Das Kamerajahr 2021: Ein Rück- und Ausblick

Nur noch wenige Augenblicke und 2021 ist vorbei. Zeit, das Kamerajahr Revue passieren zu lassen und dabei die Trends für 2022 zu entdecken.

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(Bild: REDPIXEL.PL/Shutterstock.com)

Lesezeit: 11 Min.
Inhaltsverzeichnis

Unseren Jahresrückblick starten wir mit imposanten Zahlen und einem Vergleich zu 2011 – damals war am Kameramarkt nämlich noch vieles in guter Ordnung. Das belegen unter anderem die Daten des Interessenverbands der japanischen Fotoindustrie (CIPA), zu dem praktisch alle namhaften Hersteller gehören. Demnach betrug der Rückgang ihrer Kameraauslieferungen von 2011 bis 2021 etwa 90 Prozent. Wir beziehen uns dabei jeweils auf den Zeitraum von Januar bis Oktober, da die Daten für das laufende Jahr lediglich für diese Spanne abrufbar sind.

Die absoluten Zahlen lesen sich sogar noch imposanter. Knapp 100 Millionen Digitalkameras lieferten Canon, Nikon, Sony und Co. von Januar bis Oktober 2011 aus. Im selben Zeitraum 2021 waren es noch lediglich knapp sieben Millionen.

Dabei zeigen sich erwartbare strukturelle Veränderungen, denn den Hauptteil am Kameramarkt hielten vor zehn Jahren noch die einfachen Kompaktkameras mit etwa 86 Millionen Stück – mehr als 85 Prozent. Heute spielen diese Modelle mit festverbautem Objektiv mit zwei Millionen Stück nur noch eine Nebenrolle.

Runtergebrochen auf Deutschland bedeutet dies konkret: 2011 konnten Fotografinnen und Fotografen noch aus einer schier unüberschaubaren Modellfülle wählen, denn die Hersteller warfen deutlich mehr als 100 Geräte auf den Markt. Mit dabei: längst vergessene Namen wie "Kodak Easy Share" oder "Casio Exelim", zahlreiche Samsung-Kompakte sowie -Systemkameras, Typ-1-Zoll-Spiegellose von Nikon, Bridgekameras mit Monsterzoom und als revolutionär gefeierte Lichtfeldkameras.

In diesem Jahr wurden dagegen weniger als 20 Fotokameras angekündigt. Nicht alle davon kamen auch tatsächlich auf den Markt wie beispielsweise Panasonics Lumix GH6. Fleißigster Hersteller war Sony mit fünf auf den Markt gebrachten Kameras, wenn man die Facelifts für A7R III und A7R IV mitzählt.

Die Kameras des Jahres 2021 (17 Bilder)

Modell: Canon EOS R3
Typ: spiegellose Systemkamera
Sensorformat/Auflösung: Vollformat/ 20 Megapixel
Zielgruppe: Profi-Fotografen im Bereich Natur- und Sportfotografie
UVP: 6000 Euro
(Bild: Canon)

Sony begründete mit der spiegellosen Vollformatkamera A1 außerdem den Kameratrend 2021: spiegellose Super-Profis für Foto und Video. Sie brechen nicht nur Preisrekorde, sondern setzen außerdem neue Akzente in Sachen Geschwindigkeit und Autofokus. Zur Sony-Spiegellosen A1 sind vor wenigen Wochen außerdem die Canon EOS R3 (RF-Bajonett) und die Nikon Z 9 (Z-Bajonett) gestoßen – die ersten spiegellosen Modelle dieser Hersteller, die tatsächlich auf und über Augenhöhe zu den absoluten Spiegelreflex-Topmodellen stehen.

Sie liefern Serienbildraten von 30 Bildern pro Sekunde, erreichen Verschlusszeiten von 1/32.000 s und kürzer und haben mächtige Autofokussysteme mit bis zu 1053 Messpunkten (EOS R3). Videos nehmen Sie mindestens in 4k auf, Nikons Z 9 und die Sony A1 schaffen sogar 8k und arbeiten dafür mit sehr mit hohen Auflösungen von 46 beziehungsweise 50 Megapixeln. Mit der Sony A1 überschreitet eine spiegellose Vollformatkamera (ohne roten Punkt) außerdem die 7000-Euro-Grenze – ohne Objektiv versteht sich. Das hat bisher noch nicht einmal Leica mit seine SL-Serie fertig gebracht.

Angesichts dieser Entwicklung steht die Frage im Raum, ob wir jemals wieder eine bespiegelte Kamera von Canon oder Nikon auf dem Markt sehen werden, denn die unteren Niveau- und Preisklassen haben auch diese Hersteller längst auf spiegellos getrimmt. Wahrscheinlich sehen wir 2022 nur noch Pentax-Modelle mit klassischer Spiegelreflex-Technik.

