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Was war. Was wird. Was wir wissen und was nicht

Eine Woche bevor die Datenschutzgrundverordnung wirksam wird, freut sich Hal Faber auf das Ende der Flut von E-Mails, die auf neue Datenschutzregeln hinweisen. Tagesaktuell sinniert er auch über die Schlange beim Bäcker.

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Was war. Was wird. Was wir wissen und was nicht
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Ein schönes langes Wochenende, ganz dem heiligen Geist des Datenschutzes und dieser Grundverordnung gewidmet, das ist doch was. Wer wird sich denn da von den Turteleien ablenken lassen, die das Haus Hannover (mit einer Zugabe aus Sachsen-Coburg) auf einer Insel präsentiert? Die Ausgießung all der Massenmails ist fast beendet, mit denen Firmen, Behörden und andere Anstiftungen betteln, flehen oder predigen, man möge doch sein Jawort geben als Zeichen der Zustimmung zur Informationsgemeinschaft mit ihnen. So lehnt man einmal dankend ab, bestätigt hier und dort oder ignoriert die Anfrage in der Hoffnung, dass Schluss ist mit der Belästigung durch Werbemails: Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein; was darüber ist, das ist vom Übel.. "Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen." So ist das, wenn die neue Datenschutzerklärung online gestellt wird und alle Welt auf Europa guckt wegen der Werte, die hier verkündet werden. Inmitten der geschützten Privatsphäre gibt es auch ein gewaltiges juristisches Brausen, erzeugt von all den Teufelchen, die das Geschäft mit Abmahnungen betreiben. Es gibt so gut wie keinen Bericht, der nicht das Bußgeld von "bis zu 20 Millionen Euro" erwähnt, das bei Verstößen fällig wird. Sehr hübsch ist auch, dass der Grünen-Politiker Jan Philipp Allbrecht, einer der Väter der DSGVO, mit einer Klagewelle rechnet. Bekanntlich regt sich in allerletzter Minute auch ein Widerstandsgeist bei unserer Bundeskanzlerin, nachdem ein Parteikollege das Märchen auftischte, nach dem die Veröffentlichung von Sportergebnissen durch Sportvereine abgemahnt werden können.

*** In der letzten Wochenschau hatte ich über den "Bitte Nicht Durchleuchten"-Geneator berichtet, den Reporter ohne Grenzen entwickelt hatte. Ein kleines Tool zum Abbau von Datenbergen beim Bundesnachrichtendienst, der in seiner VerAS-Datenbank (VerkehrsAnalySe-Verbundsystem) Telefondaten auch aus dem Inland speichert und verarbeitet. Seitdem der Generator läuft, wurden über 2000 Anfragen generiert, was den Schnüfflern unter den Kunst-Palmen überhaupt nicht gefällt. Sie beendeten nicht nur die illegale Datenverarbeitung, sondern teilten auch mit, dass man die ganzen Anfragen nicht beantworten könne, weil kein gültiger Identitätsnachweise etwa durch eine Kopie des Personalausweises mitgeschickt wurde. Ohnehin ist alles super-duper-rechtsstaatlich und so lesen wir beruhigt in der Stellungnahme: "Unterlassungsbegehren, wie sie "Reporter ohne Grenzen" mit dem o.g. Onlineformular initiiert hat, fehlt deshalb die entsprechende Rechtsgrundlage, da sich in tatsächlicher Hinsicht weder eine drohende Verletzungshandlung abzeichnet noch die Besorgnis besteht, dass eine in der Vergangenheit liegende Rechtsverletzung zukünftig erneut begangen wird." Ja, es hat eine Rechtsverletzung gegeben, aber in Zukunft werden wir natürlich keine mehr begehen. Ein kleines Opt-In nach der Datenschutzgrundverordnung gefällig?

*** Nicht ganz so einfach und schon gar nicht beruhigend ist es mit der Prise Nowitschock, die der kundige Plutonium-Händler BND in patriotischer Pflicht besorgte und analysierte. "Nach allem, was man bisher weiß", war das Wissen um dieses Gift den Diensten von Kanada und USA, den Niederlanden und Großbritannien bekannt. Die Behauptung der britischen Regierungschefin Theresa May, nur Russland könne diesen Stoff besitzen, hat sich damit im großen Sumpf der Fake News verdünnisiert. Auch zum Hackerangriff auf die nunmehr zurückgetretene Landwirtschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen, Christina Schulze Föcking, gibt es einen Nachtrag. Bekanntlich war es kein Hackerangriff, sondern ein versehentliches Streaming, ausgelöst durch ein Tablet der Eltern von Frau Schulze Föcking, die angab, in einem "Mehrgenerationenhaus" zu leben. Nun kommt heraus, das mit dem Beginn der Ermittlungen durch das Landeskriminalamt der NRW-Ministerpräsident Armin Laschet darüber informiert war, dass die Geschichte mit dem Hackerangriff nicht wirklich stimmen konnte. Angeblich schwieg er, weil es ein laufendes Ermittlungsverfahren war. So konnte sein Regierungssprecher mit der Geschichte von den bösen Hackern gezielt Mitleid für die in Erklärungsnot geratene Ministerin erzeugen und von der Geschichte um die Schweinezucht ablenken, die die Familie Schulze Föcking betreibt. Cyber ist geduldig.

