Digitaler Behördenfunk: TETRA beginnt mit der Videointegration

TETRA-Funksysteme sind mit den entsprechenden Notstromaggregaten darauf ausgelegt, auch dort für Kommunikation zu sorgen, wo Naturkatastrophen oder Kriege die Infrastruktur zerstört haben. Die Behördenfunksysteme öffnen sich zunehmend auch dem Datenverkehr.

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Von
  • Detlef Borchers

Behördenfunksysteme öffnen sich zunehmend dem Datenverkehr. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Integration von Video dar. Auf dem TETRA World Congress in Singapur wurden erste Überlegungen für die nächsten 5 bis 10 Jahre vorgestellt, während die ersten Geräte nach dem TETRA Enhanced Data Standard (TEDS) auf der Messe Premiere hatten.

Für die Hersteller von Kommunikationslösungen von Polizei, Feuerwehr oder Transportunternehmen ist Asien ein wichtiger Markt geworden. Es ist vor allem China, das für seine Metropolen Funksysteme im großen Stil bestellt. Unter diesem Aspekt gastiert der TETRA-Kongress (TWC) vom 25. bis 27. Mai in Singapur, nachdem man in Hongkong 2008 sehr erfolgreich gewesen war. Der asiatische Raum liegt beim Behördenfunk mit einem Marktanteil von 25 Prozent hinter Europa (40 Prozent), doch verzeichnet er ungebremstes Wachstum, während in ganz Europa infolge der Sparprogramme von Staaten und Kommunen deutlich weniger investiert wird.

TETRA-Funksysteme sind mit den entsprechenden Notstromaggregaten darauf ausgelegt, auch dort für Kommunikation zu sorgen, wo Naturkatastrophen oder Kriege die Infrastruktur zerstört haben. Gleich zum Start des TETRA-Kongresses berichtete Oisin Walton von Télécoms sans Frontières, wie seine Organisation nach dem Erdbeben in Haiti ein Kommunikationsnetz einrichtete, das von über 100 Hilfsorganisationen zur Koordinierung der Rettungs- und Aufräumarbeiten genutzt wurde. Oberstleutnant Vito Ruscio vom italienischen Verteidigungsministerium schilderte, wie die militärische Variante TETRATAC (TETRA Tactical) von den italienischen Streitkräften in Afghanistan zur Kommunikation der internationalen Einsatztruppen eingesetzt wird und sich im Zusammenspiel mit anderen Systemen wie dem Tetrapol der Bundeswehr bewährt hat.

Auf der den Kongress begleitenden Fachmesse stand indes die zivile Nutzung im Vordergrund. Mehr denn je müssen sich TETRA-Systeme dem Datentransport öffnen, nicht zuletzt, weil Funkgeräte mit GPS-Funktion zum Standard werden. Dafür wurde der Datenstandard TEDS geschaffen, für den in Singapur erste integrierte Geräte präsentiert wurden. So stellte Motorola sein MTM5400 genanntes Funkgerät vor, das als erstes die simultane Datenkommunikation mit 160 kBit/s während des Sprechens erlaubt. Das Einbaugerät ist mit zwei USB-2.0-Anschlüssen ausgerüstet, über die beispielsweise Videoaufnahmen zur Einsatzleitung geschickt werden können. Je nach Bedarf kann das Gerät überdies mit Ethernet, WLAN oder Bluetooth-Funktionen ausgerüstet und etwa mit Laptops gekoppelt werden.

Auch Konkurrent EADS zeigte mit Xerigo 3 ein TEDS-System mit umfangreichen Anschlussmöglichkeiten. Der Schwerpunkt der Präsentation lag jedoch auf dem neuen Handfunkgerät THR 8 mit seiner Lifeguard-Technik. Dahinter verbirgt sich eine "Totmann-Funktion", die im Ernstfall automatisch eine Notrufnummer anwählt und die GPS-Daten übermittelt.

Softwareseitig zeigte der TWC, dass Kunden zunehmend auf kostengünstigere IP-Installationen umstellen, statt teure E1-Standleitungen zu nutzen. Dementsprechend müssen die Basisstationen ausgerüstet werden, was Hersteller wie Motorola mit der neuen MTS4E-Basisstation und EADS mit einem DXT3 genannten System demonstrierten.

Wohin die zukünftige Entwicklung geht, skizzierte Motorola-Manager Thomas Quirke gegenüber heise online: "Stellen Sie sich eine Situation in der Stadt vor, bei der ein Einsatzwagen die Alarmsirene eingeschaltet hat, der Polizist aber nicht erreichbar ist. Die Videokameras in der Umgebung registrieren den Alarm und zoomen auf den Wagen. Über die Kameras ermittelt der Einsatzleiter die GPS-Position und schickt Verstärkung. Sind verdächtige Personen auf den Bildern, so können diese nahtlos zu den anfahrenden Beamten übertragen werden. Gleichzeitig kann in der Zentrale eine Hintergrundsuche nach diesen Personen oder vergleichbaren Einsatzfällen am selben Ort gestartet werden." Während TEDS nach Quirke für 80 bis 90 Prozent der alltäglichen Vorkommnisse (Fotoübermittlung, Datenbankabfragen) ausreicht, muss für die nahtlose Videointegration nach neuen Wegen gesucht werden. "Das geht nur in enger Zusammenarbeit mit der ETSI", erklärte Motorolas David Chater-Lea, Leiter der TETRA-Arbeitsgruppe IV für Datenkommunikation. "Wir schauen uns an, wie sich LTE entwickelt und wie WiMax. Mit LTE gib es erste Tests in den USA, während WiMax im Nahen Osten Favorit ist."

(Dieser Artikel ist während einer von Motorola finanzierten Pressereise europäischer Journalisten entstanden.) (jk)