Der fortschreitenden Professionalisierung sind in diesem Jahr andere Modelltypen komplett zum Opfer gefallen. So gab 2021 keine einzige Typ-1-Zoll-Kompaktkamera von Canon, Panasonic und Co. Verschwunden ist das Sensorformat deshalb aber nicht, vielmehr hat Sony es in seine Smartphone-Sparte migriert. Dort arbeitet es nun im Xperia Pro-I, einem High-End-Mobiltelefon für knapp 1800 Euro.

Noch steht dieses Modell mit einem solch‘ großen Sensor allein im Smartphone-Markt, doch Samsung, Huawei und Co. sind davon nicht mehr weit entfernt. Wer möchte da noch eine teure Typ-1-Zoll-Kompaktkamera kaufen, die tatsächlich keine bessere Bildqualität mehr liefern kann. Die einzige Kamera mit festverbautem Objektiv, die in diesem Jahr von den großen Herstellern auf den Markt kam, war die Ricoh GR IIIx mit APS-C-Sensor.

Mit dem Xperia Pro-I hat Sony ein Smartphone mit Typ-1-Zoll-Sensor auf den Markt gebracht.

(Bild: Sony)

Ganz am Rande: Dass Einfach-Kompaktkameras verschwunden sind, ist nicht ganz korrekt. In den Amazon-Bestsellerlisten finden sich noch immer solche Modelle, die nicht mehr als 50 bis 70 Euro kosten. Sie tragen heute nur entweder gar keinen Produktnamen mehr oder heißen etwa Voxpan oder Zornik und sie kommen über Händler aus China. Sie richten sich teils gezielt an Kinder oder wollen mit Spezialfertigkeiten wie Wasserdichtigkeit oder USB-Streaming sehr günstige Lösungen für spezielle Anwendungen liefern. Fotografen stehen hier freilich nicht im Fokus.

Zwischen Typ-1-Zoll und Vollformat gibt es aber natürlich noch mehr. Dazu gehört auch das Micro-Four-Thirds-System (MFT) rund um den FourThirds-Sensor. Akzente konnte es 2021 nicht setzen.

Olympus-Erbe OMDS legte mit der E-P7 eine sehr brave, wenig innovative Spiegellose vor, die vor allem am Glanz der alten Pen-Modelle anknüpfen wollte. Die Zäsur, das von OMDS für 2021 angekündigte Wow, kam an anderer Stelle: Der Markenname "Olympus" ist Geschichte – zumindest auf Kameras. Das gab der Präsident von OM Digital Solutions in einer Videobotschaft bekannt Ende Oktober bekannt. Alle neuen Produkte werden künftig den Markennamen "OM System" tragen. "Man befreie sich von seinem Erbe, um ein neues Kapitel aufzuschlagen", heißt es in dem Video. Zu groß soll der Befreiungsschlag aber offenbar dann doch nicht seien, darauf deutet zumindest der Nachsatz: "Unser Name mag sich ändern, aber wer wir sind und für was wir stehen, nie."

Die Panasonic Lumix GH6 wird wohl erst im nächsten Jahr auf den Markt kommen.

(Bild: Panasonic )

Panasonic lieferte 2021 lediglich die Modellpflege Lumix GH5 II, die sich noch stärker in Richtung Video orientiert und beteuerte, man halte weiterhin an MFT fest. Die vor Monaten angekündigte GH6, die einen völlig neu entwickelten Sensor sowie eine neue Prozessoreinheit besitzen soll, hat es allerdings nicht mehr in diesem Jahr auf den Markt geschafft. Die Gründe dafür dürften vielfältig sein.

Längst ist klar, dass nicht nur die mangelnde Nachfrage, die Produktplanung der Hersteller unter Druck setzt, sondern vor allem auch der allgegenwärtige Chipmangel. So antwortet Sony auf eine c’t-Fotografie-Anfrage dazu: "Wir gehen davon aus, dass sich Situationen wie der weltweite Halbleiter-Lieferengpass auf die Beschaffung von Komponenten für viele unserer wichtigsten Produkte auswirken werden." Diese Auswirkungen auf die Produktion und der Anstieg der Kosten für Teile, die sich aus den Lieferengpässen ergeben, seien jedoch in den Prognosen berücksichtigt und man bemühe sich, die die Auswirkungen auf das Geschäft und die Kunden zu minimieren.

