Atomkraft: Fukushima Daiichi 13 Jahre nach dem Super-GAU

Vor 13 Jahren zerstörte ein Tsunami das AKW Fukushima Daiichi. Aus dem Anlass regt sich Protest gegen Atomkraft.

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Wassertanks in Fukushima

Wassertanks auf dem Gelände des AKW Fukushima Daiichi.

(Bild: Tepco)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Am 11. März 2011, heute vor 13 Jahren, wurde nach einem Seebeben und dabei ausgelösten Tsunami an der japanischen Pazifikküste das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi zerstört. Die Arbeiten daran, die durch Explosionen und Kernschmelzen entstandenen Schäden zu beseitigen, dauern an und werden noch Jahrzehnte dauern. In dieser Hinsicht wurden am Standort des Unglücks gegenüber dem Vorjahr wenig Fortschritte erzielt. Derweil wird in Japan wieder mehr Strom durch Kernspaltung erzeugt.

Die NGO Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) nahm den Jahrestag zum Anlass, in der Süddeutschen Zeitung eine ganzseitige Anzeige zu schalten. "Atomenergie ist teuer, ungeeignet zur Klimarettung und gefährlich. Das gilt umso mehr im Krieg, in dem jede Atomanlage zu einem unkalkulierbaren Sicherheitsrisiko wird", heißt es darin, von knapp 1700 Ärzten und Förderern unterzeichnet. Sie beziehen sich dabei auf das von Russland okkupierte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja, in dem es durch einen länger dauernden Stromausfall zu einer Kernschmelze kommen könne. Beispielsweise sei im Dezember 2023 dort die Stromversorgung ausgefallen.

Ein Erdbeben der Stärke 3,2 auf der Richterskala in Südböhmen veranlasste vergangene Woche den oberösterreichischen Landesrat Stefan Kaineder (Grüne) zu einer Mahnung. Das Erdbeben habe sich 32 Kilometer vom Atomkraftwerk Temelín ereignet: "Es führt abermals vor Augen, welchen tödlichen Gefahren wir uns mit der Atomkraft ausgesetzt sehen und wie machtlos wir sind, wenn es zum Desaster kommt." Laut einem Bewertungsbericht (PDF) für die österreichische Regierung ist das AKW Temelin für ein Erdbeben der Stärke 6 ausgelegt. Unklar sei es, ob angesichts der Wahrscheinlichkeit stärkerer Beben gewährleistet ist, ob es solchen standhält.

Ein Erdbeben der Stärke 7 in der Nähe des westjapanischen AKW Shika mit seinen zwei Reaktoren am 1. Januar dieses Jahres soll dessen Auslegungsgrenze teilweise überschritten haben. Entgegen ersten Berichten habe das Beben und ein anschließender drei Meter hoher Tsunami Schaden verursacht. So seien Stromtransformatoren beschädigt worden. Beide Blöcke des AKW Shika sind seit dem Fukushima-Super-GAU im März 2011 außer Betrieb. Betreiber Hokuriku Denryoku will das AKW wieder in Betrieb nehmen, dagegen gibt es lokalen Widerstand. Frühere Gutachten hatten die Gefährdung des AKW durch Erdbeben verneint, inzwischen hat die japanische Atomaufsicht neue Untersuchungen angeordnet.

In Fukushima Daiichi geht es immer noch darum, das geschmolzene Brennmaterial in drei der vier Reaktoren zu erkunden, bevor es geborgen werden kann. In Block 2 beispielsweise wurde eine erste Probebergung mit einem Roboter zum dritten Mal verschoben, dieses Mal von März 2024 auf den kommenden Oktober, wie die deutsche Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit erläutert.

Im Februar dieses Jahres meldete der AKW-Betreiber Tepco eine Leckage im Zusammenhang mit dem Kühlwasser aus den havarierten Reaktoren, das auf dem Gelände in großen Mengen gelagert und aufbereitet wird. 5500 Liter aufbereitetes Wasser sei ausgetreten, es habe auf einer Fläche von 4 m x 4 m eine Höhe von etwa 1 mm erreicht. Sie werde abgetragen, da das Wasser durch Spalten zwischen die den Boden abdeckenden Metallplatten gesickert sein könnte.

