CO2-Ausstoß bei RTL+: 1 Stunde Streaming entspricht 150 Meter Autofahrt

Laut einer Analyse von RTL werden beim einstündigen Video-Streamen durchschnittlich 42,7 Gramm CO₂-Äquivalente emittiert. Viel hänge vom Endgerät ab.

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Winziger Röhrenfernseher der Marke Admiral

Umweltschutz-Fernseher: Der Energieverbrauch hängt wesentlich von der Bildschirmdiagonale ab, ob man nun Rundfunk empfängt oder streamen lässt. Size matters.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.
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Intensive Nutzung von Streaming-Diensten führt zu erheblichem Stromverbrauch. Die Folge: Die Effizienzsteigerungen aus Digitalisierung führen nicht oder nur teils zu weniger Emissionen (Rebound-Effekt). RTL Deutschland hat ausgerechnet, dass eine Stunde RTL+-Streaming im Durchschnitt zum Ausstoß von 42,7 Gramm CO₂-Äquivalenten führt.

"Dies würde in etwa einer Autofahrt von 150 Metern entsprechen", veranschaulicht RTL das Resultat. Die Berechnung bezieht sich auf die gesamte Auslieferkette, wenn jemand RTL+ mit einer durchschnittlichen Datenrate von 5,43 MBit/s nutzt. Der Streaming-Dienst hat aktuell 3,4 Millionen Abonnenten, Tendenz steigend.

Viel hängt von der Berücksichtigung der beeinflussbaren und verwendeten Ökostromtarife sowie von den genutzten Endgeräten beim Konsumenten ab. Klassische Fernsehgeräte haben den höchsten Energieverbrauch und entsprechend die meisten Emissionen. Smartphone und Tablet schneiden deutlich besser ab.

Die heise online vorliegende Analyse des CO2-Fußabdrucks zeigt, dass beim Transport von Videodaten zum Verbraucher 11,1 g CO2e/h entstehen. Dieser Wert umfasst Backbone sowie Anschlussnetze, sei es breitbandiges Festnetz oder Mobilfunk. Der größte Anteil des Energieverbrauchs, der zu durchschnittlich 30,9 g CO2e/h führt, entfällt auf die Endgeräte. Statt zu streamen DVDs anzuschauen, würde also nur bedingt helfen, mit dem Auto ins Kino zu fahren schon gar nicht.

Für die einzelnen Gerätetypen variieren die Emissionen stark. Während Nutzer mit einem typischen 100-Watt-Fernseher die meiste Leistung benötigen und damit rund 37,5 g CO2e/h verursachen, produzieren Kunden, die Inhalte auf einem Smartphone ansehen, nur 0,4 g CO2e/h. Maßgeblich für den Stromverbrauch ist die Bildschirmgröße des Endgeräts. Peripheriegeräte wie WLAN-Router, Mediaplayer und Set-Top-Boxen erzeugen zusätzlich 4,5 g CO2e/h.

Rundfunk statt Streaming hilft allerdings auch nicht wirklich. Zwar ist das in aller Regel eingesetzte Unicast-Streaming, bei dem für jeden Zuschauer ein eigener Datenstream durchs Netz geschickt wird, im Vergleich zu klassischem Rundfunk ausnehmend ineffizient. Mittels Rundfunk verbreitetes Fernsehen wird laut den Experten allerdings fast nur auf größeren Fernsehbildschirmen konsumiert, womit der durchschnittliche Stromverbrauch noch höher sein dürfte als bei Streaming.

Die Resultate zeigen laut RTL, dass der langfristige Übergang zu Ökostrom die Emissionen in allen Teilen der Übertragungskette verringern und mittelfristig auf netto null drücken kann. Zudem sei der Einsatz energieeffizienter Geräte und deren Öko-Einstellungen entscheidend, um den Stromverbrauch sowie den CO2-Fußabdruck beim Streaming zu senken. Weitere Optimierungen könnten effizientere Auslastung der Rechenressourcen und effizientere Übertragung von Videos erzielen.

So hat RTL den Energieverbrauch in den verschiedenen Stufen der Streaming-Kette ermittelt.

(Bild: RTL)

Anders als zum Zeitpunkt der Untersuchung bietet RTL+ mittlerweile auch Musik-Streaming an. Die "weitaus geringeren Datenmengen" für Ton sowie die Nutzung des Dienstes primär auf mobilen Geräten bedeuten dabei viel geringere Emissionen.

Das französische "The Shift Project" hat den CO₂-Fußabdruck von Videostreaming 2019 auf 3200 Gramm CO2-Äquivalente in der Stunde (g CO2e/h) taxiert. Dabei soll es aber zu Fehlern bei der Umrechnung von Bitraten in Bytes gekommen sein. Zudem beruhte diese Einschätzung laut Kritikern auf falschen Modellannahmen.

Der "Carbon Trust" ging 2020 für Deutschland von 76 Gramm CO2e/h für Videostreaming aus. Den vergleichsweise niedrigen Ausstoß in seiner aktuellen Analyse erklärt RTL damit, dass das Sendezentrum "eine Vorreiterposition" einnehme und keine CO2-Emissionen verursache.

Christian Herglotz vom Lehrstuhl für Multimediakommunikation und Signalverarbeitung der Uni Erlangen-Nürnberg, der die Studie auf Plausibilität geprüft hat, lobt, dass RTL an energieeffizienten Lösungen für Streaming forsche und arbeite. Die Erkenntnisse veranschaulichten, "welche Stellschrauben es gibt und welchen globalen Einfluss sie haben". Es dürfe nicht vergessen werden, "dass die lokalen Rechnernetzwerke eines streamenden Sendeunternehmens ebenfalls einen enormen Energieverbrauch haben".

(ds)