Deutsche Bahn will Schienennetz umfassend sanieren

Besonders hochbelastete Korridore will die DB "gebündelt" sanieren. "Die Kunden werden durch ein Tal der Tränen gehen", sagte EVG-Chef Klaus-Dieter Hommel.

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(Bild: dpa, Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa)

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Die Deutsche Bahn (DB) will die Sanierung des Schienennetzes zu ihrer zentralen Aufgabe in den kommenden Jahren machen. DB-Chef Richard Lutz sprach am Montag von einem "Paradigmenwechsel in der Infrastruktur". Die aktuellen Probleme mit Zuverlässigkeit und Qualität "liegen im Kern an mangelnder Kapazität und überalterten Anlagen in der Infrastruktur. Das müssen und werden wir gemeinsam angehen – Bund, Bahn und die gesamte Branche".

Die notwendigen Bauarbeiten sollen in den kommenden Jahren gebündelt werden – voraussichtlich ab 2024. Dafür seien zwar längere Sperrpausen notwendig, diese gingen aber durch bessere Vorplanung mit höherer Verlässlichkeit und längeren Vorlaufzeiten für alle Beteiligten einher, erläuterte die DB. Sie verspricht sich durch die "Bündelung" Baufreiheit für mehrere Jahre und dadurch positive Impulse für Kapazität und Qualität im gesamten Netz.

"Noch nie waren auf dem deutschen Netz so viele Züge unterwegs wie in diesen Tagen", schreibt die DB. Das Streckennetz sei aber nicht mitgewachsen. Gleichzeitig habe sich die Substanz weiter verschlechtert, weil viele Anlagen überaltert und deshalb störanfällig seien. Bund und Bahn hätten zwar seit einigen Jahren umgesteuert. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass dieses Modernisierungsprogramm eine nie dagewesene Anzahl an Baustellen mit sich bringe, die zusätzliche Kapazität kosten und massive betriebliche und verkehrliche Auswirkungen nach sich ziehen.

Bis zur Sommerpause will die DB zusammen mit dem Verkehrsministerium ein Konzept für eine "gemeinwohlorientierte Infrastruktur aus einem Guss" ausgearbeitet und vorgelegt haben. Darin soll es vor allem um eine Generalsanierung der hochbelasteten Korridore gehen. Diese sieht die DB in den Knoten Hamburg/Hannover, Frankfurt am Main, Stuttgart und München sowie auf den Strecken Dortmund–Duisburg–Düsseldorf–Köln, Mannheim–Karlsruhe–Basel und Würzburg–Nürnberg sowie im Mittelrheintal.

Korridore mit höchster Auslastung, die ausgebaut werden sollen.

(Bild: Deutsche Bahn)

Auf diesen 3500 km Netz liege die durchschnittliche Auslastung ohne Bauaktivitäten bei 125 Prozent, mit Bauarbeiten könne sie auf 150 Prozent ansteigen, erläuterte Lutz. Insbesondere hier, auf den hochbelasteten Strecken, müsse ein Hochleistungsnetz entwickelt werden.

"Die Bahnverkehrsunternehmen und die Kunden werden durch ein Tal der Tränen gehen", sagte der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Klaus-Dieter Hommel, der auch Vizechef des Bahn-Aufsichtsrats ist. Es werde Jahre dauern, bis es besser wird. "Aber die Kunden werden das honorieren, weil die Situation auf der Straße auch nicht besser wird und sie umweltbewusst sind."

"Die Überalterung und Kapazitätsprobleme sind selbst verursacht", ergänzte Hommel laut dpa. Die Instandhaltung sei sträflich vernachlässigt worden. Das betreffe nicht nur Nebenstrecken, sondern das 3500 km lange Kernnetz, das die Hauptlast des Bahnverkehrs trage und ein Sanierungsfall sei. Ziele wie die Verdoppelung der Fahrgastzahl und der einheitliche Fahrplantakt für Deutschland seien damit unrealistisch.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorher bereits gefordert, dass Bauarbeiten mehr koordiniert werden sollten. "Baumaßnahmen sollten korridorbezogen und immer vollständig durchgeführt werden, damit nicht immer irgendwo eine Baustelle ist", sagte Wissing. Dazu werde an einem Konzept für ein Hochleistungsnetz gearbeitet.

Für Lutz zeige sich eine erfreuliche Entwicklung, da Fahrgäste und Güterverkehrskunden schneller zur Schiene zurückkehrten als erwartet. Die aktuelle Betriebslage zeige aber, "dass wir ein kurzfristig kaum auflösbares Dilemma haben: Gleichzeitig Wachsen und Modernisieren ist an zu vielen Tagen und auf zu vielen Korridoren nicht mehr mit guter Betriebsqualität und Pünktlichkeit möglich". Das Schienennetz sei dabei besonders wichtig, da es zu 80 Prozent für die Qualität des Eisenbahnsystems entscheidend sei.

(anw)