EU-Justizminister: Hass und Hetze sollen EU-weit strafbar werden

Im Dezember startete die EU-Kommission eine Initiative, um Hass und Hetze in allen Mitgliedsstaaten unter Strafe zu stellen. Die EU-Justizminister sind dafür.

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(Bild: Shutterstock)

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Hassrede und Hetze könnten bald in der gesamten EU strafbar sein. Die Justizminister der 27 EU-Staaten begrüßten ein entsprechendes Gesetzesvorhaben der EU-Kommission prinzipiell am Freitag bei einem informellen Treffen im französischen Lille. Laut der Ratspräsidentschaft, die derzeit Frankreich innehat, "brachten Sie das gemeinsame Ziel zum Ausdruck", einschlägige Hasskommentare in die Liste der Straftaten aufzunehmen, die auf europäischer Ebene festgelegt werden können.

Mit ihrer Mitte Dezember gestarteten Initiative setzt sich die Kommission dafür ein, die bestehende Liste der EU-Straftatbestände um "Hassverbrechen" zu erweitern. Die sogenannten Eurocrimes sind in Artikel 83 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) aufgeführt. Im zweiten Schritt will die Brüsseler Regierungsinstitution dafür sorgen, dass es in diesem Bereich "für die Festlegung von Straftatbeständen und Strafen gemeinsame Mindestvorschriften gibt", die in allen Mitgliedstaaten gelten.

Laut tagesschau.de haben einige EU-Länder noch Bedenken gegen den Vorstoß. Nicht nur Spaniens Justizministerin Pilar Llop hoffe aber auf eine baldige offizielle Einigung. Wichtig sei es dabei aber, entsprechende Delikte genau zu definieren. "Natürlich ist die Meinungsfreiheit ein sehr hohes Gut", betonte die Richterin laut dem Bericht. "Aber gerade in der aktuellen Situation, wo es eine starke Polarisierung der Gesellschaft gibt, kann Hass im Netz bewirken, dass Menschen ihre Meinung nicht mehr äußern." Zudem sei belegt, dass Hassreden im Netz zu realer Hasskriminalität und Übergriffen führten. Daher dürfe es dafür im Internet keine Straffreiheit geben.

Alle Länder in Europa hätten mit dem Problem zu kämpfen, zitiert tagesschau.de die österreichische Justizministerin Alma Zadić. Einige Internetkonzerne orientierten sich bereits an einschlägigen Vorgaben in einzelnen Mitgliedsstaaten. Andere wie Telegram hielten sich dagegen bislang nicht daran, monierte die Grüne: "Genau deshalb ist es so wichtig, auf europäischer Ebene vorzugehen, denn damit haben wir als Europäische Union ein viel stärkeres Gewicht gegenüber diesen Plattformen."

Bundesjustizminister Marco Buschmann begrüßt generell ein entschlossenes Vorgehen gegen Online-Hass. "Morddrohungen oder im Netz verbreitete Feindeslisten sind gezielte Einschüchterungsversuche", unterstrich der FDP-Politiker jüngst. "Da sollen Menschen mundtot gemacht werden. Das verstößt gegen die Prinzipien der offenen Gesellschaft." Jeder müsse grundsätzlich angstfrei seine Meinung sagen können.

Auch das Strafrecht sei da hierzulande schon eindeutig: "Wer zu Gewalt aufruft, andere mit Mord bedroht oder Feindeslisten verbreitet, begeht eine Straftat. Dagegen müssen Polizei und Justiz in den Ländern entschieden vorgehen." Buschmann lobte, dass auf dieser Ebene bereits viel "in vorbildlicher Weise" gehandhabt werde, etwa "durch Schwerpunktstaatsanwaltschaften wie in Nordrhein-Westfalen oder Hessen" oder "durch die Einrichtung von Sonderdezernaten gegen Hatespeech wie in Bayern".

Im Rahmen des Vorhabens der Kommission könnten das EU-Parlament und der Rat durch Richtlinien Mindestvorschriften für entsprechende Straftaten und Sanktionen festlegen, erklärte eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums gegenüber heise online. Daraus ergäbe sich für Deutschland noch kein gesetzgeberischer Anpassungsbedarf. Dieser könnte und müsste erst ausgelotet werden, wenn die Kommission auch "eine Richtlinie zur Festlegung von Mindestvorschriften für die Definitionen und Sanktionen in Bezug auf Hetze und Hasskriminalität" vorschlage.

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Um dem Phänomen von Hass und Hetze im Netz "noch konsequenter und wirksamer zu begegnen", bedürfe es "einer einheitlichen europäischen Lösung für soziale Netzwerke, die mit dem Digital Services Act (DSA) geschaffen werden soll", führte die Sprecherin aus. Das Justizressort bringe sich "konstruktiv in die Beratungen dazu ein". Es sei vorgesehen, nach der Verabschiedung des DSA das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gemäß den europäischen Vorgaben anzupassen. Das Ministerium fördere zudem ein Leipziger Forschungsprojekt, mit dem "konkrete Vorschläge für eine effektive strafrechtliche Bekämpfung von Hatespeech entwickelt werden" sollten.

Auf dem Treffen in Lille besprachen die Minister auch die Zusammenarbeit zwischen Digitalunternehmen und den Justizbehörden der Mitgliedstaaten mit Vertretern von Meta beziehungsweise Facebook und Google. Twitter hatte aufgrund interner Corona-Vorgaben keinen Abgesandten geschickt, worauf hin der französische Justizminister Eric Dupont-Moretti demonstrativ einen Stuhl frei ließ. Die Teilnehmer begrüßten laut der Ratsführung "den konstruktiven Dialog zu diesem Thema" und zeigten "denkbare kurz- und mittelfristige" Verbesserungsansätze auf. Zum wiederholten Mal forderten sie zudem eine rasche Einigung im Streit über die geplante Richtlinie zu elektronischen Beweismitteln in Strafsachen (E-Evidence), bei der es etwa um den Zugriff auf Daten in Cloud-Speichern geht.

Buschmann nutzte die Gelegenheit dem Vernehmen nach auch, um mit den Managern von Facebook und Google über deren Kontakte zur Telegram-Konzernspitze zu sprechen. Das Bundesamt für Justiz hatte schon im Frühjahr zwei Anhörungsschreiben an Telegram wegen NetzDG-Verstößen gerichtet. Der Betreiber reagierte lange Zeit aber nicht, obwohl Strafen von bis zu 55 Millionen Euro drohen. Das Bundesinnenministerium konnte im Kampf gegen Beleidigungen und Morddrohungen in dem Messenger mittlerweile über Google einen ersten direkten Kontakt zu der Leitung des Dienstes herstellen. Buschmann zufolge braucht es in erster Linie eine "gewisse Ausdauer, um an das Unternehmen heranzukommen".

(tiw)