EU-Kommission für weltweite RFID-Regulierung

Angesichts großer Datenschutz- und Sicherheitsbedenken bei den Plänen der Industrie zum flächendeckenden Einsatz von Funkchips macht sich Brüssel für ein globales Rahmenwerk zum Schutz von Grundrechten stark.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 68 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Angesichts großer Datenschutz- und Sicherheitsbedenken bei den Plänen der Industrie zum flächendeckenden Einsatz von Funkchips macht sich Brüssel für ein globales Rahmenwerk zum Schutz von Grundrechten stark. "Wir brauchen eine weltweite Regulierung vernetzter RFID-Systeme", forderte Gérald Santucci, Abteilungsleiter im EU-Kommissariat Informationsgesellschaft, am Dienstag auf einem Workshop der Behörde im Rahmen der EU-Konsultation zu "smarten" Etiketten in Brüssel. Die Funkchips könnten sich sonst zu "Instrumenten einer privaten Polizei" auswachsen, fürchtet der Franzose. Es bestehe die Gefahr, dass aufgrund der einfacheren und permanenten Möglichkeit zum Sammeln auch persönlicher Daten über RFID-Tags in der Wirtschaft zahlreiche "kleine Brüder" Big Brother Konkurrenz machen würden.

RFID wird in der EU-Kommission im Einklang mit der Ansicht vieler Experten als Schlüsseltechnologie eines neuen Zeitalters einer "ubiquitären vernetzten Gesellschaft" gesehen. Sie müsse daher "den Bedürfnissen von Unternehmen entsprechen und das Leben der Bürger verbessern", betonte Santucci. Da die Technik mit sinkenden Preisen für die Chips der Etikettierung einzelner Verbraucherartikel näher komme und Einzug in die Pässe oder auf Nummernschilder von Autos halte, müsste der Schutz der immer leichter erfassbaren persönlichen Daten vorangetrieben und den Bedenken rund um den Schutz der Privatsphäre etwas entgegengehalten werden. "Die EU hat Regulierungsmaßnahmen zu treffen und spezifische Forschungsprojekte voranzutreiben", erklärte der Kommissionsvertreter. Darüber hinaus sei internationales Handeln erforderlich.

Santucci sieht zwar zahlreiche positive Einsatzszenarien für die Funktechnik. Aber auch die potenziellen negativen Folgen seien zu berücksichtigen. Seiner Ansicht nach bleibt die Implementierung der Chips beispielsweise in Logistikketten und Warenströmen nicht ohne Konsequenzen für die Arbeitspraktiken. "Nicht alle" würden in diesen Wirtschaftsbereichen ihre Jobs verlieren, führte er aus, neue könnten entstehen. Aber die mit dem Siegeszug von RFID in der Warenwelt einhergehende Effizienzsteigerung werde letztlich zu weniger Arbeitsplätzen führen. Zudem könnten die verbleibenden Angestellten überwacht und ihre Produktivität gemessen werden. Das "Verchippen" von Menschen hält Santucci dagegen nicht "für einen Orwellschen Akt" an sich. In Kliniken etwa könnten derlei Praktiken "zu guten Resultaten führen". Allgemein müssten aber die "sozialen Implikationen studiert und Gegenstand einer öffentlichen Debatte werden". Eine "sorgfältige Balance" zwischen allen Interessensgruppen sei zu finden und "unsere Werte Privatheit und Sicherheit" gewährleistet werden. Noch für zuwenig erforscht hält Santucci auch die "biologischen Auswirkungen der Magnetfelder", die durch die Funkstrahlung der RFID-Lesegeräte entstehe: "Wir können diesen Gesundheitsrisiken nicht den Rücken zukehren".

Die für die Informationsgesellschaft zuständige Kommissarin Viviane Reding zeigte sich in einer Grußnote optimistisch, dass "RFID für Unternehmen und Kunden gut sein wird". Allerdings werde die Technik nur "abheben", wenn die Verbraucher Vertrauen in die Chips setzen würden. Jeder Bürger müsse die Verantwortung für seine eigenen Daten behalten. Zudem seien noch Fragen rund um Standards und Interoperabilität zu klären.

Zu den Bemühungen einer weltweiten technischen und ethischen Normierung der Funktechnik erklärte Fabio Nasarre de Letosa, der die internationalen Beziehungen im Kommissariat Redings betreut, dass die aller Wahrscheinlichkeit nach global eingesetzten Chips eines internationalen Dialogs bedürften. "Wir versuchen ein gemeinsames Verständnis der Technologie aufzubauen, die wirklichen Herausforderungen zu identifizieren und untersuchen gleichzeitig, welche gesetzlichen Rahmenwerke bereits in Kraft sind", wandte er sich gegen Befürchtungen, dass sich die EU als eine Art "Weltregierung" bei der Technikregulierung in Position bringen wolle. Beim Datenschutz etwa handle es sich schließlich nicht um ein "regulierungsfreies Gebiet". Ähnlich wie bei dem Workshop gehe es darum, möglichst alle Interessensgruppen zusammenzubringen. (Stefan Krempl) / (jk)