*** Wenn ich beim Bäcker in der Schlange stehe, überlege ich immer, wer von den Brötchenverkäufer wohl seine e-Mail verschlüsselt. Ganz sicher macht das der Entwickler künstlicher Intelligenz, der immer mit gebrochenem Deutsch seine Brötchen bestellt. Aber die anderen? Damit die Gesellschaft befriedet ist, müssen sich alle sicher sein, dass jeder, der seine e-Mail verschlüsseln will, dies auch zuverlässig tun kann. Halt! Wie sieht es mit einem Verschlüsselungsverbot aus? Für Juristen ist das überraschend einfach: "Die Maßnahme wäre dann auf Beschuldigte begrenzt, die sich mit verschlüsselten Kommunikationswegen bewusst vor Strafverfolgung schützen. Der weite Eingriff wäre damit auf einen Personenkreis eingeschränkt, der aufgrund konspirativer Tätigkeiten solch tiefgreifende Maßnahmen herausgefordert hat." Die Durchsuchung von Datenträgern, die Quellen-TKÜ und die heimliche Online-Durchsuchung ist zuvorderst einfach Fahndung nach dem Schlüsselmaterial bei einer drohenden Gefahr. Mit diesen einfachen Überlegungen enthalte ich mich der Wertung, ob in dieser Woche ein EFail oder ein EFFFail passierte oder gar noch Schlimmeres wie "Das Ende der Sicherheit" (Süddeutsche Zeitung). Auffällig ist jedoch, wie eine Haltung um sich greift, die in den USA als Sicherheits-Nihilismus bezeichnet wird, aber wohl eher ein Pessimismus ist, die jeden Whistleblower und Tippgeber entmutigt. Dagegen geht was. Sonst verschlüsseln am Ende nur noch die, die sich vor Strafverfolgung schützen. Und Verschlüsselung ist kriminell.

*** Apropos Gefahr: Die sehr strenge und strikte "Sicherheitsaufsicht", mit der Julian Assange von seiner Hauptbeschäftigung als Internet-Existenz abgehalten wurde, wird nach Angaben aus Ecuador wieder gelockert. Zeitgleich mit dieser Nachricht wurde bekannt, dass Ecuador seit fünf Jahren ein Überwachungsprogramm aufgezogen hat, das ca. 56.000 Euro pro Monat kostet. Die Aufschlüsselung der Überwachung im Detail ist interessant: So kaufte der eucadorianische Geheimdienst Senain ähnlich wie das Regime in Ägypten oder in der Schweiz Software von der einstmals gehackten italienischen Firma Hacking Team, um Assange und seine Wikileaks-Aktivitäten besser überwachen zu können. Die "Personenschützer" von Assange wollten herausfinden, ob Wikileaks Material über Korruption in Ecuador und über den damaligen Präsidenten Correa gesammelt hatte.

Beim Militär-Projekt Maven soll untersucht werden, wie gut die in vielen Dingen eingebaute Künstliche Intelligenz von Google bei der Bildanalyse von Drohnenbildern ist. Taugt sie am Ende gar für eine automatische Zielauswahl bei bewaffneten Drohnen? Immer wieder gibt es Latenzzeiten, wenn eine Rakete abgeschossen wird, die Situation am Boden sich aber geändert hat und etwa Kinder auf ein Auto zulaufen, das getroffen werden soll. Gegen das Maven-Projekt regt sich Protest. Da gibt es Wissenschaftler, die sich an das alte Leitbild "Don't be Evil" von Google erinnern. Nicht böse sein, das wollte Google seit dem Jahre 2000 festschreiben, auch die später entstandene Mutterfirma Alphabet hatte ein ähnliches Leitbild mit Do the right thing in ihren Handreichungen. Zum Protest der KI-Wissenschaftler hat jemand recherchiert und schwupps, siehe da, ist der Satz Anfang Mai verschwunden. Der entschärfte, weichgespülte Verhaltenscodex von Google liest sich wie der von x-beliebigen anderen Firmen auch, die Mission ist gestrichen. Ein Hauch der Erinnerung ist geblieben, wenn es im neuen Kodex ganz am Ende im letzten Satz heißt: "don’t be evil, and if you see something that you think isn’t right – speak up!" Wenn man dann noch eine Chance hat, zu protestieren.

(mho)