Windows' Schrift-Renderer ist seit 4 Jahren kaputt und Microsoft juckt's nicht

Seit dem Mai 2019 funktioniert Microsofts ClearType nicht mehr korrekt, auch nicht in Windows 11. Das ist ein Armutszeugnis im Zeitalter von OLEDs.

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(Bild: Erstellt mit Bing Image Creator durch heise online)

Lesezeit: 4 Min.
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ClearType soll die Schrift in Windows-Betriebssystemen schöner aussehen lassen. Blöd nur, dass das bei Windows 10 seit dem 1903er-Update vom Mai 2019 nicht mehr richtig funktioniert. Den kaputten Schrift-Renderer hat Windows 11 geerbt – ClearType macht also auch dort nicht, was es soll.

Zu lang, nicht gelesen: Wir halten an dieser Stelle fest, dass ClearType seit vier Jahren kaputt ist. Das betrifft vor allem Leute, die OLED-Displays besitzen und farbempfindlich sind. OLED-Technik ist bei Desktop-PCs seit 2022 im Kommen, bei Notebooks schon länger. Unter Windows stellen OLEDs die Schrift bunt dar.

Microsoft scheint das so gar nicht zu interessieren. Im März 2023 haben wir nach einer Stellungnahme beziehungsweise Kontakt zu jemandem aus dem Typografie-Team gefragt. Beides blieb erfolglos.

Ein Kommentar von Mark Mantel

Mark Mantel ist seit 2019 Redakteur bei heise online und c't. Er kümmert sich hauptsächlich um die Online-Berichterstattung rund um PC-Hardware.

ClearType setzt auf Subpixel-Rendering, um die Schriftdarstellung zu verbessern: Windows steuert jedes Subpixel wie ein eigenständiges Pixel an, um etwa Rundungen in Buchstaben wie B zu glätten und somit fürs menschliche Auge angenehmer darzustellen. Das funktioniert am besten bei der am weitesten verbreiteten Subpixel-Anordnung Rot, Grün, Blau (RGB). Buchstaben fransen mit ClearType zwar etwas aus, allerdings ist der Effekt meistens so geringfügig, dass man das nicht wahrnimmt.

Problematisch wird's, wenn die Subpixel-Anordnung vom Standard abweicht. Dann kann eigentlich schwarzer Text regelrecht bunt werden. Manche Leute mögen daran vorbeisehen, aber andere stört das.

Genau das ist bei OLED-Monitoren und -Fernsehern der Fall. LG etwa verwendet Rot, Weiß, Blau, Grün (RWBG) – wegen des weißen Subpixels ist die Bezeichnung WOLED geläufig. Samsung reiht bei seinem Qantum-Dot-OLED (QD-OLED) die roten, grünen und blauen (RGB) Subpixel nicht wie üblich hintereinander an, sondern im Dreieck.

In Windows 10 und Windows 11 verbirgt Microsoft die ClearType-Einstellungen hinter einem fünfschrittigen Dialog: Fünfmal zeigt das Programm verschiedene Textfelder an – man soll jeweils das Feld anklicken, das man subjektiv am schönsten findet. Mit jedem neuen Schritt verfeinert ClearType die Einstellungen, vom grundsätzlichen Render-Typ (etwa RGB, BGR) über die Schriftdicke bis hin zum Kontrast. Am Ende sollte Windows die Präferenzen systemweit übernehmen.

Hier hapert es seit dem 1903er-Update. Die Schritte 3 bis 5 haben keinen Effekt mehr, werden also schlicht nicht übernommen. Ebenfalls blöd, wenn man unterschiedliche Monitore verwendet: Man kann sich zwar für jedes angeschlossene Display durch die ClearType-Einstellungen klicken, seit vier Jahren hat das aber auch keinen Effekt mehr: Alle Displays übernehmen ohnehin die Einstellungen des Hauptmonitors (also die, die man in den ersten zwei Schritten festlegt).

Dabei sind gerade die letzten drei ClearType-Schritte für OLED-Displays wichtig: In Schritt 3 kann man auf Grayscale-Rendering wechseln. Windows stellt die Subpixel dann so ein, dass ein gesamtes Pixel nur Grautöne anzeigt. In den Schritten 4 und 5 kann man dann unter anderem die Schriftdicke variieren.

ClearType am LG-Monitor 27GR95QE mit OLED-Panel (6 Bilder)

Schritt 3 in Cleartype: Ab hier könnte man Grayscale-Rendering einstellen (rechter Kasten), wenn das Programm denn ordentlich funktionieren würde. Klicken Sie sich durch, wenn sie die Boxen größer sehen möchten.
(Bild: heise online / mma)

Wenn das wie vorgesehen funktionieren würde, befänden wir uns in einer besseren Welt. Stattdessen müssen wir uns mit Kniffen herumschlagen.

Farbempfindlichen Leuten mit OLED-Display empfehle ich:

Irgendwas hat Microsoft nämlich doch bei Windows 11 geändert. Dort reicht es, ClearType auszustellen, was bei Windows 10 ohne den BetterClearTypeTuner grausig aussieht. In beiden Fällen werden Buchstabenstriche übrigens nicht verblasst gerendert wie in den ClearType-Fotos oben. Problematisch sind bloß feine Schriftarten, die teilweise nur mit einer Dicke von einem Pixel gerendert werden.

Wer einen großen OLED-Fernseher am PC betreibt, ist weniger betroffen. Zum einen ist die Schrift dort normalerweise deutlich größer, zum anderen sitzt man weiter weg. Dadurch fallen Farbsäume nicht so sehr auf.

Als Alternative gibt es noch MacType, das alle möglichen Optionen bis hin zur Intensität des Textschattens bereitstellt. Ich habe damit eine Woche lange herumgespielt, habe aber mit allen versuchten Einstellungen immer irgendwo Text gefunden, der nicht mehr sauber gerendert wurde – besonders heikel waren Messenger-Apps.

Dass man sich im Jahr 2023 noch Gedanken um Banalitäten wie das Rendering von Text machen und da dermaßen Zeit hineininvestieren muss ... was soll man da noch sagen?

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(mma)