Drei Fragen und Antworten: das Gesetz für mehr Effizienz im RZ – der große Wurf?

Rechenzentren haben einen extrem hohen Energiebedarf und produzieren viel ungenutzte Abwärme. Ein Gesetz soll das ändern – ein Interview über mögliche Folgen.

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Die Bundesregierung plant ein Gesetz, das unter anderem Betreiber von Rechenzentren stärker in die Pflicht nimmt, was ihre Energienutzung, aber auch das Abwärme-Management angeht. Der Bitkom kritisierte den Vorschlag vergangene Woche: Zu viel Aufwand für zu wenig Ertrag, so der Tenor des Branchenverbands. Max Schulze vom Verein Sustainable Digital Infrastructure Alliance (SDIA) erklärt uns im Gespräch, warum er den Referentenentwurf sehr wohl unterstützt, und was eine nachhaltigere Zukunft für Rechenzentren derzeit noch verhindert.

Drei Fragen und Antworten mit Max Schulze

Max Schulze ist Vorstand der SDIA e.V. (Sustainable Digital Infrastructure Alliance). Die Allianz setzt sich seit 3 Jahren für Nachhaltigkeit im Digitalsektor ein, dazu gehört auch die Abwärme. Sie hat mehr als 100 Unterstützer aus der Industrie, ist aber unabhängig – Unternehmensmitglieder haben keine Stimmrechte.

Sie begrüßen die Initiative der Bundesregierung für strengere gesetzliche Regulierungen, der der der Bitkom zuletzt scharf widersprochen hat. Mutet man den deutschen Rechenzentrums-Betreibern mit dem neuen Gesetz in den derzeit wirtschaftlich unsicheren Zeiten damit nicht tatsächlich zu viel zu?

Nein, das denke ich nicht. Zudem der Gesetzesentwurf sich erstmal auf neue Rechenzentren bezieht und nicht auf bestehende Rechenzentrumsgebäude – ich denke, besonders in Bezug auf wirtschaftliche Auswirkungen sollte man hier klar differenzieren.

Zudem ist das Thema nicht neu und die Rechenzentrumsbranche selber wirbt schon seit einiger Zeit für eine bessere Nutzung der Abwärme: "Erste Prognosen hierfür liefert Frankfurt am Main, Standort von mehr als 60 Data Centern und des weltweit größten Internetaustauschknotens: Bis 2030 könnten hier rein rechnerisch sämtliche Wohn- und Büroräume durch die Abwärmenutzung eine klimaneutrale Wärmezufuhr erhalten."

Es wundert da nicht, dass die Bundesregierung das Thema aufgreift und einen Rahmen für eine schnelle Umsetzung ermöglicht – mit den gleichen Bedingungen für alle Bauvorhaben von neuen Rechenzentren. Zudem ist es aus unserer Sicht eine großartige Gelegenheit für den Rechenzentrumssektor einen wichtigen Beitrag zur Wärmewende und damit auch zu den Klimazielen der Bundesregierung zu leisten. Ich persönlich freue mich über jeden Kilowatt Abwärme, den wir nutzen können und nicht mit noch mehr Strom (aus der Gas- und Kohleverstromung) aufwenden müssen, um zu kühlen.

Nun beschränken sich die Probleme der RZ-Infrastruktur aber ja nicht auf die Abwärmenutzung – und die Klimakrise nicht auf Deutschland. Was muss international in Rechenzentren passieren, auch beim Thema Stromverbrauch, um den CO2e-Fußabdruck der RZ-Branche zu minimieren?

Wichtig ist es im ersten Schritt, die Transparenz zu erhöhen – wir wissen weltweit viel zu wenig über die Anzahl, Größe und Stromverbräuche von Rechenzentren. In Deutschland zeigt das PeerDC-Projekt des Umweltbundesamtes und des BMWK bereits, wie das funktionieren kann, zum Beispiel, indem die Betreiber die verfügbare thermische Energie und Stromverbräuche in einem öffentlichen Register bereitstellen. Mit diesen Informationen lassen sich dann konkrete Lösungen entwickeln.

Grundsätzlich, und global betrachtet, ist es aber schon heute sinnvoll, die Standortentwicklung für Rechenzentren dorthin zu verlagern, wo physische erneuerbare Energie verfügbar ist, zum Beispiel nach Norddeutschland in die Nähe von den Umspannwerken von Offshore Wind-Anlagen. Denn auch wenn sich im Moment alle Betreiber mit Grünstromzertifikaten eindecken, bleibt ein Rechenzentrum ein Grundlastverbraucher. Sie sollten daher weiter aus den Städten verschwinden oder ihre Stromaufnahme flexibilisieren, wie es auch in anderen Branchen schon passiert.

Zudem müssen wir uns überlegen, ob der Bau von neuen Rechenzentren überhaupt nachhaltig sein kann oder ob es nicht sinnvoller ist, die bestehenden Flächen besser zu nutzen, zu modernisieren und die IT-Dichte weiter zu erhöhen. Am Ende ist jedes neue Gebäude aus Stahl, Beton und mit soviel elektrischer Infrastruktur wie ein Rechenzentrum erst mal eine Belastung für die Umwelt und erschwert durch die Grundlastanforderung an das Stromnetz die Dekarbonisierung der Stromerzeugung.

An der Klimakrise ist nun nicht nur die RZ-Branche schuld – über welche Größenordnungen sprechen wir da denn überhaupt in Deutschland bezüglich der CO2e-Ausstöße von RZs, gerade im Vergleich mit anderen Klimasünder-Branchen wie dem Verkehr oder der Landwirtschaft- und Lebensmittel-Branche?

Tja, hier sind wir wieder beim Thema Transparenz. Es gibt mittlerweile so viele verschiedene Zahlen und Statistiken, dass keine davon wirklich glaubwürdig ist. Dafür müssten wir die Stromverbräuche, Leerstände, Flächen und Bau- und Infrastrukturkomponenten kennen – und wenn Sie Rechenzentren danach fragen, laufen Sie nicht gerade in offene Arme.

Fakt ist, dass die weitere Digitalisierung unserer Wirtschaft und Gesellschaft und das Wachstum der Digitalwirtschaft zu mehr und mehr digitaler Infrastruktur führen wird. Und wir sind davon überzeugt, dass wir als Gesellschaft zumindest in der Lage sein sollten zu sagen "damit erzeugen wir X Tonnen CO₂ in Gebäuden und X MWh in zusätzlichem Stromverbrauch". Und dafür brauchen wir Fakten, die wir hoffentlich durch Projekte wie PeerDC, kommende EU Reporting Anforderungen und auch durch die globale Schärfung von CO2e-Reports bekommen werden.

Stellen Sie mir die Frage also gerne nächstes Jahr noch mal :-)

Herr Schulze, vielen Dank für Ihre Antworten. Vergangene Woche kritisierte der Bitkom einen Referentenentwurf des BMWK von Robert Habeck entschieden, noch bevor der Text öffentlich zugänglich war. Die Vorlage für ein "Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz, Verbesserung des Klimaschutzes im Immissionsschutzrecht und zur Umsetzung von EU-Recht" würde demnach zum Wettbewerbsnachteil im internationalen Vergleich werden. Das könne zur Folge haben, dass RZ-Betreiber Deutschland verlassen.

In der Serie „Drei Fragen und Antworten“ will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.

(jvo)