Unterdessen hat Tepco wie von der japanischen Regierung genehmigt damit begonnen, aufbereitetes Kühlwasser aus den etwa 1000 Tanks mit zusammen etwa 1,3 Millionen Tonnen Wasser auf dem Gelände in den Pazifik einzuleiten. Bisher wurden drei "Einleitungskampagnen" abgeschlossen, seit Ende Februar läuft die Vierte, die bis zum 17. März abgeschlossen sein soll.

Anfang Februar dieses Jahres waren die Tanks zu 97 Prozent gefüllt, für weitere Tanks, um das weiterhin anfallende kontaminierte Kühlwasser zu lagern, ist auf dem AKW-Gelände nicht mehr ausreichend Platz. Außerdem soll die Strahlenbelastung für die Fachkräfte, die auf dem Gelände arbeiten, verringert werden.

Bevor das Wasser über eine kilometerlange Leitung ins Meer eingeleitet wird, wird es auf den Gehalt von 30 Radionukliden überprüft, darunter Tritium. Darüber hinaus analysiert Tepco die Konzentrationen von 39 weiteren Nukliden, die durch das ALPS genannte Aufbereitungsverfahren gefiltert wurden und im behandelten Wasser keine signifikanten Konzentrationen mehr aufweisen sollten.

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Die Gesamtkonzentration aller vorhandenen Radionuklide im Wasser darf einen bestimmten Wert nicht überschreiten. Um diese Anforderung zu erfüllen, wird die gemessene Konzentration jedes einzelnen Radionuklids in Relation zu seinem spezifischen, gesetzlich festgelegten Grenzwert gesetzt. Die Summe dieser Verhältnisse über alle von der Behörde vorgegebenen Radionuklide soll kleiner als 1 sein – mit der Ausnahme von Tritium. Wenn alle diese Kriterien erfüllt sind, wird das Wasser mit Meerwasser verdünnt in den Pazifik eingeleitet.

Die IPPNW weisen darauf hin, dass "noch immer mehr als 27.000 Menschen in der Präfektur Fukushima nicht nach Hause zurückkehren können". Dennoch setzten Politiker weltweit und teilweise auch in Deutschland weiterhin auf diese Technologie. Die CDU befürwortet im Entwurf ihres neuen Grundsatzprogramms die Nutzung der Atomkraft. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Forderungen nach einem Wiedereinstieg in die Atomkraft vor Kurzem erneut eine Absage erteilt. "Wenn sich jetzt jemand entscheidet, ein Kernkraftwerk zu bauen, ist das nach den gegenwärtigen Bauzeiten in 15 bis 20 Jahren fertig. Da müssen wir alle unsere Probleme längst gelöst haben", sagte Scholz auf die Frage eines Schülers in einer Fragerunde an einem beruflichen Schulzentrum im baden-württembergischen Sindelfingen.

Die japanische Regierung hat Anfang 2023 beschlossen, sowohl den Neubau als auch längere Laufzeiten für KKW zuzulassen. Das neue System sieht vor, dass statt der bislang gesetzlich vorgeschriebenen maximalen Laufzeit von 60 Jahren nach den ersten 30 Betriebsjahren alle 10 Jahre eine Laufzeitverlängerung geprüft und bei Erfüllung aller Sicherheitsanforderungen gewährt werden kann. Eine Höchstgrenze für den Betrieb ist nicht vorgesehen.

Der Super-GAU von Fukushima (77 Bilder)

Das AKW Fukushima Daiichi mit seinen sechs Reaktorblöcken vor der Katastrophe. Es liegt Luftlinie rund 250 km von Tokio entfernt. Alle sechs Blöcke basieren auf den Siedewasserreaktor-Baureihen BWR 3 bis BWR 5 des US-Unternehmens General Electric; gebaut wurden sie zwischen 1971 und 1979. Block 1 sollte ursprünglich Ende März 2011 stillgelegt werden, die japanischen Behörden genehmigten Februar 2011 aber eine Laufzeitverlängerung um zehn Jahre.
(Bild: dpa)

In Japan waren nach dem Super-GAU zeitweise sämtliche der dort 54 zuvor betriebenen Reaktoren für rund zwei Jahre abgeschaltet. Zwölf von ihnen sind mittlerweile wieder am Netz. Dieses Jahr soll Onagawa-2 folgen, weitere Wiederinbetriebnahmen sind für die nächsten Jahre geplant. Zudem baut und plant Japan neue Atomkraftwerke.

(anw)