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Was war. Was wird.

Dr. Strangelove oder wie ich lernte, Peer-to-Peer zu lieben? Nicht ganz, aber manche Juxtaposition eröffnet ungeahnte Einsichten, meint Hal Faber.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Diesen Sonntag übrigens taucht die Wochenschau etwas verspätet auf dem Heiseticker auf, geschuldet einer Festivität in meinem Hause – das wird schon wieder, nächsten Sonntag spätestens.

Was war.

*** Als ich in Stanley Kubriks Dr. Strangelove den Satz "Frieden ist unser Beruf" hörte, hielt ich ihn für bösartigste Satire. Später klärte mich ein amerikanischer Freund auf, dass dies wirklich ein offizieller Slogan der amerikanischen Luftwaffe gewesen war. Nun hat George W. Bush den Irak bombardieren lassen und kommentiert dies mit dem Satz: "Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass diese Welt so friedlich wie möglich ist." In dieser friedlichen neuen Welt wird Irak das Vietnam des neuen Jahrhunderts werden, ein Argument, das sinnigerweise in den amerikanischen Dokumentation zum Irak unterstützt wird. In Bagdad sind in diesem Jahr die ersten vier Internetcafés eröffnet worden. Internet in einem Land, in dem der Empfang ausländischer Fernsehstationen strikt verboten ist, ebenso wie der Besitz von Mobiltelefonen oder der Anschluss von Modems an einen Computer – ihr Verkauf ist allerdings gestattet. In den Internetcafés von Bagdad kostet die Stunde Internet 2000 Dinar (1,50 US-Dollar), in einem Land, wo 10.000 Dinar im Monat als Mittelschichtseinkommen ausgewiesen sind. Wer in den Cafés E-Mail aus dem Ausland erhält, muss 80 US-Dollar als Kaution zahlen und darf die Post nur in einem separaten Raum lesen. Das dauerhafte Speichern der E-Mail ist verboten. Unter den Maildiensten ist im Irak Yahoo erreichbar, Hotmail nicht: Microsoft gilt als Agentur des Bösen.

*** Die USA und der Irak so zu vergleichen, könnte man eine Juxtaposition nennen, eine Nebeneinanderstellung halt. So etwas funktioniert ganz einfach: In Malaysia wird die erste intelligente Internet-Stadt der Welt gebaut, und in Malaysia findet sich die erste Website überhaupt, die von dem renommierten Internationalen Presse-Institut (IP) als "Free Media Pioneer" ausgezeichnet wurde. In den letzten 20 Jahren bekamen Papierblätter diesen Preis, diesmal wurde Malaysiakini.com geehrt, eine Online-Zeitung aus Kuala Lumpur, die trotz schwerer Repressalien immer wieder über Missstände in Malaysia berichtet. Das Projekt der intelligenten Stadt wurde von dieser Zeitung gründlich zerrupft. Zur Strafe wurde sie eine Woche lang abgeschaltet.

*** Kürzt man übrigens das erwähnte schöne Wort aus dem Lateinischen ab, so erhält man aus Juxtaposition Jxta, den neuen Peer-to-Peer-Ansatz, den der düstere Zukunftsprophet Bill Joy von Sun Microsystems am Freitag vorstellte. Gegenüber Jxta mutet sich der diese Woche praktisch zu Tode getrampelte Napster wie das Backen mit Förmchen im Sandkasten aus. Wo alles Peer, da ist kein Server – und schon gar nicht in Redmond, Washington, wo man eifrig an dem Projekt "Hailstorm" schraubt und dreht. Ein Hagelschauer soll es sein, der über der Konkurrenz niedergeht, mit Körnern groß wie Fußbälle... Stopp. STOPP. An dieser Stelle, mitten im ausnahmsweise friedlich-sonntag-morgendlichen Schreiben erreicht mich ein Eilbrief. Wieder ist ein ungemein gefährlicher Virus ausgebrochen, der die gesamte .NET-Zivilisation bedroht. Jedenfalls die, die immer noch nicht gelernt hat, Dateianhängen zu misstrauen und den Windows Scripting Host auszuschalten. "Penisverlängerung um mindestens 3 cm für alle Flatrate-Nutzer, die beim Anblick von Kournikova zu kurz kommen".txt.vbs.

*** Hmpf. Wo waren wir stehen geblieben? Beim Plan, Bill Clinton als neuen New Yorker Handlungsreisenden der Firma Oracle zu installieren? Bei der neuesten Werbekampagne der Verisign-Tochter Network Solutions mit dem Titel "On your mark, get set, go"? Die Erläuterungen zu diesem Slogan sind instruktiv, wie die Lateiner sagen: "Zum ersten Mal verfügbar! 6 Millionen Kunden, ordentlich geschnitten und sortiert für Sie, damit Sie zukünftige Kunden besser erreichen können, Ihre Kundschaft verstehen. Nehmen Sie diese Information und laufen Sie davon..." Network Solutions verscherbelt mit dieser Kampagne die administrativen Kontakt-Adressen, die jede Domain parat haben muss, und erhofft sich davon ein Riesengeschäft. Um es klar zu sagen: Network Solutions ist nicht das Denic. Hier wird nur eine Entwicklung kommentiert, über die das Denic bekanntermaßen erhaben ist. Go, Go!

Was wird.

Heute jährt sich die Eroberung von Peenemünde durch die Soldaten der Sowjetarmee im Jahre 1945. Wernher von Braun musste nach Amerika gehen und baute dort die Saturn V, mit der Neil Armstrong, Edwin Aldrin und Michael Collins zum Mond flogen – sie würden sich wahrscheinlich dagegen verwahren, letztlich habe die V2 sie zum Erdtrabanten gebracht. Interessant wäre, was Edwin Black, dessen Buch IBM und der Holocaust in der letzten Woche für Aufsehen sorgte, dazu zu sagen hätte. In dem ganzen Trubel um die Hollerith-Maschinen und die Nazis ging offensichtlich das Anliegen Blacks hinter der ganzen Recherche etwas unter: "Wenn wir nicht begreifen, wie die Nazis an die Namen ihrer Opfer gelangten, werden weitere Listen im Geiste der Inhumanität erstellt werden", betont er zur Erklärung seines Parforce-Ritts durch einen Teil der unrühmlichen Geschichte von IBM. Bleibt mir nur zu hoffen, dass es was wird mit dem Begreifen.

In der großen russischen Volksrepublik wurde jedenfalls das Datum der Eroberung von Peenemünde als Beginn der Eroberung des Weltraums gefeiert, lange vor der Zeit, in der der Absturz der Mir vorbereitet wurde. Einen Absturz anderer Art feiert Asheron's Call, das große Online-Spiel von Microsoft. Wenn diese Zeilen im Heiseticker erscheinen, sind alle Freiwilligen verschwunden, die in dem Spiel als Friedensstifter freiwillig arbeiteten. Rund 500 SpielerInnen sind von der Regelung betroffen. Analog zu ihrer Rolle ist ihr Protest: Je nach Status konnten sie einen Teilnehmer an Asheron's Call für fünf Minuten oder einen Tag von der Spielwelt ausschließen. Am Montag (der in den USA als President's Day ein Feiertag ist) sollen alle Spieler Asheron's Call ruhen lassen. (Hal Faber) / (jk)