Afrikas Internet-Community beginnt sich zu emanzipieren

Mit einer Serie von Konferenzen und dem Aufbau neuer Netzwerke versucht die afrikanische Internet-Community, ein klareres Profil und größeres Gewicht in der internationalen Diskussion zu gewinnen.

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Von
  • Wolfgang Kleinwächter

Mit einer Serie von Konferenzen und dem Aufbau neuer Netzwerke versucht die afrikanische Internet-Community, ein klareres Profil und größeres Gewicht in der internationalen Diskussion zu gewinnen. Dabei wird die von Nii Quaynor, einem ehemaligen ICANN-Direktor, bereits im Jahr 2000 gegründete African Network Operators Group (AFNOG) mehr und mehr zum Gravitationszentrum der bislang eher lose zusammenarbeitenden Internetgrüppchen in Afrika. AFNOG wurde zunächst gebildet als eine Plattform zum Austausch von technischem Wissen, vor allem für Provider. Mehr und mehr entwickelt sich aber AFNOG zu einer Art afrikanischem "Internet Governance Forum", bei dem sowohl über Technik als auch über Internetpolitik und -wirtschaft gesprochen wird.

An der am gestrigen Montag im kenianischen Nairobi beendeten 7. AFNOG-Tagung nahmen rund 100 Experten aus mehr als 30 afrikanischen Staaten teil. Als ein großer Erfolg wurde vermeldet, dass bei den der AFNOG-Tagung vorausgehenden Serie von Workshops und Tutorials erstmalig mehr afrikanische als amerikanische und europäische Dozenten im Einsatz waren. "Afrikas Internet-Community emanzipiert sich", sagte Quaynor bei der Abschlussdiskussion, auf der über eine weitere Vernetzung der bereits existierenden oder im Entstehen begriffenen afrikanischen Netzwerke gesprochen wurde. Quaynor verwies dabei insbesondere auf das "Memorandum of Understanding" (MoU), das AFNOG mit AFRINIC unterzeichnet hat. AFRINIC wurde im vergangenen Jahr von ICANN als die fünfte regionale IP-Registry (Regional Internet Registry, RIR) anerkannt; sie ist für die Vergabe von IP-Adressen für den afrikanischen Kontinent zuständig. AFRINIC führt seine Jahrestagung im Anschluss an die AFNOG Konferenz ebenfalls in Nairobi durch.

Neben AFNOG und AFRINIC beginnen sich weitere kontinentale Netzwerke zu konstituieren. So wollen sich die bislang mehr auf dem Papier existierenden afrikanischen Internetorganisationen der Provider (AfriISPA) und der Manager der Länderdomains (AFTLD) reorganisieren und eine aktivere Rolle sowohl in Afrika selbst als auch in internationalen Gremien wie ICANN, IETF und Internet Governance Forum (IGF) spielen. Alain Levain vom südafrikanischen Ableger der Internet Society (ISOC) kündigte den Aufbau einer regionalen afrikanischen Organisation der Internet-Nutzer unter dem Dach von ICANNs Nutzervertretung, dem At Large Advisory Committee (ALAC), an. Die Gründung einer "African Regional At Large Organisation" (AF-RALO) soll beim bevorstehenden ICANN-Treffen in Marrakesh im Juni 2006 diskutiert werden. Pascal Andoh Hoba von der Vereinigung afrikanischer Universitäten informierte über erste Schritte der Bildung eines regionalen Netzwerkes von Internetforschern und -lehrern. Das African Research and Education Network (AREN) will sich noch im Jahre 2006 konstituieren. AREN will sich auch in das vom Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) beschlossene   IGF einbringen und sich dabei in das im Entstehen begriffenen Global Internet Governance Research Network (GIGANet) integrieren.

Alle diese kontinentalen Gremien in Afrika wollen sich über so genannte "Liaisons" untereinander vernetzen. Quaynor legte Wert darauf, dass keine neuen Bürokratien entstehen sollen. Man wolle vielmehr den Informationsfluss durch Vernetzung verbessern. Dies würde auch helfen, die Rolle des privaten Sektors und der Zivilgesellschaft in Afrika zu stärken und sich effektiver in die internationale Diskussion einzumischen, um spezifische afrikanische Interessen zu vertreten. Ein starker nicht-regierungsamtlicher Sektor in Afrika sei gerade im Bereich des Internets notwendig, um stärker Einfluss zu nehmen auf die nationale Politik von Regierungen, die mehr und mehr das Internet als einen wichtigen Faktor auf der innenpolitischen Agenda entdecken. Zur Eröffnung der AFNOG-Tagung hatte Bitange Ndemo, Vizeminister für Kommunikation der Republik Kenia, auf die großen Möglichkeiten hingewiesen, die sich aus einer verstärkten Nutzung des Internets für Afrika als Ganzes und für jedes einzelne Land ergeben können. Kenia werde dabei den Weg eines liberalen Umgangs mit dem Internet einschlagen – was bislang nicht überall in Afrika der Fall ist. Zahlreiche Teilnehmer der AFNOG-Tagung berichteten von wachsender Regierungskotrolle und Zensur aus ihren Ländern. (Wolfgang Kleinwächter) / (jk)