sich alle Tools und Websites, die CSU-Verbände brauchen, um ihren Auftritt aktuell gestalten zu können. In einer zweiten Phase werde die Homepage "relauncht", in einer dritten dann das CSU-Net eröffnet. Dafür hat sich die CSU, die unter csu-bayern.de ihre Erklärungen verschickt, eine hübsche Namenskette ausgedacht: csu-niedersachsen.de, csu-berlin.de, csu-nordrheinwestfalen.de usw. War da nicht einmal was in einem gewissen Kurort namens Kreuth, zu Straußens Zeiten selig? Ein Schuft, wer Böses dabei denkt.

*** Bleiben wir noch ein wenig bei den Domains. Die Firma Symicron, nach eigenen Angaben im Dokumentenmanagement tätig und (noch?) Inhaberin der Marke Explorer, ist sicherlich in der weltweiten Vereinigung vertreten, die ebenfalls laut eigener Aussage alle Firmen vertritt, die mit Software rund um das Dokumentenmanagement beschäftigt sind. xplor.org ist die Adresse dieser weltumspannenden Organisation, die unter xplormarketspace.org ihre Lösungen vorstellt. Eigentlich sollte die Website xplorwebspace.org heißen, aber das hatte offensichtlich nicht genug Stil.

*** GAO ist eine Abkürzung für das amerikanische General Accounting Office, das ungefähr mit unseren Rechnungshöfen vergleichbar ist, obwohl es nicht nur auf die reinen Zahlen schaut. Die GAO untersuchte jedenfalls in den letzten Monaten das Verfahren, mit dem die US-Regierung die Verfügungsgewalt über die Internet-Domains auf die ICANN übertrug. Am Freitagabend erschien das GAO-Gutachten und sprach die Regierung von allen Vorwürfen frei. Das besondere Augenmerk der GAO galt dem Vorwurf an die Regierung, nicht genug Geld aus der Übergabe der Domain-Verwaltung erzielt zu haben. Dies wurde nun verneint, weil es sich bei den Domains um ein öffentliches Gut handele. Leider wird diese amerikanische Ansicht im allgemeinen europäischen UMTS-Auktionstaumel kein Gehör finden, in dem das nächste öffentliche Gut verhökert wird, während unsere GEZ bereits die Gebührenordnung für UMTS-Terminals ausarbeitet. Immerhin bekam die ICANN auch eine Ermahnung: Sie darf bei ihrer Gebührenrechnung von einem Dollar pro Domain keinen Profit machen, sondern nur die Kosten der Domainverwaltung abdecken. Freiflüge zum nächsten Meeting in Yokohama gehören nicht dazu.

*** Verlassen wir den Namensraum des Internet, dann wird's noch komplizierter: Langsam kristallisiert sich heraus, dass unsere Herren Telekom-Konzernlenker sich dem alten Problem gegenübersehen, ob Kooperation oder Konfrontation die bessere Überlebensstrategie ist. In Holland beginnen die Preise angesichts nur weniger verbliebener UMTS-Mitbieter zu bröckeln – und in Deutschland bleiben bald auch nur etwas mehr als die Hälfte der ursprünglich Interessierten übrig. Dabei stellt sich für die Konzerne eine spannende Frage: Halten sie zusammen oder versuchen sie, sich gegenseitig auszutricksen? Der Hintergrund: Bis zu sechs UMTS-Lizenzen werden versteigert. Allerdings in Frequenzpaketen – und von denen kann man zwei oder drei ersteigern. Verbleiben sechs Firmen in der Auktion, die jeweils nur zwei Pakete haben wollen, ist alles klar: Jede bekommt eine Lizenz, die Konzerne könnten sich absprechen, nur das Mindestgebot abzugeben. Will aber eine Firma trotzdem drei Frequenzpakete, hat ein anderer Konzern entweder das Nachsehen oder muss mehr bieten. Die Sache wird nun allerdings für die Unternehmenslenker dadurch heikel, dass niemand weiß, um was die Konkurrenten bieten; außerdem kann man sein Gebot nicht nachträglich von zwei auf drei Frequenzpakete ausdehnen. Kein Wunder, dass ein normaler Mensch kaum noch durchschaut, welche Telekom-Firma mit welcher im Gespräch ist, kooperiert, kooperieren will, wer wen warum kauft und was das alles zu bedeuten hat. Wahrscheinlich wissen es auch die Chefs nicht, die sich von Konferenz zu Konferenz schleppen – solange man aber konferiert, muss man wenigstens nicht über die Frage Kooperation oder Konfrontation nachdenken. Da ist es doch irgendwie tröstlich, dass ich mich beruhigt zurücklehnen und interessiert beobachten kann, ob die allmächtigen Lenker der Telekom-Industrie Intelligenz beweisen. Kooperieren sie, gibts möglicherweise bald ein billiges Highspeed-Handy für den armen Hal. Gehen sie auf Konfrontation, streicht unser aller Finanzminister Milliarden ein – und der arme Hal profitiert möglicherweise von geringeren Staatsschulden. Die Frage nach der Manager-Intelligenz in der Telekom-Branche reduziert sich auf ein mehr oder weniger spannendes philosophisches Problem.