Nun ja, wie das aussehen kann, zeigte sich Ende November, als Sony Japan bekannt gab, mehrere Produkte aufgrund der weltweiten Halbleiterknappheit zumindest vorübergehend aus dem Programm nehmen zu wollen. Das Unternehmen entschuldigte sich dafür. Im Kamerabereich sind davon die alte Vollformat-Spiegellose A7 II betroffen, die bei anderen Herstellern wahrscheinlich gar nicht mehr im Programm wäre. Immerhin ist mit der A7 IV schon der zweite Nachfolger verfügbar. Überraschender kommt die vorübergehende Aussetzung schon für das erst 2019 eingeführte APS-C-Modell A6400 sowie für die Vloggerkamera ZV-E10.

Auch Canon sieht in seinem letzten Geschäftsbericht das Risiko, dass die Teileknappheit sowie die hohe Nachfrage nach Transportkapazitäten zu Auslieferungsverzögerungen führen könne. Herstellern wie Panasonic dürfte es da nicht anders gehen.

Aufgrund der Teilknappheit stellte Sony die Produktion mancher Kameramodelle vorübergehend ein. Betroffen ist unter anderem das das junge Modell ZV-E10. Eine spiegellose APS-C-Kamera, die sich an Youtuber und Vlogger richtet.

(Bild: Sony)

Vermutlich wird die Micro-Four-Thirds-Spiegellose Panasonic GH6 also erst im Frühjahr 2022 auf den Markt kommen. Die offiziellen Infos zur Kamera sind bisher spärlich. Bekannt ist lediglich, dass sie 4k-Material mit 60 Bildern pro Sekunde bei 4:2:2 10-Bit unbegrenzt aufzeichnen soll und auch 5,7k-Videos soll sie mit dieser Bildrate abliefern können.

Ebenso will MFT-Partner OMDS mit einem neuen Topmodell durchstarten. Dazu hat der Hersteller bereits ein kurzes Teaservideo veröffentlicht, das die Umrisse einer Kamera zeigt. Anders als bei der GH6 gibt es hier allerdings keinerlei offiziellen Details zur technischen Ausstattung. Damit, dass man etwas Großes im Köcher habe, kokettiert OMDS allerdings bereits seit Anfang des Jahres. Viel konkreter ist der Hersteller im Laufe der Monate nicht geworden. Er steht 2022 also mächtig unter Zugzwang.

Der kleinere Sensor des Micro-Four-Thirds-Systems braucht dringend eine Erneuerung, um mit der APS-C- und Vollformatkonkurrenz mithalten zu können. Und nicht nur damit: Auch Smartphones professionalisieren sich in Sachen Bildqualität immer weiter. Den unteren Bereich des Kameramarkts in Form der einfachen Kompaktkameras, haben sie bereits verschlungen. 2021 haben sie sich den Typ-1-Zoll-Chip einverleibt. So viel Platz ist dann zum FourThirds-Chip auch nicht mehr.

Bewegung werden wir im kommenden Jahr wohl auch am Objektivmarkt sehen, denn die spiegellosen Systeme von Canon und Nikon werden sich weiter etablieren, sodass mehr Fremdhersteller für deren Bajonette produzieren werden. Möglicherweise steigen bereits im kommenden Jahr Sigma und Tamron mit ein. Beide sind dafür bekannt, viele auch längere Brennweiten zu vergleichsweisen günstigen Preisen anzubieten. Mit ihrem Engagement für die spiegellosen Modelle von Canon und Nikon würden sie nicht nur bisherige Objektivlücken schließen, sie würden auch das Vertrauen in diese Bajonette festigen.

Das könnte beispielsweise für ebenso junge Systeme wie Panasonics Lumix S rund um die Vollformatspiegellosen mit L-Mount problematisch. Panasonic setzt sich hier zwar mit einem professionellen Videoschwerpunkt ab, doch vor allem Sony und auch Canon holen schnell auf. Spannend wird außerdem sein, wie sich Fujifilm mit seinem Mittelformatsystem weiter positioniert. Im vergangenen Jahr hat der Hersteller versucht, die GFX-Modelle auch für Nicht-Studio-Fotografen interessanter zu machen. Unsere Tests haben aber bereits gezeigt, dass die spiegellosen Vollformate derselben Preisklasse in Sachen Funktionsumfang schon meilenweit voraus sind. Wäre angesichts dessen eine Kurskorrektur sinnvoll? Immerhin soll das bisherige APS-C-Topmodell von Fujifilm mit der X-H2 im nächsten Jahr einen Nachfolger bekommen. Neben einem 26-Megapixel-Modell will der Kamerahersteller eine 40-MP-Variante anbieten und damit auflösungstechnisch zu den hochwertigen Vollformatmodellen aufschließen.

Viele Fragen sind also für das nächste Jahr offen, sicher ist nur eins: Der Konzentrationsdruck am Markt wird sich weiter.

(ssi)