*** Eine ernsthafte Frage der Intelligenz scheint es dagegen zu sein, ob man eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland blau oder grün anstreicht. Nach Ansicht der CSU jedenfalls ist die Green Card, mit der die Bundesregierung ausländische EDV-Spezialisten nach Deutschland locken will, völlig daneben: Eine Blue Card muss her. Nun wundert man sich eigentlich, warum für die Green Card schon über 12.000 Anträge, in der Mehrheit von indischen Fachleuten, vorliegen: Die Aussicht, fünf Jahre Lang dieser Republik zu etwas mehr Know-how zu verhelfen, um anschließend in Abschiebehaft zu landen, erscheint erst einmal nicht besonders attraktiv. Der bayerische Innenminister Beckstein, bislang nicht gerade durch besondere Affinität zu einer Erhöhung des Ausländeranteils hier zu Lande aufgefallen, macht aber seinem Ruf alle Ehre und will Arbeitserlaubnisse für IT-Spezialisten erteilen, die an den Arbeitsplatz gebunden sind – fällt der weg, dann nix wie raus aus diesem Land, der gemeine Inder könnte ja tatsächlich Arbeitslosen- oder Sozialhilfe beanspruchen. Abgesehen davon, dass ein indischer, osteuropäischer, russischer Programmierer – oder wo immer er auch herkommen mag – sich wahrscheinlich kaum für die mickrige deutsche Sozialhilfe erwärmen dürfte, wenn ihm amerikanische Firmen die Aktienoptionen und Sondervergütungen nur so nachschmeißen, ist das schon eine klasse Idee. Nie war es so einfach, Mitarbeiter unter der Knute zu halten: Spurst Du nicht, kommt die Ausländerpolizei und Du landest am Münchner oder Frankfurter Flughafen in der Auslieferungszelle. Dass diese Räumlichkeiten nicht gerade menschenwürdiges Dasein bieten, selbst dann nicht, wenn man sie nur wenige Stunden bewohnen muss, hat sich sicher auch schon in Bangalore herumgesprochen.

*** Aber irgendetwas läuft in diesem Land sowieso völlig schief. Experten rufen händeringend nach mehr Einwanderung, da sich angesichts der schwindenden Bevölkerung in Deutschland weder Sozialkassen füllen noch ökonomische Grundvoraussetzungen gewährleisten lassen ohne vermehrten Zuzug von Ausländern – und die Politik meint, ein Einwanderungsgesetz, unter anderem auf Grund des Mangels an EDV- und andere Technik-Experten in die Diskussion gekommen, habe irgendetwas mit dem Asylrecht zu tun. Wenn mich meine Erinnerung nicht ganz trügt, dann geht es bei Asyl um Verfolgte – um den Diktaturen dieser Welt politisch Unliebsame, die deshalb von Folter und Tod bedroht sind; um Menschen, die vor Bürgerkrieg und Krieg fliehen, da sie ihr Leben nicht in sinnlosen Metzeleien verlieren wollen. Und was bitte hat das nun damit zu tun, dass dieses Land meint, ohne ausländische Experten, die auch noch brav ihre Sozialabgaben entrichten müssen, keine vernünftige Wirtschaft mehr hinzubekommen? Eine verkehrte Welt — eine Welt, in der Glatzköpfe Afrikaner zu Tode prügeln, während sich SPD und CDU/CSU über grüne und blaue Karten streiten. Aber vielleicht sind ja deswegen nur maximal 20.000 Green Cards vorgesehen: Der notwendige Personenschutz für die ausländischen EDV-Fachkräfte wäre sonst nicht mehr gewährleistet. Wie wäre es denn mit einer Black Card? Mit der könnte man ausländische Body-Guards als Schwarze Sheriffs anwerben und den indischen Programmierern zur Seite stellen.

Was wird.

Auf Okinawa treffen sich am Dienstag die so genannten G-8 Staaten, die das transnationale Regieren üben. Bei solch einer Weltregierung durch die Hintertür (so der Politologe Claus Leggewie in seinem Statement zur ICANN-Debatte) darf natürlich nicht der GBDe fehlen. Ausgeschrieben ist das der Global Business Dialogue on eCommerce, in dem Firmenlenker wie Steve Case von AOL, Thomas Middelhoff von Bertelsmann oder Michio Naruto von Fujitsu den Politikern klar machen wollen, wie sie die Zukunft gestalten sollen. Eine Industrie-Lobby der Supermänner eben, die zum Wochenende ein 10-seitiges Fax in die Redaktionen schickte, das einen Zusammenschluss von Regierungen und führenden E-Commerce-Firmen befürwortet, der als Clearinghouse in allen transnationalen Fragen funktionieren soll. Bobos scheinen zu viel Platon zu lesen: Das Wort Demokratie kommt im gesamten Text nicht vor. (Hal Faber) (jk)